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Neutronen-Strahlung in Hiroshima gemessen  
  Am 6. August 1945 warf die US-Luftwaffe über der japanischen Stadt Hiroshima die erste Atombombe ab. Was für die meisten der Bewohner katastrophale Folgen hatte - die Gesamtzahl der Opfer wird heute auf 200.000 geschätzt - ist für den Strahlenschutz bis heute wichtig: Um Grenzwerte abzuleiten, werden die bei den Überlebenden beobachteten zusätzlichen Leukämie- und Tumorerkrankungen in Bezug zu den damals vorhandenen Gammastrahlungs- und Neutronendosen gesetzt. Die Neutronenstrahlung von Hiroshima ist von Wissenschaftlern nun erstmals direkt gemessen worden.  
Dies berichten Forscher der TU München, der Universität München, der Universität von Utah und des Lawrence Livermore National Laboratory in der aktuellen Ausgabe von "Nature". Sie bestätigten die bisher nur theoretisch ermittelte Strahlendosis der Neutronen.
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Die Studie ist unter dem Titel "Measuring fast neutrons in Hiroshima at distances relevant to atomic-bomb survivors" in "Nature" (Bd. 424, S. 539, Ausgabe vom 30. Juli 2003) erschienen.
->   Nature
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Lange Unklarheit über Neutronenstrahlung
Nachdem Menschen glücklicherweise sehr selten radioaktiver Strahlung ausgesetzt sind, sind die Erfahrungen der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki von großer Bedeutung für medizinische Schlussfolgerungen. Die geschätzten Strahlungsmengen, denen die Menschen in Japan ausgesetzt waren, werden bis heute für die Berechnung des Krebsrisikos herangezogen.

Unklarheit herrschte speziell in den vergangenen zwei Jahrzehnten bei der Frage, welche Strahlungsdosen von schnellen Neutronen damals tatsächlich freigesetzt worden waren. Einige Studien gingen davon aus, dass sie weit höher lagen als ursprünglich angenommen - was bedeutet hätte, dass das Risiko dieser Teilchen bis dahin unterschätzt worden war - und damit auch die Berechnung des möglichen Krebsrisikos durch andere Strahlungsquellen.
Dosimetriesystem DS86
Während die Menge der Gammastrahlung von Anfang an klar war, blieb die Dosis der schnellen Neutronen lange unklar. Auf Grundlage von Messungen, die zum Teil bereits kurze Zeit nach dem Abwurf der Bombe durchgeführt wurden, entstand 1986 das Dosimetriesystem DS86, das die Neutronendosen im Vergleich zur Gammastrahlung gering einschätzte.

Die gesundheitsschädigenden Auswirkungen wären demzufolge in erster Linie auf die letztere zurückzuführen.
->   Mehr über Neutronenstrahlung
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"Life Span Study" untersucht Überlebende
Die heute im Strahlenschutz üblichen Risikoabschätzungen beruhen im Prinzip auf den Ergebnissen einer Studie, die seit Anfang der 1950er-Jahre die "Radiation Effects Research Foundation" (RERF) durchführt. Sie registriert im Rahmen der so genannten "Life Span Study"(LLS) die Gesundheitsdaten jener rund 90.000 Menschen, welche die Atombomben-Abwürfe von Hiroshima und Nagasaki überlebten - z. B. Krebs- und andere schwere Erkrankungen, und setzt sie mit der damals erhaltenen Strahlendosis in Bezug. Das hierbei verwendete Dosimetriesystem DS86 geht davon aus, dass die Neutronendosen sehr gering waren.
->   Radiation Effects Research Foundation
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Nickel-Isotop als Indikator für Neutronen
Mit Hilfe kombinierter Techniken isolierten die deutschen und amerikanischen Forscher nun ein Nickel-Isotop (Ni-63), das beim Aufeinanderprallen schneller Neutronen mit Kupfer entsteht.

Sie maßen die radioaktiven Ni-63-Mengen pro Minute von Blitzableitern, Abflussrinnen und anderen kupferhältigen Gegenständen, die sich in unterschiedlicher Distanz zum Hypozentrum der Bombe befanden, und schlossen daraus auf die Menge der schnellen Neutronen. Wegen seiner langen Halbwertszeit von 101 Jahren ist Ni-63 auch heute noch vorhanden.
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Beschleuniger-Massenspektrometrie für Nachweis
Da die in den Kupferproben vorhandene Zahl an Ni-63 Atomen äußerst gering ist - teilweise weniger als zehn Ni-63 Atome unter 10 hoch 18 Kupfer Atomen - mussten die Wissenschaftler spezielle Präparations- und Nachweistechniken entwickeln. Eine Schlüsselrolle spielte dabei die Methode der Beschleuniger-Massenspektrometrie, die am Tandem-Beschleuniger des Maier-Leibnitz-Labors der beiden Münchner Universitäten in Garching eingesetzt wird. In Kombination mit einem speziellen Nachweissystem sind damit Messungen mit einzigartiger Empfindlichkeit möglich.
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Ursprüngliche Einschätzungen waren richtig
Die Messergebnisse bestätigten, dass die Intensitäten in einer Entfernung zwischen 900 und 1.500 Metern vom Einschlagort mit früheren Einschätzungen weitgehend übereinstimmte - also in jenem Bereich, in der die meisten Überlebenden Strahlenbetroffenen gefunden worden waren.

Der Schluss der Autoren: Bestehende Schätzungen über die gesundheitlichen Auswirkungen von Neutronenstrahlung müssen nicht geändert werden. Die gesammelten Daten der Überlebenden der Atombombe bleiben ein wertvoller Indikator für die Risiken ionisierender Strahlung.
->   Technische Universität München
->   Mehr über Atombomben in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010