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Kosmische Fusionen in Computer-Simulationen  
  "Akquisition" und "Fusion" klingen eher nach Begriffen, wie sie in der Welt der Aktienmärkte verwendet werden. Aber auch die Himmelsobjekte im Kosmos machen solche Veränderungen durch - vor allem Fusionen oder Kollisionen kleinerer und größerer Galaxien sind hier für die Physiker von Interesse. Denn sie sind Bestandteil von Computersimulationen zur Formation und Evolution dieser Sternenheimstätten. Die allerdings passen mit einigen neuen Forschungsergebnissen nicht so recht zusammen.  
Den neuesten Erkenntnissen zu galaktischen Kollisionen widmet sich ein Artikel im aktuellen "Nature". Die Astrophysikerin Rosemary Wyse von der Johns Hopkins University in Baltimore beleuchtet darin verschiedene aktuelle Studienergebnisse.

Demnach kann die Milchstraße beispielsweise seit rund acht Milliarden Jahren keine größere Kollision mit einer Nachbargalaxie mehr verzeichnen - eine Tatsache, die nach den derzeitigen Modellen zur Formation von Galaxien eher ungewöhnlich erscheint.
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Der Review-Artikel "Galactic Encounters" von Rosemary Wyse ist erschienen in "Science" (Bd. 301, Seiten 1055-1057 vom 22. August 2003).
->   Der Originalartikel in "Science" (kostenpflichtig)
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''Lokale Gruppe'' als ideales Studienobjekt
Die Milchstraße ist Teil der so genannten "Lokalen Gruppe" von Galaxien, die - in kosmischen Maßstäben gemessen - relativ nahe beieinander liegen. Für Astrophysiker sind sie daher geradezu ideal, um die Formation und Evolution von Galaxien zu untersuchen - und die Natur der mysteriösen Dunklen Materie zu klären, die - wie man glaubt - ihre Schwerkraft dominiert.
Einfluss Dunkler Materie in Simulationen integriert
Bild: Anatoly Klypin, SDSS
Verteilung Dunkler Materie in einer Galaxie. Das Bild beruht auf einer Modellrechnung zur Simulation der Entstehung von Galaxien im expandierenden Universum.
Denn fast die gesamte Masse des Universums liegt im Verborgenen: Um die "fehlende Materie" zu erklären, gehen die meisten Astronomen heute vom Vorhandensein der Dunklen Materie aus.

Neueste kosmologische Simulationsprogramme versuchen, den Einfluss dieser rätselhaften Materieform zu integrieren. Im großen Maßstab gelinge dies bereits recht gut, schreibt Rosemary Wyse. Im Kleineren - auf der Ebene der Galaxien - schneiden die Modelle dagegen weniger gut ab.

Entgegen Beobachtungen, die Forscher in der Lokalen Gruppe gemacht haben, sagen die Modelle beispielsweise zu viele Höfe aus Dunkler Materie um die großen Galaxien herum voraus.
->   Mehr zur Lokalen Gruppe in www.seds.org
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Dunkle Materie und das Rätsel der fehlenden Masse
Beobachtungen, wie sich die sichtbaren Galaxien zu einander bewegen und einander beeinflussen, legen den Schluss nahe, dass es wesentlich mehr Masse im Weltall geben müsste, als man mit Teleskopen beobachten kann. Doch die Wissenschaft weiß Rat: Rund 70 Prozent der gesamten Masse im Kosmos stecken nach den Berechnungen von Astrophysikern in der Dunklen Energie sowie in vielfältigen Formen der Strahlung, weitere 27 Prozent in der so genannten Dunklen Materie.
->   Mehr dazu: Dunkle Materie im Licht neuer Messungen (28.5.03)
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Milchstraße, Andromeda-Nebel, Magellansche Wolke ...
Bild: AFP
Eine NASA-Aufnahme der Spiralgalaxie NGC 4603
Die Lokale Gruppe enthält verschiedenste Galaxien-Typen, darunter große Spiralgalaxien wie die Milchstraße oder den Andromeda-Nebel. Es finden sich auch so genannte irreguläre Formen wie die Große Magellansche Wolke sowie kleine Zwerggalaxien mit extrem niedriger Oberflächenhelligkeit.

