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130 Jahre Pariser Kommune  
  Vor 130 Jahren, am 18. März 1871, hissten die Kommunarden die rote Fahne über Paris und bildeten die erste Arbeiterregierung der Welt. Nur 72 Tage sollte die Pariser Kommune dauern, bis sie in der so genannten Blutwoche am 28. Mai 1871 unter Zigtausenden Menschenopfern zerschlagen wurde.  
Der Krieg gegen Preussen
Seit Juli 1870 herrschte Krieg zwischen Preußen und Frankreich auf französischem Boden. Im Frühjahr 1871 wurde deutlich absehbar, dass Frankreich diesen Krieg verlieren würde. Kaiser Louis Bonaparte war bereits gestürzt worden und an dessen Stelle eine bürgerliche Regierung getreten.

Preußische Truppen belagerten Paris. Ohne Bewaffnung der Arbeiterklasse war es nicht zu verteidigen. Paris in Waffen - das bedeutete allerdings die Gefahr einer Revolution.
Arbeiter verteidigen Paris
Zur Verteidigung hatte die Pariser Bevölkerung eine eigene Nationalgarde aufgebaut, die hauptsächlich aus Arbeitern bestand. Diese Nationalgarde wurde zur treibenden Kraft der revolutionären Bewegung.

Noch bevor die preußischen Truppen Paris besetzen konnten, hatten Mitglieder der Nationalgarde alle Kanonen in die Arbeiterviertel gebracht, damit sie nicht an die Preußen ausgeliefert werden konnten.

 


Die Garde National
Der 18. März: Aufstand gegen die Regierung
Im Morgengrauen des 18. März stampfen 6.000 Soldaten der französischen bürgerlichen Regierung, die nach Versailles geflohen ist, in die Pariser Arbeiterviertel Montmartre, Belleville und La Villette. Sie beabsichtigen, der Pariser Nationalgarde die Kanonen zu stehlen.

Das Volk wehrt sich jedoch erfolgreich, und 215 der 270 Bataillone der Nationalgarde übernehmen die Macht über Paris. Provisorische Regierung ist das zuvor gegründete "Zentralkomitee der republikanischen Föderation der Nationalgarde". Doch nichts haben diese eiliger zu tun, als ihre Macht in die Hände von gewählten Vertretern zu legen.

Schon am nächsten Tag wurden Wahlen für den Kommunenrat - kurz Kommune - ausgeschrieben. Am 26. März wird gewählt und am 29. März konstituiert sich der Rat. Doch dieser begeht einen strategisch entscheidenden Fehler: Er zieht nicht nach Versailles, um die dorthin geflohene schwache Regierung zu besiegen. Diese aber tut alles, um die Pariser Kommune zu brechen.
Soziale Ausrichtung der Kommune
Die Kommune hat ein radikaldemokratisches Selbstverständnis. Die Abgeordneten werden direkt gewählt und sind jederzeit absetzbar. Die Mitglieder sind in der Mehrzahl Arbeiter oder anerkannte Vertreter von Arbeiterinteressen.

Sie haben mit einer schwierigen Ausgangssituation zu kämpfen: Die alltäglichen Bedürfnisse von 1,6 Millionen Pariserinnen und Pariser unter Belagerung sind zu sichern - von der Postzustellung bis zur Straßenbeleuchtung. Doch alle verantwortlichen Beamten mitsamt ihren Kassen und Verwaltungsakten sitzen mit der Regierung in Versailles. Die ersten Taten der Kommune waren deshalb rein pragmatisch.
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Das stehende Heer wurde aufgelöst und durch die allgemeine Volksbewaffnung ersetzt. Es werden Staatsfunktionäre gewählt. Wesentliche soziale Reformen wurden im Interesse der Werktätigen durchgeführt: Der Mietwucher wird abgeschafft, verpfändete Arbeitsgeräte zurückgegeben, die von ihren Besitzern verlassenen Werkstätten wurden in selbstverwaltete Genossenschaften umgewandelt, Bäckergesellen wurde die Nachtarbeit verboten. Weltliche Schulen wurden gegründet. Und per Dekret wurden 6.000 Francs im Jahr als Obergrenze für die Gehälter der Angestellten in der Kommunalverwaltung festgesetzt - so viel wie ein "fleißiger Arbeiter in einem guten Beruf" verdient.
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Frauen in der Kommune
Nie zuvor kämpften derart viele Frauen - auch bewaffnet. Und nie zuvor wurden so viele Frauen gezielt ermordet. Es waren die Frauen, die am morgen des 18. März Alarm schlugen und sich in den Weg der Soldaten stellten und ihre Kanonen blockierten. Die extreme Ausnahmesituation setzte die herkömmlichen Mechanismen außer Kraft, die sonst einer Mitwirkung von Frauen am öffentlichen Leben im Weg stehen: In der Not zählte buchstäblich jede Hand.
->   Frauen in der Pariser Kommune
Die "Blutwoche" vom 21. Bis 28. Mai
Anfang April schon kommt es zu ersten militärischen Auseinandersetzungen mit der bürgerlichen Regierung. Im Westen der Stadt, in der Nähe des Dörfchens Neuilly, werden Kommunarden verwundet und getötet.
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Bismarck bestimmt die Geschicke in Paris
Als am 18. Mai der Friedensvertrag mit Preußen seitens der Versailler Regierung bestätigt wird, darf Bismarck die Pariser Forts besetzen, bis er mit dem Ergebnis zufrieden ist. Somit wird er zum Schiedsrichter über die inneren Angelegenheiten Frankreichs.
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Die französische Regierung lässt die Stadt tagelang mit Kanonen und Granaten beschießen. Schließlich gelingt es ihr, mit Hilfe von Soldaten, die zu diesem Zweck extra aus preußischer Kriegsgefangenschaft entlassen wurden, in die Stadt einzudringen. Den Versaillern kam zugute, dass Baron Haussmann das Stadtbild umgestaltet hatte: die breiten Boulevards ermöglichten es, jeden Aufstand leichter zu bekämpfen.

Die Hauser der Kommunarden wurden angezündet. Wer sich darin befand, verbrannte bei lebendigem Leib. Andere wurden aus den Häusern geholt und erschossen.

Die Einwohner von Paris und die Nationalgarde kämpften bis zur Erschöpfung. In blutigen Barrikadenkämpfen wurden die Kommunarden schließlich niedergeschlagen.

Am 28. Mai sind die letzten Barrikaden der Kommunarden gefallen. 30.000 Kommunarden sind umgebracht, weitere 60.000 gefangengesetzt oder nach Neukaledonien verbannt.

 


Karl Marx und die Kommunarden
Karl Marx und Friedrich Engels verfolgten die Entwicklungen in Paris mit großer Aufmerksamkeit. Im Herbst 1870 hatte Marx die Pariser Arbeiter davor gewarnt, die Regierung zu stürzen. Doch als der Aufstand Tatsache geworden war, begrüßte er die proletarische Revolution mit Begeisterung.

Aufgrund der Lehren aus der Pariser Kommune ändert Marx einen Grundgedanken seines "Kommunistischen Manifests": Nicht mehr sollte die "bürokratisch-militärische Maschinerie aus einer in die andere Hand übertragen" werden. Vielmehr sei sie zu zerbrechen.

(red)
->   Mehr zu Karl Marx und die Kommunarden
->   Mehr über die Pariser Kommune

 


 
 
 
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01.01.2010