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Klein, aber fein: Neuartige Moleküle regulieren Gene  
  Die Sequenzierung des Erbguts von Lebewesen und das Auffinden einzelner Gene im Dickicht der DNA-Sequenzen gehört mittlerweile zum Standard-Repertoire in molekularbiologischen Labors. Eine der großen Fragen der Genetik ist nun, auf welche Weise die einzelnen Gene im lebenden Organismus aktiviert oder stillgelegt werden. Hier setzt sich immer mehr die Meinung durch, dass kleine unscheinbare Moleküle - so genannte "interfering RNAs" - eine wichtige Rolle in der genetischen Regulation übernehmen.  
Die Salzburger Genetiker Majori und Antonius Matzke haben aus aktuellem Anlass den Wissensstand in diesem Forschungsgebiet für das amerikanische Fachjournal "Science" zusammengefasst: Dabei beziehen sie sich vor allem auf eine Publikation in der selben Ausgabe des Magazins, welche zeigt, dass die kleinen Moleküle Gene nicht nur indirekt stilllegen können, sondern auch einen direkten Einfluss auf das Informationsnetzwerk der lebenden Zelle ausüben.
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Der Artikel "RNAi Extends Its Reach" von Marjori Matzke und Antonius J. M. Matzke erschien im aktuellen Heft des Wissenschaftsmagazins "Science" (Band 301, Ausgabe vom 22.8.2003).
->   Science
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Alle Jahre wieder: Alles neu
Wer einmal den Beruf eines Molekularbiologen ausüben will, muss sich mit dem Gedanken anfreunden, lieb gewonnene Lehrmeinungen regelmäßig über Bord zu werfen und das eigene Fachgebiet alle paar Jahre neu zu überdenken.

So veranlasste etwa die Entdeckung der so genannten RNA-Interferenz (engl. "RNA interference", kurz: "RNAi") in den 1990er-Jahren die Genetiker zu solch einem radikalen Schwenk im Verständnis der lebenden Zelle.
->   RNA interference (www.macalester.edu)
RNA-Interferenz hemmt Eiweißproduktion
Ursprünglich hatte man das Phänomen am Fadenwurm entdeckt: Damals fand man heraus, dass die Injektion einer doppelsträngigen RNA (die "kleine Schwester" der bekannten DNA) die Eiweißproduktion von Genen unterdrückt.

Mittlerweile weiß man, dass es eine Reihe verschiedener RNA-Typen gibt, die das genetische Tagesgeschäft in der lebenden Zelle regulieren.
Mehr dazu in science.ORF.at
->   Renee Schroeder: Neues aus der Welt der RNA
Neuartige Moleküle, ebenso viele Abkürzungen
Sie werden im einschlägigen Jargon mit zum Teil verwirrenden Abkürzungen belegt: Etwa "siRNAs" ("short interfering RNAs") oder "miRNAs" ("microRNAs") u.a.m.

Entscheidend ist, dass diese kleinen, bis vor kurzem nicht beachteten Moleküle offensichtlich eine wichtige Funktion in der Regulation der genetischen Netzwerke übernehmen.
Bisherige Meinung: Wirkung von RNAi nur indirekt
Wie Majori und Antonius Matzke in ihrem Artikel ausführen, wusste man bereits, dass diese Mikromoleküle die Proteinproduktion unterbinden oder zum Abbau jener Nukleinsäuren führen können, die gewissermaßen als Transporter der genetischen Information ("mRNAs") fungieren.

Bisher nahm man jedoch an, dass diese Einflussnahmen aber immer nur indirekt, dass heißt auf die Abschriften von Genen gerichtet seien. Eine aktuelle Publikation von Zellbiologen der University of Edinburgh zeigt wieder einmal, dass solch allgemeine Urteile in der Branche schnell überholt sind.
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Die Arbeit "Hairpin RNAs and Retrotransposon LTRs Effect RNAi and Chromatin-Based Gene Silencing" von Vera Schramke und Robin Allshire erschien bei "ScienceExpress", dem Portal für Onlineveröffentlichungen des Wissenschaftsmagazins "Science", (DOI: 10.1126/science.1086870) und wird in der aktuellen Ausgabe (22.8.2003) abgedruckt.
->   Science Online
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Jetzt neu: Direkte Regulation
Vera Schramke und Robin Allshire demonstrierten an einem beliebten "Haustier" der Genetiker, der Spalthefe, dass Gene auch direkt durch den RNAi-Signalweg beeinflusst werden können.

Majori und Antonius Matzke nehmen dies zum Anlass, ein allgemeines Kommentar abzugeben:

"Wir fahren fort, neue Arten kennen zu lernen, im Rahmen derer die Natur die Wechselwirkungen zwischen der RNA und Nukleotidsequenzen ausschöpft. Wir wissen etwa, dass die RNA - nachdem sie zuvor von der DNA abgeschrieben wurde - direkt auf das Erbgut zurückwirken kann."
Kompliziertes Netzwerk der Genetik
Wie diese Rückwirkung im Detail aussieht, werden die Forschungen der nächsten Jahre zeigen. Eines ist jedoch jetzt schon klar: Der Netzwerkcharakter der genetischen Regulation wird keine simplen Bilder ergeben. Oder, um es mit einer Anleihe aus der Welt der Politik auszudrücken: "Es ist eben alles sehr kompliziert."

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Universität Salzburg
->   University of Edinburgh
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Binäre RNA - Urform des Lebens?
->   Ein biochemisches Fossil aus der "RNA-Welt"
->   Renee Schroeder: Die RNA-Welt
 
 
 
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01.01.2010