Den Modellen zufolge sind große Galaxien wie die Milchstraße einst durch das Zusammenwachsen vieler kleinerer Galaxien entstanden. Und jene galaktischen Giganten können sich auch weiterhin ihre weniger großen Nachbarn einverleiben. Diese Vorgänge aber hinterlassen Spuren - etwa in der Verteilung der chemischen Elemente oder in der Struktur der Galaxie.
Ein Ring aus Sternen um die Milchstraße
 
Bild: Rensselaer Polytechnic Institute fuer den SDSS

Ring aus Sternen (linkes Bild: Gesamtansicht; rechtes Bild: Detail) rund um die Milchstraße.

Wie Wyse berichtet, wurden vor kurzem erstmals umfassende und hochpräzise Untersuchungen der Struktur der Milchstraße in ihren Randbereichen unternommen. Dabei fanden die Astronomen unter anderem einen Ring aus Sternen, der Überrest einer Kollision zwischen unserer Galaxie und einer kleineren sein könnte - entstanden vor Milliarden von Jahren.
->   Mehr dazu: Astronomen entdeckten Sternenring um die Milchstraße (7.1.03)
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Die Milchstraße und andere Galaxien
Die Milchstraße ist eine so genannte Spiralgalaxie und enthält mindestens 100 Milliarden Sonnen. Ihr Mittelpunkt liegt - von der Erde aus gesehen - etwa 26.000 Lichtjahre entfernt im Sternbild Schütze. Neben Spiralgalaxien gibt es auch elliptische und irreguläre Formen. Wegen ihres oft geringeren Durchmessers sind sie nur in der unmittelbaren Umgebung unseres eigenen Milchstraßensystems vollständig zu erfassen. Ihre Masse kann nur eine bis 1.000 Millionen Sonnenmassen betragen. Die elliptischen Galaxien zeigen eine mehr oder weniger starke Abplattung, die irregulären "bevorzugen" keine besondere geometrische Gestalt.

Der durchschnittliche Abstand zwischen zwei Galaxien beträgt etwa 100.000 bis einige Millionen Lichtjahre. Neben Sternhaufen bestehen Galaxien auch aus den Grundbaustoffen aller Sterne: Wasserstoff- und Heliumgas. Eine der wichtigsten Entdeckungen der vergangenen Jahre war die Erkenntnis, dass jede große Galaxie in ihrem Zentrum ein massereiches Schwarzes Loch beherbergt.
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Keine größere Kollision seit acht Milliarden Jahren
Bild: NASA
Aufnahme von Zentrum der Milchstraße mit dem Röntgenteleskop Chandra.
Doch die Suche nach den Spuren von Fusionen ging noch weiter: Laut den Computer-Modellen müssten sich für eine Galaxie von der Größe der Milchstraße auch große Kollisionen in nicht allzu ferner Vergangenheit feststellen lassen.

Dem allerdings ist nicht so: Wie die Astrophysikerin berichtet, finden sich im inneren Bereich des Hofes aus Dunkler Materie um die Milchstraße vor allem sehr bejahrte Sterne - sie sind um die 12 Milliarden Jahre alt. Womit auch "substanzielle Beiträge" seit rund acht Milliarden Jahren auszuschließen seien. Die Milchstraße aber passe damit nicht in die typischen Modelle.
Simulationen weiter zu verbessern
All dies zeigt nach Wyse vor allem eines: die Computersimulationen, die - inklusive Berechnungen zur Dunklen Materie - zur Modellierung von Galaxien verwendet werden, müssten verbessert werden.

Wie Rosemary Wyse berichtet, gibt es Lösungsansätze, die die Dunkle Materie im Wesentlichen beibehalten. Die vorhergesagten Eigenschaften von Sternen und Gas in den Dunkle-Materie-Höfen allerdings ändern sich darin. Die resultierenden Modell-Galaxien könne man dann mit den Beobachtungsdaten vergleichen.
->   Johns Hopkings University Department of Physics and Astronomy
->   Sloan Digital Sky Survey
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01.01.2010