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Keine Koordination für Gegengifte  
  Bei Vergiftungen braucht man rasch Gegengifte, um Leben retten zu können. Allerdings gibt es europaweit keine einzige zentrale Stelle, die die Verfügbarkeit von Gegengiften rasch ermöglichen könnte.  
Vergiftungen kommen häufig vor - die Palette reicht von Alkoholvergiftungen, Drogen- und Schlafmittel-Überdosis bis zu Pilzvergiftungen und Schlangenbissen.
Faktor Zeit
Ausschlaggebend bei Vergiftungen ist der Zeitfaktor. Je schneller die Behandlung einsetzt, umso besser die Überlebenschance und geringere Folgeschäden.

Am Beispiel Österreich zeigt sich jedoch, dass hier oft wertvolle Zeit vergeudet wird. Der Anruf des Notarztes bei der Vergiftungszentrale erfolgt zwar sofort - dort erfahren die Ärzte welches Gegengift sie benötigen - doch das jeweilige Mittel muss dann vom Roten Kreuz oder aus einer Apotheke herbeigeholt werden. Und nicht alle Apotheken haben alle Gegengifte lagernd.
Zu teuer und zu selten
Apotheken haben nicht alle Gegengifte lagernd, weil sie teuer sind und nach Ablauf weggeworfen werden müssen. Zwei Drittel der Gegengifte werden nämlich nur selten gebraucht.

Die einzigen, die viele Gegengifte lagernd haben, sind die Krankenhausapotheken. Das ist bei den häufigsten Vergiftungen wie Drogen- oder Schlafmittel-Überdosis ausreichend, aber bei schweren Vergiftungen oder Massenvergiftungen reichen die Reserven nicht.
Im Katastrophenfall zu wenig
Schon bei einer schweren Vergiftung kann es zu Engpässen kommen. Ein Fall in der Steiermark hat gezeigt, dass das nicht gut geht. Eine Frau hatte eine Insektengift-Überdosis. Aus allen steirischen Apotheken wurde das Gegengift geholt. Aber es war zu wenig da und die Frau starb.

Auch bei Massenvergiftungen wird es eng. Würden etwa bei einer Trinkwasservergiftung mehrere Menschen vergiftet, könnte man nur wenigen rasch helfen. Nicht, weil es die Gegengifte nicht gibt, sondern weil man gar nicht weiß, wo diese sind.
Zentrale Stelle fehlt
Es gibt nämlich in Österreich kein Verzeichnis, wo aufgelistet ist, wie viel von welchem Gegengift wo gelagert wird. Viele Telefonate sind notwendig, um das im Notfall herauszufinden, und dabei verstreicht viel wertvolle Zeit.

Nur wenige Länder in Europa haben solche Listen. Positive Beispiele sind die Slowakei und die Schweiz.
Vorbild: Schweiz
Die Schweiz hat in den 80er Jahren begonnen, eine zentrale Gegengiftstelle aufzubauen. Westösterreich profitiert durch seine geografische Nähe davon. Bis Schwaz in Tirol bekommen die westlichen Krankenhäuser Gegengifte aus der Schweiz geliefert.

Die Schweizer liefern im Notfall auch in die ganze Welt. Die einzige Möglichkeit, die Ärzte haben, um den Zeitpunkt bis zum Eintreffen des Gegenmittels abzuwarten, ist den Betroffen in Intensivstationen am Leben zu halten.

In den meisten Fällen geht das gut. Das heißt, es gelingt den Ärzten, die Atmung aufrecht zu erhalten und den Kreislauf zu stabilisieren. Und zwar solange bis das Gegengift eintrifft.
Europaweit keine Koordination
Um auf Nummer sicher zu gehen, wäre eine zentrale europäische Koordinationsstelle erforderlich. Eine Website etwa könnte, reichen, um Usern in ganz Europa einen Überblick zu geben, welches Gegengift wo lagert.

Aber diese gibt es nicht. Die europäischen Gesundheitszentralen schieben die Verantwortung einander zu: die europäische Vereinigung der Krankenhauspharmazeuten EAHP sagt, die europäische Medikamenten-Zulassungsbehörde EMEA sei zuständig. Aber diese spielt den Ball an die europäische Vereinigung der pharmazeutischen Industrie EFPIA weiter.

Auch diese fühlt sich nicht verantwortlich. Damit bleibt alles beim alten und nach wie vor dem Zufall überlassen.

Edith Bachkönig, Ö1-Wissenschaft
->   Europäische Vereinigung der Krankenhauspharmazeuten - EAHP
->   Europäische Medikamenten-Zulassungsbehörde - EMEA
->   Europäische Vereinigung der pharmazeutischen Industrie - EFPIA
->   Mehr zum Thema "Medikamente" in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010