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Wenn Mäusen im Alter wieder ein Licht aufgeht  
  Mit zunehmendem Alter nimmt die Lernfähigkeit und das Erinnerungsvermögen ab. Auf der Suche nach den neurophysiologischen Grundlagen dieses Prozesses sind Wissenschaftler jetzt einen Schritt weiter gekommen. Durch die gezielte Regulierung eines im Hippocampus liegenden Kaliumkanals konnte ein Absinken der Lern- und Gedächtnisleistung bei alten Mäusen verhindert werden.  
Kombination von Ton und Schock
In den Versuchen wurden junge sowie ältere Mäuse darauf trainiert, einen ganz bestimmten Ton mit einem aversiven, also abschreckenden Stimulus zu verbinden - einem leichten elektrischen Fuß-Schock.

Über ihre Experimente berichtet Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für experimentelle Medizin in Göttingen in einer Vorab-Publikation von "Nature Neuroscience".
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Der Artikel in der "Advance Online Publication" von "Nature Neuroscience": "Table of Contents Small-conductance, Ca2+-activated K+ channel SK3 generates age-related memory and LTP deficits"
->   Original-Abstract
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Komplexe Versuchssituation fordert Hippocampus
Wurden Ton und Schock unmittelbar aufeinanderfolgend präsentiert, so konnten sich am darauf folgenden Tag alle Versuchstiere, unabhängig von ihrem Alter, an diese Assoziation erinnern, so die Max Planck-Gesellschaft in einer Aussendung. Die Tiere reagierten dann auf die alleinige Präsentation des Tons mit einer entsprechenden Furchtreaktion, dem so genannten freezing, einer Art Erstarrung, die die Maus für kurze Zeit unbeweglich verharren lässt.

Wurden Ton und Schock beim Training in einem Abstand von mehreren Sekunden dargeboten, so entstand eine komplexere Lernsituation, die im Säugergehirn die Mitwirkung des Hippocampus erfordert, einer für die Gedächtnisbildung wichtigen Hirnstruktur. In diesem Fall konnten sich am darauf folgenden Tag die jungen Mäuse an die Assoziation von Ton und Fuß-Schock deutlich besser erinnern als die älteren Tiere.
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Der Hippocampus
Der Hippocampus ist eine Seepferdchen ähnliche Struktur im Gehirn, in der Tiefe des Schläfenlappens. Dieses Areal des Gehirns ist unter anderem an Lernprozessen und der Verarbeitung interner und externer Informationen beteiligt. Er ist die Schleuse, durch die Kurzzeiterinnerungen in das Langzeitgedächtnis abgelegt werden. Fällt der Hippocampus aus, bleibt die Zeit für uns stehen. Wir können keine neuen Informationen mehr speichern, weder sachliche noch emotionale.
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Altersunterschiede in der Anpassungsfähigkeit
Darüber hinaus fanden die Wissenschaftler, dass die so genannte Langzeit-Potenzierung (engl. long term potentiation oder kurz LTP), eine elektrische Messgröße, die die Plastizität, also die Anpassungsfähigkeit des Gehirns widerspiegelt, im hippocampalen Gewebe der älteren Mäuse weitaus geringer ausgeprägt war als bei den jüngeren.

Im Hippocampus der "Oldies" wiesen sie dagegen mit spezifischen Antikörpern vermehrt einen Kaliumkanal nach, der für die neuronale Aktivität wichtig ist und als SK 3-Kanal bezeichnet wird. Durch gezieltes Herunterregulieren der SK 3-Produktion im Hippocampus bei den älteren Mäusen gelang es den Wissenschaftlern schließlich, die Einschränkungen beim Lernen und bei der Gedächtnisbildung sowie bei der Langzeit-Potenzierung zu unterbinden
Medikamentöse Regulierung des Gedächtnisses
"Obwohl wir davon ausgehen müssen, dass nicht ein einzelnes Gen, sondern tatsächlich eine Vielzahl von Genen am Alterungsprozess beteiligt ist, so ist es doch vom therapeutischen Standpunkt aus höchst vielversprechend, wenn es einen Zusammenhang zwischen einem spezifischen Ionenkanal und der verminderten Gedächtnisleistung gibt", schreibt Joachim Spiess, Direktor der Abteilung für molekulare Neuroendokrinologie am Göttinger Max-Planck-Institut in einer Aussendung.

"Wir vermuten, dass der Anstieg in der Expression, also der Herstellung des SK 3 Kanals einen Mechanismus widerspiegelt, der zur altersbedingten Abnahme der Lern- und Gedächtnisleistung beiträgt. Wenn es gelingt, diesen Kanal über bestimmte Pharmaka selektiv zu regulieren, könnten sich ganz neue Ansätze ergeben, um den im Zuge der Alterung auftretenden Gedächtnisdefiziten wirksam entgegenzutreten", so der Leiter des Wissenschaftlerteams Thomas Blank.
->   Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin
->   Mehr zum Thema "Gedächtnis" in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010