News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Erfolge und Aussichten der Genomforschung  
  Die Entschlüsselung des menschlichen Genoms gilt als Meilenstein der Naturwissenschaften. Mediziner, Biologen und Genetiker versuchen seitdem, neue Erkenntnisse aus dem "Buch des Lebens" zu gewinnen. Der Lebensmittel- und Biotechnologe Albert Karsai beschreibt in einem Gastbeitrag für science.ORF.at in Kooperation mit "dialog<>gentechnik" Erfolge und Aussichten der Genomforschung.  
Genomforschung
Von Albert Karsai, dialog<>gentechnik

Im Mai 2003 wurde die (vorläufig) endgültige Sequenzinformation des menschlichen Genoms (Erbgutes) veröffentlicht. Die "Entschlüsselung" der genauen Abfolge der einzelnen Bestandteile unserer DNA (der so genannten "Basen") wird allgemein als Meilenstein in der Geschichte der Naturwissenschaften angesehen.

Speziell die medizinische Forschung erhofft sich aufschlussreiche Hinweise auf die molekularen Mechanismen, welche der Entstehung von Krankheiten zugrunde liegen.
Für viele Bereiche der Wissenschaft interessant
Doch nicht nur Mediziner lesen aus dem "Buch des Lebens". Auch Evolutionsbiologen und -genetiker bedienen sich der Sequenzdaten, um die Evolution von Tieren und Pflanzen mit molekularbiologischen Methoden zu untersuchen.

Dabei geht die Wissenschaft von der Tatsache aus, dass zwei Tier- oder Pflanzenarten umso entfernter verwandt sind, je größer die Unterschiede in ihrem Erbgut sind. Umgekehrt haben zwei Spezies, deren DNA sich nur in wenigen Prozent unterscheidet, eine lange gemeinsame Entwicklungsgeschichte.
...
Mutationen - die Uhr der Evolutionsgenetiker
Solange sich die Individuen einer Gruppe untereinander fortpflanzen, werden auch genetische Veränderungen (Mutationen) an die gemeinsamen Nachkommen weiter gegeben. Wird jedoch ein Teil der Gruppe abgetrennt (z. B. durch eine weitreichende plötzliche Umgestaltung des Lebensraumes), wird jede sexuelle Interaktion zwischen beiden Gruppen unterbunden.

Als Folge werden genetische Veränderungen nur mehr innerhalb der beiden Gruppen vererbt, wodurch sich deren Genome in Abhängigkeit von der Zeit zunehmend stärker voneinander unterscheiden. Nimmt man eine weitgehend konstante Mutationsrate an, so lässt sich aus dem genetischen Unterschied der Zeitpunkt errechnen, zu dem sich die beiden Gruppen voneinander getrennt haben.
...
Mensch und Affe: Enge Verwandte
So war es denn auch die Molekularbiologie, die verblüffende Beweise für die enge Verwandtschaft zwischen dem Menschen und seinen Verwandten - den Menschenaffen - erbrachte. Neuesten Untersuchungen zufolge soll sich die DNA von Menschen und Schimpansen um weniger als ein Prozent unterscheiden. Andere Forscher sprechen von Abweichungen von mehreren Prozent.

Für die gemeinsame Evolution bedeutet dies, dass der letzte gemeinsame Vorfahre den Schätzungen nach vor ungefähr fünf bis sieben Millionen Jahren gelebt haben muss. Damit wäre die Abspaltung der beiden Entwicklungslinien weit später erfolgt, als die Wissenschaft aus Knochenfunden bisher abgeleitet hat.
->   Interaktive Dokumentation der Evolution des Menschen in www.becominghuman.org
Kaum genetische Unterschiede zwischen den Rassen
Auch in das höchst kontroversielle Thema der menschlichen Rassen hat die Genomforschung Klarheit gebracht. So sind die genetischen Unterschied innerhalb von Afrikanern, Asiaten oder Europäern mitunter größer als jene zwischen einzelnen Individuen unterschiedlicher ethnischer Gruppen. Genetisch klar voneinander abgegrenzte Rassen gibt es demnach nicht.
Den Anfang machte ein Bakterium
Auch wenn die Veröffentlichung des menschlichen Genoms den bislang spektakulärsten Erfolg der Genomforschung darstellt, so ist der Mensch nicht der erste Organismus, dessen DNA vollständig entschlüsselt wurde.

