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PC-Bilder lösen Pawlow-Reflex beim Menschen aus  
  Nicht nur Hunden, auch Menschen kann der Pawlowsche Reflex antrainiert werden. Während bei dem berühmten Hunde-Experiment durch den Klang einer Glocke ein Hungergefühl ausgelöst wurde, wurde menschlichen Probanden nun beigebracht, beim Anblick abstrakter Computerbilder mit Heißhunger zu reagieren. Die Untersuchungen des Mechanismus im menschlichen Gehirn könnten bei der Erforschung von Essstörungen helfen.  
Mit Hilfe von Erdnussbutter- und Vanilleeisduft wurde bei den Probanden Hungergefühle hervorgerufen, zugleich wurden ihnen abstrakte Computerbilder gezeigt - und nebenbei die Gehirnaktivität gemessen.

"Durch diese Prozedur sollten die Testpersonen lernen, die beiden Reize miteinander zu verbinden", so der Leiter der Studie Jay Gottfried vom Londoner Wellcome-Institut für Neurologie. Die Ergebnisse ihrer Arbeit veröffentlichte das Team um Gottfried in "Science".
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Die Studie ist unter dem Titel "Encoding Predictive Reward Value in Human Amygdala and Orbitofrontal Cortex" in "Science" (Bd. 301, S. 1104, Ausgabe vom 22. August 2003) erschienen.
->   Der Artikel in "Science" (kostenpflichtig)
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Mentale An- und Entspannung
Nach der Konditionierung reagierten die Studienteilnehmer tatsächlich mit Appetit auf Vanilleeis und Erdnussbutter, sobald ihnen die Computerbilder gezeigt wurden. War der Hunger gestillt, blieben die Bilder allerdings wirkungslos, berichten die Wissenschaftler.

Die Versuche zeigten, dass das menschliche Hirn indifferente Reize mit der Erwartung kulinarischer Genüsse verknüpfen und nach der Befriedigung des Verlangens danach auch wieder entspannen könne, erläutert Gottfried. Ein Fehlen dieser mentalen Entspannung führe möglicherweise zu zwanghaftem Essen.
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Der Pawlowsche Hund
Der Russe Iwan Petrowitsch Pawlow hatte bereits 1897 berichtet, dass er bei Hunden mit einem akustischen oder optischen Signal Appetit-Reflexe hervorrufen kann. Den Tieren lief bei dem durch das Signal ausgelösten Gedanken an ein Stück Fleisch der Speichel im Maul zusammen. Das Prinzip der "biologischen Steuerung" wurde 1902 durch die Briten William Bayliss und Ernest Starling bestätigt
->   Iwan Petrowitsch Pawlow (medicine worldwide)
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Wo sitzt der Hunger im Gehirn?
Gottfried und Kollegen wiesen den Reflex über Hirnaufnahmen mit der funktionellen Kernspintomographie bei 13 hungrigen Probanden nach. Sie konzentrierten sich auf zwei Bereiche im Hirn, die bereits bei Studien mit Drogensüchtigen, Alkoholikern und Patienten mit dem als Kluver-Bucy-Syndrom bekannten Esszwang aufgefallen waren.

Wie erwartet zeigten diese Hirnregionen, die Amygdala und der orbitofrontale Kortex, beim Betrachten der Computerbilder eine erhöhte Aktivität. Sie ließ nach, nachdem die in zwei Gruppen geteilten Probanden ihren Hunger auf Vanilleeis oder Erdnussbutter-Sandwiches gestillt hatten.

Dieses System des Umschaltens von "köstlich zu widerlich" könnte laut den Wissenschaftlern eine grundlegende Funktion in der Verhaltens-Steuerung haben. "Fehler in diesem Steuerungssystem könnten die Ursachen für zwanghafte Essstörungen sein", meint Gottfried.
Einmal ist nicht genug
Allerdings gelang es den Forschern, die Hirnaktivität der Probanden mit dem Signal für den jeweils anderen Genuss wieder anzukurbeln. Das heißt, dass jene Teilnehmer, deren Appetit auf Vanilleeis gestillt war, dennoch auf das Signal für Erdnussbutter-Brote reagierten.
Essstörungen und andere Süchte
Außer für Essstörungen könnten die Untersuchungen auch Bedeutung für die Erforschung von Suchtmechanismen haben, betonen die Wissenschaftler.

Die Leichtigkeit, mit dem das Hirn die Hoffnung auf Gaumenfreuden mit anderen Umweltsignalen verknüpfe, illustrierten auch, warum es Süchtigen so schwer falle, allein durch Willenskraft abstinent zu bleiben.
->   Londoner Wellcome-Institut für Neurologie
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->   Mehr zum Thema "Sucht" in science.ORF.at
->   Mehr zum Thema "Essstörungen" in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010