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Schritt zur Chemie am absoluten Nullpunkt  
  Zwei Jahre ist es her, dass für die Herstellung eines bizarren Materiezustandes, des so genannten Bose-Einstein-Kondensats (BEC), der Physik-Nobelpreis vergeben wurde. Nun schwingen sich die Physiker bereits zu neuen Höhen bei der Manipulation der Materie auf. Ein österreichisches Forscherteam konnte nun Cäsiumatome derart manipulieren, dass sich diese zu Molekülen vereinigten und wie eine Materiewelle verhielten. Damit ist man dem großen Ziel der Branche, nämlich der Herstellung von BEC-Zuständen mit Molekülen - anstatt wie bisher mit Atomen - deutlich näher gerückt.  
Wie Rudolf Grimm und seine Mitarbeiter von der Universität Innsbruck berichten, eröffnen sich dadurch völlig neue Möglichkeiten für die Kontrolle des Molekülverhaltens: Man könne nun gewissermaßen eine "Chemie" am absoluten Nullpunkt treiben.
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Die Arbeit "Preparation of a Pure Molecular Quantum Gas" von Jens Herbig, Tobias Kraemer, Michael Mark,Tino Weber, Cheng Chin, Hanns-Christoph Nägerl und Rudolf Grimm erschien bei "ScienceExpress" (DOI: 10.1126/science.1088876, 21. August 2003), dem Portal für Onlineveröffentlichungen des Wissenschaftsmagazins "Science".
->   ScienceExpress
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Erstmals gelungen: Moleküle in BEC hergestellt
Was wissenschaftliche Arbeitsgruppen auf der ganzen Welt derzeit mit Hochdruck versuchen, gelang nun erstmals den Forschern am Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck:

In einem Bose-Einstein-Kondensat aus Cäsiumatomen wurden, durch die Ausnutzung von quantenmechanischen Resonanzen, Moleküle aus zwei Atomen zusammengesetzt.
Neuer Temperaturweltrekord: Ein Nano-Kelvin

Die vom Atomkondensat
getrennte Molekülwolke.
Die dabei entstandene Molekülwolke bei Temperaturen um 1 nK (ein Milliardstel Grad Kelvin) konnten die Physiker durch ein Magnetfeld von der restlichen Atomwolke separieren und dadurch sichtbar machen.

Alles deutet darauf hin, dass es sich dabei um eine Molekülwolke mit quantenmechanischen Eigenschaften handelt. Dies würde bedeuten, dass sich die Moleküle zu einer Materiewelle zusammen gefunden haben.

Das Team von der Uni Innsbruck erreichte im Experiment eine exakte Kontrolle über das Verhalten der Moleküle. Ganz nebenbei wurde auch der bisherige Temperaturrekord für ultrakalte Moleküle um fast den Faktor 1.000 unterboten.
"Chemie" am absoluten Nullpunkt
Vor knapp einem Jahr sorgte die Arbeitsgruppe um Grimm international für Aufsehen, als es ihr erstmals gelang, ein Bose-Einstein-Kondensat aus Cäsiumatomen herzustellen. Auf dieser Basis konnte nun ein weiterer Durchbruch erzielt werden.

"Die ultrakalten Molekülkondensate stoßen international auf sehr großes Interesse. Die gezielte Herstellung und quantenmechanische Kontrolle von Molekülen erlaubt eine ganz neue Form von 'Chemie' am absoluten Nullpunkt", so Rudolf Grimm in einer Aussendung:

"Quantenobjekte können kontrolliert kombiniert und in verschränkter Form wieder getrennt werden. Die Erforschung von Molekülkondensaten wird das Verständnis von Atomen und Molekülen verbessern und ermöglicht zum Beispiel den Bau extrem exakter Messgeräte."
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Bose-Einstein-Kondensat (BEC)
Zur Herstellung von BEC kühlt man Atome (evtl. auch Moleküle) auf beinahe null Kelvin (minus 273,15 Grad Celsius) ab und erreicht, dass sie kurzzeitig ihre Eigenständigkeit aufgeben und sich alle wie ein einziges Superatom verhalten: Alle haben dann dieselben physikalischen Eigenschaften.

Die Voraussetzung ist allerdings, dass die Teilchen Bosonen sind, also Teilchen mit ganzzahligem Spin. Formal ausgedrückt besagt das, dass die Wellenfunktionen von Bosonen bei extremer Kühlung zu einer einzigen, nämlich der des Superatoms verschmelzen. Somit werden, da die Wellenfunktion sämtliche physikalische Eigenschaften wie Ort und Geschwindigkeit beschreibt, die einzelnen Atome ununterscheidbar.
->   Fragen und Antworten zu BEC (Uni Freiburg)
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Grimm lobt Forschungsumfeld an Universität
"Voraussetzung für unsere erfolgreiche Arbeit ist das einzigartige Forschungsumfeld an der Universität Innsbruck. Die Kooperation der einzelnen Gruppen sowie unsere internationale Einbettung lassen jenes Forschungsklima entstehen, das Spitzenforschung erst möglich macht", ist Grimm überzeugt.

Daher blickt man auch erwartungsvoll der Errichtung des neuen Akademieinstituts für Quantenoptik und Quanteninformation entgegen.

Im neu gebauten ICT Technologiepark der Universität Innsbruck hoffen die Quantenphysiker auf infrastrukturell ideale Rahmenbedingungen für ihre aufwändigen Forschungsarbeiten.
Hoffnungsträger Bose-Einstein-Kondensat

Seit Mitte der 90-Jahre werden in die Erforschung von Bose-Einstein-Kondensaten große Hoffnungen gesetzt. Erstmals können damit makroskopische Quantenzustände von Materie in reiner Form beobachtet werden.

Aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften erschließen Bose-Einstein-Kondensate aus Cäsium-Atomen weiteres Neuland auf diesem faszinierenden Gebiet der Quantenphysik.
->   Weitere Erläuterungen zu dieser Publikation (Uni Innsbruck)
->   www.innovatives-oesterreich.at
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Physik-Nobelpreis 2001 verliehen
->   Mit kalten Gasen zum Quantencomputer
->   Die Mini-Supernova
 
 
 
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01.01.2010