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Physik im Kino: Ein Fall für die Wissenschaft?  
  Raumschiffe im Weltall, die lautstark explodieren; Superhelden, die unverletzt von Dächern und durch Glasscheiben stürzen; Autos, die bei der geringsten Kollision in Flammen aufgehen: drei Beispiele für Realitäten im Kino, die durch die Brille der Naturwissenschaft besser nicht betrachtet werden sollten. Und dennoch haben sich die Betreiber der Website "Insultingly Stupid Movie Physics" genau dem verschrieben - und reichlich Haarsträubendes entdeckt.  
Dass "Science Fiction" eine Menge Fiktion in sich trägt, verrät schon ihr Name. Wenn die "Science" aber zu sehr mit Füßen getreten wird, verliert auch die Geschichte an Glaubwürdigkeit - und damit an Wert, meinen zumindest die Jäger von "beleidigend dummer Filmphysik".
The Hulk: Geschichte eines grünen Monsters
Ein Beispiel - die Neuverfilmung des "Hulk" durch den Regisseur Ang Lee, die in diesem Sommer Premiere hatte - wurde dieser Tage genussvoll von "BBC Online" zitiert.

Dabei wird die Geschichte vom jungen und schlanken Wissenschaftler Bruce Banner erzählt, der sich bei Wutausbrüchen in ein riesiges grünes Monster verwandelt. Als Erklärung dafür wurde in den 60er Jahren, als "The Hulk" als Comic-Figur das Licht der Welt erblickte, ausschließlich eine Überdosis radioaktiver Strahlung herangezogen.
->   The Hulk
Trotz Mitarbeit eines Meeresbiologen ...
Dass Gammastrahlen eher gesundheitsschädlich sind als Auslöser für Superkräfte, hätten die Filmemacher mittlerweile gelernt. Deshalb habe man sich diesmal um eine andere Erklärung - und die Mitarbeit des Meeresbiologen Greg Szulgit vom Hiram College in Ohio - bemüht.

Dieser gilt als ausgewiesener Experte für Seegurken, die sich durch ein besonders variables Bindegewebe aus Kollagen auszeichnen.
->   Greg Szulgit, Hiram College
... waren die filmischen Resultate "schrecklich"
Das Gewebe kann sich extrem stark ausdehnen und danach wieder in seine ursprüngliche Gestalt zurückkehren, ohne Schaden zu nehmen - ein idealer Ansatz für die Neuerklärung der famosen Wachstumsfähigkeiten des "Hulk", so BBC Online. (Im Gegensatz zum Comic sind die Ursachen dafür genetische Experimente, die der Vater des jungen Bruce Banner mit seinem Sohn durchführt.)

Zwar wurde von den Filmemachern der Rat Szulgits in dieser Angelegenheit eingeholt, das Ergebnis - gemessen an seiner wissenschaftlichen Redlichkeit - ist nach seiner Einschätzung aber "schrecklich".
Website: "Insultingly Stupid Movie Physics"
Dieser Ansicht ist auch Tom Rogers von der Website "Insultingly Stupid Movie Physics", die seit 1997 nur ein Ziel kennt: jene Sequenzen von Filmen zu brandmarken, in denen die Naturgesetze auf "beleidigend dumme" Weise verletzt werden und gegenüber der Dramaturgie in den Hintergrund treten müssen.

Die unerbittlichen Hüter der Wissenschaft gehen dabei in zweierlei Hinsicht vor: Einerseits bewerten sie konkrete Filme hinsichtlich ihres physikalischen Wahrheitsgehaltes (nach den Bewertungskriterien von "good physics in general" bis hin zu "obviously physics from an unknown universe" oder "unrated" - wie z.B. die Comic-Verfilmung "The Hulk").
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Matrix: Flop, Terminator: Top
Während "The Matrix Reloaded" ("selbst Computer-Simulationen von Physik müssen irgendwelchen Gesetzen folgen") oder "The Core" ("der schlechteste Physikfilm aller Zeiten") nicht gerade gut wegkommen, werden der erste Teil des "Terminators" ("relativ wenig unmögliche Physik") und selbst "Titanic" ("großartiges Sinken") ausdrücklich gelobt.
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Haarsträubende Natur-Ungesetzlichkeiten
Andererseits listen sie eine Reihe haarsträubender Natur-Ungesetzlichkeiten auf, die sich so gut wie in jedem halbwegs Action-orientierten Produkt der Filmindustrie befinden.

Stichworte für diese Klassiker, die allesamt fein säuberlich entzaubert werden: Pistolenkugeln, die beim Einschlag in Gemäuer blitzen; Autos, die bei Kollisionen sofort in Flammen aufgehen; Helden, die unversehrt durch Glasscheiben geworfen werden; Explosionen im Weltall, begleitet von lauten Geräuschen.
Ein klassischer Beispiels-"Fall" ...
Ein ganz einfaches Beispiel für "beleidigend dumme Filmphysik" stellt das Fallen von Menschen - etwa von Pferden, Treppen oder Hochhäusern - dar.

Und dies ist die Dekonstruktion durch Tom Rogers: Die potenzielle Energie (Epot), die sich in einem Objekt - etwa einem fallenden Filmhelden - verbirgt, verwandelt sich beim Herunterstürzen in kinetische Energie. Dabei handelt es sich um die gleiche Energieform, die Geschosse von Pistolen oder Gewehren so tödlich macht.

Die Patrone eines 45er-Kalibers etwa verfügt über eine Masse von 15 Gramm und erreicht beim Schießen eine Geschwindigkeit von rund 288 Meter pro Sekunde. Die kinetische Energie (Ekin) eines Massepunktes der Masse m und Geschwindigkeit ν ist definiert als: 1/2 mv^2. Für das erwähnte Geschoss bedeutet dies also eine kinetische Energie von 622 J.
... lässt aus Menschen Pistolenkugeln machen
Um diesen Wert mit physikalisch-schaurigen Erlebnissen im Kino zu vergleichen, schlägt Tom Rogers einen potenziellen Helden mit einer Masse von 63,4 Kilogramm vor, der gerade in einem ein Meter hohen Bett schläft - und von einem nicht näher genannten Schurken aus selbigem gestürzt wird. Seine potenzielle Energie im Bett kann gemäß der Formel Epot= m.g.h (Masse mal Erdbeschleunigung=9,82 ms^-2 mal Höhe) berechnet werden.

Siehe da: Der unliebsam wachgerüttelte Held hat eine potenzielle Energie von 622 Joule, die sich beim Sturz aus dem Bett in kinetische verwandelt. Was nichts anderes heißt, als dass er sich mit der gleichen Energie dem Boden nähert wie eine geschossene 45er-Kugel. Einschränkender Nachsatz: Selbstverständlich verteilt sich die Energie beim Aufprall des Helden über eine größere Fläche.
Verharmlosung von Sturzszenen
Sturzszenen in Filmen, so jedenfalls der Schluss der kritischen Kinobesucher, werden somit überaus verharmlosend - und potenzielle Verletzungen völlig unzureichend - dargestellt.

Wobei noch spektakulärere Action-Sequenzen vorstellbar sind als der Fall aus einem ein Meter hohen Bett.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
->   Insultingly Stupid Movie Physics
->   BBC Online News
 
 
 
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01.01.2010