Den Anfang machte das Bakterium Haemophilus influenza, dessen Genom im Jahr 1995 veröffentlicht wurde.
Bäckerhefe und Fadenwurm
Bereits 1996 wurde die Erbinformation der Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae (ca. 6000 Gene) der Fachwelt vorgestellt. Einen weiteren Meilenstein setzte 1998 die vollständige Sequenzierung des ersten vielzelligen Lebewesens: ein etwa ein mm langer Fadenwurm, mit etwa 20.000 Genen (Schätzungen am Menschen gehen von 30.000 - 40.000 Genen aus).
Die erste genetisch entschlüsselte Pflanze
Die unscheinbare Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) war im Jahr 2000 die erste Pflanze, deren Genom vollständig bekannt wurde. Sie ist zwar für die Landwirtschaft ohne Bedeutung, aber aufgrund ihres kleinen und recht einfach aufgebauten Genoms einer der wichtigsten Modellorganismen der Pflanzengenetik.

An der Erforschung des Erbguts landwirtschaftlich bedeutsamerer Pflanzen wie z.B. Reis oder Mais wird derzeit gearbeitet.
->   Artikel über Veröffentlichung des Genoms von Arabidopsis (Welt am Sonntag)
Wozu die Mühe?
Warum macht man sich überhaupt die Mühe Organismen wie Hefe, Fadenwurm, Fruchtfliege und Maus bis ins Detail zu erforschen? Der augenscheinlich niedrige Verwandtschaftsgrad und die gewaltigen finanziellen und personellen Ressourcen, die benötigt werden, sprechen auf den ersten Blick dagegen.
Mehr Ähnlichkeiten als gedacht
Auf der genetischen Ebene gibt es jedoch mehr Ähnlichkeiten, als das äußere Erscheinungsbild vermuten lässt. So teilen sich z.B. Maus und Mensch mehr als 97 Prozent ihrer Gene. Und sogar 25 Prozent der Gene der Bäckerhefe kommen in ähnlicher Form auch beim Menschen vor.

Bestimmte Organismen werden deshalb als "Modell" gewählt, weil ihr Genom z.B. kleiner und einfacher aufgebaut ist - ein Umstand, der das Auffinden einzelner Gene und ihrer Funktionen vereinfacht. Grundlegende Stoffwechselvorgänge können so leichter nachvollzogen werden.

Da sich viele Gene, die für sehr wichtige Körperfunktionen verantwortlich sind, im Laufe der Evolution kaum verändert haben (die Wissenschaft bezeichnet solche Gene als "konserviert"), können viele Erkenntnisse von den Modellorganismen auf höhere Lebewesen übertragen werden. Kennt man beispielsweise die Funktion eines Gens im Fadenwurm, so wird ein nahezu gleiches Gen im Menschen auch eine ähnliche Funktion haben.
Nächster Schritt: Erforschung der Funktionen der Gene
Mit der Veröffentlichung der genauen Abfolge der Bestandteile des Genoms beginnt für die Wissenschaftler in aller Welt aber erst die eigentliche Arbeit. Zuerst wird die Zahl der Gene und deren Position auf den Chromosomen (ungefähr) bestimmt, danach muss die Funktion der einzelnen Gene in jahrelanger Kleinarbeit erforscht werden.

So wird es auch beim Humangenom noch Jahrzehnte dauern, bis man von der Mehrzahl der Gene die Funktion kennt. Auf dem Weg dahin werden Fadenwurm und Fruchtfliege der Forschung auch weiterhin unschätzbare Dienste erweisen.
->   Humangenomforschungsprojekt
->   GEN-AU: Genomforschung in Österreich
->   dialog<> gentechnik
->   www.innovatives-oesterreich.at
->   Weiter Beiträge von dialog<>gentechnik in science.ORF.at
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010