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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Gravitations-Karte: Die Erde als Erdapfel  
  Da die Masse der Erde ungleich verteilt ist, ist auch ihre Anziehungskraft nicht überall gleich. Für den Menschen spielt dies keine Rolle, denn er kann diese Unterschiede nicht wahrnehmen. Mit Hilfe aktueller Satelliten-Daten hat ein Forscherteam nun die bisher genaueste Gravitationskarte der Erde hergestellt - sie hat dabei die Form eines Erdapfels.  
Die Wissenschaftler des deutsch-amerikanischen Forschungsprojekts "Grace" (Gravity Recovery and Climate Experiment) haben deshalb die gemessenen Unterschiede leicht übertrieben und auf den gesamten Planeten zugeordnet. Herausgekommen ist eine erstaunliche Visualisierung - die entfernt an Erdäpfel erinnert.
Erklärung für Meeres-Bewegung und Treibhauseffekt
 
Bild: Grace

Die roten Stellen markieren Gebiete mit starker Anziehung, die blauen Stellen jene mit geringerer.

Was auf den ersten Blick kurios aussieht, bringt unter anderem neue Einblicke über die Bewegung der Ozeane und lässt Rückschlüsse auf ihre Beeinflussung des Klimas zu. Nicht zuletzt könnten diese Erhebungen und Senken auch zu einem besseren Verständnis der Auswirkungen des Treibhauseffekts führen.
Zwillings-Satelliten in 450 Kilometer-Umlaufbahn
Hergestellt hat die Weltkarten die deutsch-amerikanische Forschungsmission "Grace". In einer Umlaufbahn von 450 Kilometern über der Erde sammeln die beiden Grace-Satelliten seit 2002 Daten, welche die Vermessung und Modellierung des Erdgravitationsfeldes mit bisher unerreichter Genauigkeit ermöglichen.

Obwohl sie sich noch im Teststadium befinden, haben die Zwillings-Satelliten bereits Daten geliefert, die genauer sind als alle bisher bekannten Resultate. Ihre Auswertung erfolgt durch das GeoForschungsZentrum (GFZ) Potsdam und das Zentrum für Raumforschung der University of Texas in Austin (USA).
->   Grace I (Universität Texas)
->   Grace II (GFZ)
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Gravitation
Gravitation bezeichnet jene Kraft, die zwei oder mehrere Körper aufgrund ihrer Masse aufeinander ausüben. Für den Betrag der Kraft F, mit der sich zwei Körper gegenseitig anziehen, gilt das Newtonsche Gravitationsgesetz. Die Gravitation der Erde bezeichnet man auch als Schwerkraft, sie verursacht, dass alle Körper nach dem Erdmittelpunkt gezogen werden und "schwer" sind, d. h. ein Gewicht haben.

Schwerkraft ist gleich Masse mal Erdbeschleunigung (Wert etwa 9,81 m/s2). Am Äquator ist die Schwerkraft infolge der Erdabplattung und Zentrifugalkraft am kleinsten. Die Schwerkraft wird jedoch durch Schwereanomalien in der Erdrinde beeinflusst.
->   Das Newtonsche Gravitationsgesetz
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Messung im Mikrowellenbereich
Die Registrierung der Erdgravitation beruht auf der maximalen Präzision der beiden Satelliten, die im Abstand von 220 Kilometer exakt die gleiche Bahn beschreiben. Durch die Messung ihres Abstandes bestimmen sie - im Mikrowellenbereich - die Unterschiede in der Gravitation.
Massereicher Himalaya, heterogene Meere
Offensichtlich neuralgische Zonen sind auf den Karten klar erkennbar, wie etwa das Himalaya-Gebiet, wo sich aufgrund plattentektonischer Vorgänge in der Erde Masse zunehmend zusammenballt - und somit auch ihre Anziehungskraft.

Es sind aber eher die feinen Details, die bei Grace hervorstechen, speziell in den riesigen Meeresregionen, die ihre Masse stets umwälzen. Was nämlich scheinbar eine glatte Oberfläche hat, entpuppt sich als ewiges Auf und Ab aus Hügeln und Tälern durch Wind und Gezeiten sowie - nicht zuletzt - auch unterschiedlichen Gravitationskräften.
Schwerkraft in stetigem Wandel
 
Bild: Grace

Ozeanforscher können diese Gravitationskarten mit anderen Meereshöhen-Messungsmethoden kombinieren, um die weltweite Zirkulation der Gewässer genau zu studieren.

Beim ersten Modell (siehe Bild), das auf Daten der beiden Grace-Satelliten basierte, handelte es sich um eine statische Karte - eine Momentaufnahme der Erdgravitation. Selbstverständlich ist dieses Profil aber einem stetigen Wandel unterzogen - aufgrund der Erdrotation und der damit verbundenen Bewegungen der festen Erdmasse, der Meere und auch der Masse der Atmosphäre darüber.

Aus diesem Grund fertigt Grace etwa einmal im Monat eine neue Gravitationskarte mit den jeweils aktuellen Informationen an. Daraus hoffen die Forscher, Änderungen und Tendenzen schnell ablesen zu können - etwa so wie jene Umkehrung des "Verschlankungs-Prozesses" am Äquator, der seit der Eiszeit vor sich gegangen war.
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Rätselhafte "Gewichtszunahme" der Erde
Nach dem Schmelzen der Eiskappen nach der letzten Eiszeit (vor etwa 10.000 Jahren) verlagerte sich deren Masse weg von den Polen. Dadurch tendierte die Erde in Richtung vorangegangener Form, die sie durch den Jahrtausende währenden Druck der Eismassen verloren hatte. Dieser Zustand dauerte nach Ansicht von US-Forschern aber nur bis 1998, seit damals habe sich dieser "Verschlankungsprozess" umgekehrt. Seitdem wachse der Äquator-Bauch aus unbekannten Gründen wieder, wie die Messungen der Erdgravitation zeigen, schrieben sie im Vorjahr in "Science".
->   Mehr dazu (2.8.02)
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Ozeane besonders im Visier
Sollten sich ähnliche Vorgänge wie 1998 wieder ereignen, soll Grace genauere Analysen liefern, besonders was die Rolle der Ozeane betrifft - denn deren Gravitation ist mit anderen Methoden am schwersten zu überprüfen.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
->   Animiertes Gif der Gravitationskarte
->   Physiker: Erdmagnetfeld beeinflusst Schwerkraft (24.9.02)
->   Mehr über Gravitation in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010