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Rhetorik und Realität: Menschenrechte in China  
  Spätestens seit dem Aufstand von 1989 ist auch im Westen weithin bekannt, dass Bürgerrechte nicht unbedingt das sind, was dem kommunistischen Regime in China am Herzen liegt. Die Sinologin Astrid Kienpointner zeigt in ihrer Diplomarbeit "Menschenrechtsdiskurse in China", dass die Intellektuellen dabei nicht nur eine kritische Rolle einnehmen, sondern auch die derzeitige Politik rechtfertigen. Die Arbeit ist im Uni-Portal mnemopol.net erschienen, science.ORF.at stellt sie in Form einer Rezension vor.  
Schlecht, aber nicht hoffnungslos
Rezensiert von Thomas Müller

Schlecht, aber nicht hoffnungslos - so könnte die Menschenrechtssituation in China derzeit auf den Punkt gebracht werden.

Schlecht weil die chinesische Regierung ihren Bürgern weiterhin unter den verschiedensten Begründungen die elementaren Freiheitsrechte vorenthält, aber nicht hoffnungslos weil der Diskurs der Wissenschaft zu diesem Thema nicht so eindimensional ist, wie der westliche Betrachter vermuten würde.

Dabei findet sich ein breites Spektrum an geistigen Strömungen, die zwar großteils - mehr oder weniger offensichtlich - den Status quo unterstützen (Neokonservative), aber zum Teil auch kritisches Potenzial haben (Liberale).
Gespaltene Intelligenzia
Die Liberalen wiederum sind einerseits in Wirtschaftsliberale und "Gesellschaftsliberale" unterteilbar, wobei letztere ihr Augenmerk mehr auf Demokratisierung und Bürgerrechten richten.

Währendessen sind die Neokonservativen zwar an Wirtschaftsreformen interessiert, dies jedoch unter autoritärer Führung. Nationalistische Tendenzen sind dabei unübersehbar. Damit nähern sie sich schon stark an den Regierungskurs an, der seit den 1980er Jahren in diese Richtung geht.

Dieser beinhaltet Leitmotive, wie einen eigenen Modernisierungsweg, Stabilität, Wohlstand und kollektive Rechte (im Gegensatz zu individuellen Freiheitsrechten).
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Kritische Diskursanalyse wissenschaftlicher Aufsätze
Wie nun in der wissenschaftlichen Literatur mit dem Thema umgegangen wird, ist der eigentliche Forschungsgegenstand der Autorin. Dabei wendet sie die Methode der Kritischen Diskursanalyse an einigen wissenschaftlichen Aufsätzen aus Fachzeitschriften exemplarisch an. Analysiert werden die Argumentationsstrategien und die sprachlichen Mittel, die zum Einsatz kommen.
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Wenn das Gesetz regiert
Die konservative Seite führt dabei einerseits das außenpolitische Argument an, dass Menschenrechte nur ein Mittel zum Zweck des Westens im Nord-Süd-Konflikt seien, welches pauschal gegen alle Entwicklungsländer gerichtet ist.

Andererseits wird gegen individuelle Menschenrechte ein abstraktes Gemeinwohl ins Treffen geführt und gleichzeitig die Einheit von Staat und Gesellschaft suggeriert.

Beliebt ist auch der Begriff "Gesetzesherrschaft" oder "legale Herrschaft". Das Recht wird hier zur abstrakten Größe stilisiert, wobei die Agenten tunlichst verschwiegen werden, ergo wer das Recht bestimmt und wer es umsetzen soll.
Neuer Wind mit Zwischentief
Obwohl die zitierten Zeitschriften nicht als unabhängig bezeichnet werden können, schien es in den letzten Jahren möglich zu sein, auch kritische Artikel zu schreiben, welche die angeführten Argumente hinterfragen.

Diese Stimmen sind aber derzeit noch in der Minderheit und sind auch der Schikane durch die Machthaber ausgesetzt. Zuletzt gab es im Frühjahr 2000 eine Verhaftungs- und Entlassungskampagne gegen liberale Intellektuelle, die auch durchaus Wirkung gezeigt hat. Ganz werden die Entwicklungen der vergangenen Jahre aber nicht rückgängig zu machen sein, und so ist die akademische Diskussion vielleicht der erste Schritt zu einem Klimawandel der politischen Realität.

Demnächst auch nachzulesen in einem Aufsatz für die Zeitschrift "Beiträge zur historischen Sozialkunde".
->   Nachzulesen bei mnemopol.net
->   Beiträge zur historischen Sozialkunde
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Die Autorin:
Astrid Kienpointner studierte von 1995-2002 an der Universität Wien Sinologie, Angewandte Sprachwissenschaft und Tibetologie. Durch einen Studienaufenthalt von 1998-2000 und ein Praktikum im August 2001 in China lernte sie die chinesische Sprache und Kultur kennen. Seit September 2002 ist sie Projektkoordinatorin beim Förderverein der Beziehung China-Österreich (Arbeitsschwerpunkt: Bildungs- und Kulturprojekte).
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->   Sämtliche Beiträge von mnemopol.net in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010