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Neue Software gibt Toten "lebendige Gesichter"  
  Opfer eines gewaltsamen Todes werden mitunter erst gefunden, wenn ihre Überreste nur mehr aus blanken Knochen bestehen. Ihre Gesichter werden dann in mühevoller Feinarbeit rekonstruiert, um eine Identifikation zu ermöglichen. Ein neues Grafikprogramm könnte dies nun ändern: Mit seiner Hilfe sind die Rekonstruktionen nicht nur sehr viel schneller zu bewerkstelligen. Auch die Gesichter der Toten sollen wieder "lebendig" werden - durch die Darstellung emotionaler Gesichtsausdrücke.  
Kolja Kähler, Jörg Haber und Hans-Peter Seidel vom Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken haben die Software entwickelt.

Sie soll die Gesichtsrekonstruktion in Zukunft enorm beschleunigen und den Gesichtern zudem eine gewisse Persönlichkeit zurückgeben, wie das Wissenschaftsmagazin "New Scientist" berichtet.
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Präsentation der Ergebnisse auf der SIGGRAPH 2003
Die Forscher haben ihre Entwicklung auf der SIGGRAPH 2003 präsentiert, einer Konferenz zu Computergrafiken und Interaktivität in San Diego (Kalifornien, 27.-29. Juli). Die Ergebnisse erscheinen in Form eines Artikels in den "SIGGRAPH 2003 Conference Proceedings": "Reanimating the Dead: Reconstruction of Expressive Faces from Skull Data".
->   Homepage der SIGGRAPH 2003
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Mysteriöse Tote "ohne Gesicht"
Immer wieder beschäftigen solche Fälle Polizei und Öffentlichkeit: Das mutmaßliche Opfer eines gewaltsamen Todes wird gefunden, allerdings erst Monate oder Jahre nach dem Mord. Ohne weitere Hinweise bleibt oft nur das blanke Skelett, um die Identität dieses Menschen zu klären.
Klassische Rekonstruktion kann Wochen dauern
Eigens ausgebildete forensische Künstler machen sich daran, das Gesicht des Opfers in mühevoller Feinarbeit zu rekonstruieren: Sie verwenden einen Gipsabdruck des Schädels, auf den Ton aufgetragen wird - die Dicke dieses "Gewebeimitats" wird dabei nach standardisierten Tabellen festgelegt.

Diese Informationen, die über Jahrzehnte hinweg gesammelt wurden, beschreiben die durchschnittliche Dicke von Fleisch an diversen Punkten eines Schädels - beispielsweise auf dem Kinn oder über den Wangenknochen. Dabei gibt es unterschiedliche Werte für die verschiedenen Ethnien, Geschlechter, Altersgruppen und Körpertypen.
Neue Software beschleunigt den Prozess
Bild: Kaehler/Haber/Seidel
Gesichtsausdrücke mit den dazugehörigen Muskelbewegungen
Dieser Prozess kann allerdings Wochen dauern - und das Ergebnis ist eine einzige Skulptur. Mit der neuen Software der Max-Planck-Forscher könnte sich dies nun ändern.

Die Wissenschaftler scannen zunächst den Schädel und erstellen so ein dreidimensionales Computermodell. Danach werden die Stellen markiert, für die man - dank der Tabellen - Werte für die Dicke des aufzutragenden Gewebes besitzt. Die Software fügt dieses automatisch ein, wobei auch hier die Parameter wie ethnische Zugehörigkeit oder Geschlecht variieren.

Der schwierige Teil der Aufgabe kommt aber erst: Es geht um die realistische Animation des solchermaßen rekonstruierten Gesichtes. Dafür haben die Wissenschaftler eine Art allgemeines virtuelles Kopfmodell erstellt, das anhand der bekannten Gesichtsmuskulatur Emotionen zeigen kann.
Verschmelzen der Informationen
 
Bild: Kaehler/Haber/Seidel

Zunächst wird der Schädel eingescannt (a). Auf dem Modell werden die beschriebenen Stellen markiert (b), um schließlich ein Haut- und Gewebenetz mit Muskeln darüber zu legen (c). Das Ergebnis: Die Rekonstruktion eines lächelnden Gesichtes (d).

Das Kopfmodell wird schließlich mit den Informationen über den oder die Tote(n) verschmolzen. Das Ergebnis: Ein vollständig animiertes Gesicht, das Gefühle darstellt - und damit dem Opfer ähnlicher sehen könnte, als es das herkömmliche Tonmodell schafft.

"Wir können subtile Gesichtsausdrücke zeigen, und das ist etwas, was die traditionelle Methode des Formens mit Ton nicht kann", zitiert "New Scientist" Jörg Haber von der Max-Planck-Forschungsgruppe.
Wenige Mausklicke genügen
Theoretisch wäre dies zwar vielleicht möglich, doch dafür müsste erneut ein Tonmodell entworfen werden. Mit dem System der deutschen Forscher sind die unterschiedlichen Gefühlsregungen dagegen nur wenige Mausklicke entfernt.

Interessant ist das System für Forensiker auch deshalb, weil die Toten beispielsweise mit unterschiedlichem Gewicht dargestellt werden können - Daten über die Gewebedicke gibt es nämlich auch für besonders schlanke, normalegewichtige oder aber stark übergewichtige Personen.

Und wieder können hier wenige Tastenanschläge etwas bewerkstelligen, was nach der herkömmlichen Methode Wochen dauern würde.
Weitere Verbesserungen sind möglich
Verbesserungen für das System hat Dieter Buhman vom Institut für Forensische Medizin der Universität des Saarlandes in Saarbrücken in Zusammenarbeit mit den Max-Planck-Wissenschaftlern bereits untersucht. Sein Tipp: Die Software sollte auch verschiedene "Paletten" für Haarfarbe, diverse Frisuren und Hauttexturen anbieten.
->   Max-Planck-Institut für Informatik
->   "New Scientist"
->   Medizinische Fakultät der Universität des Saarlandes
->   Informationen über die Forschungen in www.mpg.de
 
 
 
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01.01.2010