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Gentechnik lässt Pflanzen der Dürre trotzen  
  Unter der derzeitigen Hitzewelle leiden nicht nur die Menschen, auch Pflanzen machen die Temperaturen - vor allem in Verbindung mit den hohen Ozonwerten - zu schaffen. Abhilfe könnte zumindest der Flora in Zukunft die Gentechnik schaffen: Deutsche Forscher haben ein neues Gen identifiziert, das Pflanzen resistenter gegen Wassermangel macht.  
Die Wissenschaftler von der Universität Bonn konstruierten eine Variante der bei Genetikern besonders beliebten Ackerschmalwand, in der das Dürre-Gen häufiger abgelesen wurde. Erfreuliches Resultat: Die gentechnisch veränderte Modellpflanze trotzt der Trockenheit deutlich länger als die Wildpflanze.

Die Ergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe von "The Plant Journal" publiziert (Band 35, Ausgabe 4, Seite 452 ff). Langfristig könnten sie zur Entwicklung trockenresistenter Nutzpflanzen beitragen, meinen die Forscher.
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Die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana)
Im Dezember 2000 waren die Ergebnisse jahrelanger Forschung durch die internationalen Mitglieder (universitäre Forschungslabors und Gentechnikfirmen) der "Arabidopsis Genome Initiative" öffentlich bekannt gegeben worden. Die Sequenz der Arabidopsis thaliana, zu deutsch Ackerschmalwand, besteht aus fünf Chromosomen und rund 120 Millionen Basenpaaren. Das eng mit der Senfpflanze verwandte Gewächs dient den Forschern als Modellorganismus, so wie den Tier-Genetikern die Fruchtfliege Drosophila.
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Nomen est Omen: Wiederauferstehungspflanze
Die Wiederauferstehungspflanze trägt ihren Namen zu Recht: Bei Wassermangel verdorrt der südafrikanische Rachenblütler zu einem unansehnlich bräunlichen Gewächs. Doch wenn nach Wochen oder Monaten der lang ersehnte Regen fällt, kehrt binnen weniger Stunden wie durch Geisterhand das Grün in die scheinbar toten Blätter zurück.

Bis zu 95 Prozent ihrer Wasserreserven kann die Pflanze unbeschadet verlieren - und fällt dabei in einen Tiefschlaf, in dem sie ihren Stoffwechsel nahezu auf Null zurückschraubt.
Notfallplan im Erbgut
Der Notfallplan der Wiederauferstehungspflanze steht in ihrem Erbgut: Eine ganze Reihe ihrer Gene wird nur bei Wassermangel abgelesen, andere werden komplett abgeschaltet.

"Indem wir schauen, welche Erbanlagen hauptsächlich bei Trockenheit aktiv sind, versuchen wir zu verstehen, welche molekularen Vorgänge die Pflanze so unempfindlich machen", erklärt Dorothea Bartels vom Botanischen Institut der Universität Bonn in einer Aussendung.
Ähnliches Gen auch bei der Ackerschmalwand
Ihre Arbeitsgruppe konnte so eine Erbanlage identifizieren, die bei Wassermangel weit häufiger abgelesen wird als sonst. Erstaunlicherweise fanden die Forscher bei der heimischen Ackerschmalwand ein Gen, das dem der Wiederauferstehungspflanze sehr ähnlich ist - "ein großer Glücksgriff", so Bartels.

Denn die Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana ist gewissermaßen die Labormaus der Pflanzengenetiker: Ein einfach zu züchtender und genetisch leicht zu verändernder Modellorganismus, dessen Erbgut zudem schon komplett sequenziert wurde.
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Gen enthält Bauplan für Entgiftungs-Enzym ALDH
Das Dürre-Gen sorgt dafür, dass die Pflanze mit bestimmten Giftstoffen besser fertig wird, die sich unter Trockenstress vermehrt bilden. Es enthält den Bauplan für das Entgiftungs-Enzym Aldehyd-Dehydrogenase (ALDH).
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"Turbolader" vergrößert die Hitzeresistenz
Die Bonner Wissenschaftler schalteten dem ALDH-Gen der Ackerschmalwand eine Art Turbolader vor, der dafür sorgt, dass es erheblich häufiger abgelesen wird. Mit Erfolg: Die gentechnisch veränderten Pflanzen produzierten nicht nur deutlich mehr ALDH, sie überstanden auch erheblich längere Dürreperioden.

Erst nach 16 Tagen ohne Wasser waren sie komplett vertrocknet - die Wildpflanzen überlebten nur 12 Tage ohne das lebenswichtige Nass. Auch mit erhöhten Salzkonzentrationen - in Böden trockener Regionen ein häufig anzutreffendes Phänomen - wurden die Pflanzen mit dem Turbo-Gen besser fertig.
Trockenresistente Nutzpflanzen?
Langfristig könnten Ergebnisse wie diese zur Entwicklung trockenresistenter Mais-, Weizen- oder Soja-Sorten beitragen. Bedarf besteht zur Genüge, wie die Wissenschaftler meinen: Nach einer Studie des International Water Management Institute werde bis zum Jahr 2025 ein Drittel der Weltbevölkerung in wasserarmen Regionen leben.

Tragischerweise seien gerade die Ärmsten der Armen besonders betroffen, die zum Überleben auf den Ertrag ihrer Felder angewiesen sind, heißt es in der Aussendung der Universität. Doch auch die Industrieländer bleiben demnach von dieser Entwicklung nicht verschont:

Allein der Dürre von 1983 fielen in den USA die Hälfte der gesamten Mais- und ein Drittel der Sojabohnen-Ernte zum Opfer - ein Schaden in Höhe von zehn Milliarden Dollar. Und die deutschen Landwirte rechnen angesichts der diesjährigen extremen Trockenperiode mit bis zu 80-prozentigen Ernteeinbußen.
->   Botanisches Institut der Universität Bonn
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01.01.2010