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Arbeitsmedizin - Mehr als reine Unfallverhütung  
  In den westlichen Industrieländern sind Arbeitsprozesse in den letzten Jahren einem starken Wandel unterzogen. Zu den "traditionellen" körperlichen Belastungen treten dadurch vermehrt auch psychische Überforderungen der Arbeitnehmer. Daher beschäftigt sich auch die Arbeitsmedizin schon längst nicht mehr "nur" mit Arbeitsplatzgestaltung, gefährlichen Materialien usw., sondern auch mit den psychischen Einflüssen und ihren Auswirkungen am Arbeitsplatz. Der Ö1-Radiodoktor betrachtete die neue Situation der Arbeitsmedizin.  
Die Aufgabe der Arbeitsmedizin ist es, gesundheits- und leistungsrelevante Faktoren im betrieblichen Geschehen zu erkennen, ihre Auswirkung auf den Menschen und den betrieblichen Ablauf zu bewerten und Verbesserungsmaßnahmen zu entwickeln und umzusetzen.
Veränderte Rahmenbedingungen
Durch die zunehmende Bedeutung der Dienstleistungsbereiche gegenüber der Produktionswirtschaft haben sich die Anforderungen und äußeren Einflüsse, denen ein Großteil der Arbeitnehmer unterworfen ist, erheblich geändert.

In vielen Bereichen wurden "traditionelle" gesundheitsmindernde Faktoren wie z. B. körperliche Belastung durch Zeitdruck, Stress, Angst um den Arbeitsplatz usw. ersetzt. Dieser Umstand führt zu einem Anstieg psychisch begründeter Gesundheitsprobleme.
Arbeitsmedizin und Arbeitnehmerschutzgesetz
Die gesetzlichen Grundlagen der Tätigkeit eines Arbeitsmediziners sind im Arbeitnehmerschutzgesetz geregelt. Es handelt sich dabei um jene Schutzvorschriften, die zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer gegen eine Ausbeutung oder vorzeitige Abnützung ihrer Arbeitskraft und gegen eine Gefährdung des Lebens, der Gesundheit und der Sittlichkeit geschaffen wurden und deren Übertretung mit Verwaltungsstrafe bedroht ist.

Betriebe, die mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen, müssen mit einem Arbeitsmediziner zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit kann auch durch eine Reihe von Ereignissen ausgelöst werden, wie z. B. geänderte Arbeitsbedingungen, Unfälle, Auftreten von Erkrankungen, die im Verdacht stehen arbeitsbedingt zu sein usw.
->   Das Arbeitnehmerschutzgesetz im genauen Wortlaut (Rechtsinformationssystem/Bundesgesetzblätter)
Der Arbeitsmediziner in Aktion
Tritt der Arbeitsmediziner in Aktion, stellt er zunächst fest, welchen Einflussfaktoren wie z. B. Schadstoffe, Chemikalien oder mentale Belastungen der Arbeitnehmer ausgesetzt ist.

Danach werden die Einflussfaktoren analysiert, gemessen und bewertet. Nachdem festgestellt wurde, wie groß die Beeinträchtigung der Gesundheit ist, und welche Einflussfaktoren hier ausschlaggebend sind, werden zusammen mit Unternehmensvertretern und Arbeitnehmern Verbesserungsmaßnahmen erarbeitet. Natürlich werden auch die notwendigen organisatorischen und finanziellen Maßnahmen für das Erreichen der erarbeiteten Ziele festgesetzt.

Wie weit die Erkenntnisse des Arbeitsmediziners allerdings umgesetzt werden, ist laut der Arbeitsmedizinerin Maria Baniadam immer abhängig vom jeweiligen Betrieb.
Nicht nur Gesundheit, auch Leistung wird beeinflusst
Nicht nur der Arbeitsplatz, sondern auch die Gesamtstruktur des Unternehmens ist für die Gesundheit am Arbeitsplatz wichtig. "Letztendlich geht es um die Frage: Welche Einflussfaktoren sind leistungsbeeinflussend?", sagt die Geschäftsführerin der österreichischen Akademie für Arbeitsmedizin Brigitte John-Reiter.

Daher werden jetzt auch verstärkt die Gesamtorganisation des Unternehmens, Führungsstil und andere Einflüsse auf ihre psychischen Auswirkungen gegenüber dem Arbeitnehmer geprüft. Bisher wurde immer nur das direkte Arbeitsfeld auf Einflussfaktoren untersucht.
Folgen psychischer Belastung
Zu viel Verantwortung, keine Arbeitsplatzgarantie, unregelmäßige Dienstzeiten, Lärm oder Mobbing kann zu geistigen und körperlichen Erkrankungen führen. Diese Faktoren werden in Zukunft eher zu- als abnehmen.

Die Folgen dieser Entwicklung kann ein Anstieg von Depressionen, Angst, Nervosität, Ermüdung, Verdauungsproblemen oder Herzerkrankungen sein.

Schätzungen zufolge sind Herz-Kreislauferkrankungen bei Frauen beretis jetzt schon zu 22 Prozent auf Stress zurückzuführen, bei Männern sind es bis zu 16 Prozent.
Arbeitsmedizin der Zukunft
Ein Teil der Arbeitsmedizin wird sich auch in Zukunft weiterhin mit den gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchungen und der Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten befassen.

Der Großteil der Arbeitsmediziner wird sich in Zukunft jedoch verstärkt auch mit Faktoren befassen, die bisher kaum in Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Arbeitsmediziners gebracht wurden: so führen beispielsweise Organisationskultur und Managementsysteme oder neue technologische Entwicklungen in zunehmendem Maß vor allem zu mentalen Belastungen und Beanspruchungen bei den Arbeitnehmern.

Daher soll die Arbeitsmedizin der Zukunft nicht nur für die Verhütung von Unfällen am Arbeitsplatz eine Bedeutung haben, sondern auch wesentlichen Einfluss auf organisatorische Prozesse im Unternehmen nehmen.

Walter Gerischer-Landrock, Ö1-Radiodoktor
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Eine kostenlose Infomappe zur Sendung vom 28.7.03 kann bestellt werden unter: ORF Redaktion Radiodoktor, Postfach 1000, Kennwort Arbeitsmedizin, 1040 Wien oder E-Mail: radiodoktor@orf.at
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->   Österreichische Akademie für Arbeitsmedizin
->   Überblick Arbeitnehmerschutzgesetz
->   Mehr zum Thema "Arbeitsplatz" in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010