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Designer-Viren zur Bekämpfung von Schädlingen  
  Die Methode ist mittlerweile nicht mehr ganz neu: Viren wurden in der Vergangenheit bereits zur "biologischen Kriegsführung" gegen Schädlinge eingesetzt - mit unterschiedlichem Erfolg. Die Fortschritte im Bereich der Biotechnologie und Gentechnik stellen nun immer ausgefeiltere Strategien in Aussicht. Zwar sind die möglichen Gefahren durch solche Designer-Viren bekannt, an Vorsichtsmaßnahmen und internationaler Überwachung mangelt es allerdings erheblich.  
Eine genetisch modifizierte Krankheit könnte zwar in einem Land ein Schädlingsproblem lösen, dafür aber in einem anderen eine Katastrophe darstellen. Doch nichts werde getan, um solche Desaster zu verhindern, heißt es in einem Artikel des "New Scientist".
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"Biocontrol arms race looms"
Der Artikel "Biocontroll arms race looms" von Rachel Nowak erscheint in der aktuellen Ausgabe des "New Scientist" vom 30. Augsut 2003 (Nr. 2410, Seiten 8-9).
->   "New Scientist"
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Biokontroll-Waffen a la "down under"
An insgesamt sechs verschiedenen "Biowaffen" gegen Schädlinge bzw. zu große tierische Populationen wird derzeit dem Artikel zufolge gearbeitet. Neben einem Fadenwurm, der in Neuseeland eine Opossum-Art sterilisieren soll, werden die restlichen vier Viren sowie ein Gen allesamt in Australien entwickelt.
Gegen Kröten, Füchse, Mäuse - und Kaninchen
Ziel der Methoden sind Füchse, Mäuse, eine Krötenart, Karpfen - sowie Kaninchen, deren australische Geschichte mittlerweile schon beinahe legendär ist: Die Nager waren auf dem Kontinent ursprünglich nicht heimisch.

Vermutlich um 1850 wurden ganze sechs Kaninchen eingeführt, sie breiteten sich allerdings dank mangelnder natürlicher Feinde und zum Missvergnügen der Farmer sehr schnell aus. Innerhalb von nur 100 Jahren wurden aus den wenigen Tieren geschätzte 500 Millionen.
Gescheiterter Viren-Einsatz in den 50ern
Als 1951 nichts mehr half, rückte die Forschungsgesellschaft CSIRO der Karnickelplage mit dem Myxoma-Virus zu Leibe. Rund 99 Prozent der Tiere sollen damals verendet sein - der Rest allerdings bildete Antikörper. Die Population wuchs erneut auf rund 400 Millionen an.
Neue Version soll Weibchen steril machen
Genetiker am Pest Animal Control - Cooperative Research Centre (PAC-CRC) in Canberra arbeiten nun an einer neuen Version des Myxoma-Virus. Ein zusätzliches Gen produziert ein Protein der so genannten "zona pellucida", einer die Eizelle umgebenden Schicht.

Kaninchen-Weibchen, die sich mit dem modifizierten Virus infizieren, produzieren Antikörper gegen ihre eigenen Eizellen und werden dadurch steril. Der Erreger könnte in etwa zwei Jahren Feldversuche durchlaufen, weitere drei Jahre darauf soll er bereits kommerziell nutzbar sein.
Freigelassene Erreger nur schwer zu kontrollieren
Das Virus allerdings, so Rachel Nowak im "New Scientist" wurde so angelegt, dass es sich fortpflanzt und verbreitet. Einmal freigelassen sei es ebenso schwer zu kontrollieren wie andere, natürliche Krankheiten.

So könnte der Erreger beispielsweise - absichtlich oder versehentlich - in andere Länder eingeschleppt werden. Das Virus könnte mutieren oder sich mit anderen Viren vermischen. Auch ein Überspringen auf andere Arten - im schlimmsten Fall gar den Menschen - ist denkbar. Die Konsequenzen seien möglicherweise desaströs.

Wie Warwick Grant, ein an dem neuseeländischen Fadenwurm-Projekt beteiligter Forscher zugibt: "Wenn man es einmal losgelassen hat, kann man es nicht mehr zurückholen."
Forschung mit internationalem Konfliktpotential
Vor allem das mögliche Einschleppen in andere Länder könnte die Designer-Viren zum internationalen Konfliktstoff machen:

Wie im "New Scientist" berichtet wird, forschen beispielsweise Wissenschaftler in Spanien an der Entwicklung eines Myxoma-Virus zum Schutz von Kaninchen vor Krankheiten - denn dort ist der Bestand der Tiere, die eine wichtige Rolle im Ökosystem einnehmen, stark gesunken.
Kein Wissen um internationale Regeln
Das Potential für internationale Konflikte ist also offensichtlich - die Mittel, diese zu verhindern seien es nicht, heißt es im Artikel weiter. Keiner der kontaktierten Forscher sei beispielsweise über internationale Gesetze zum Einsatz genetisch modifizierter Organismen (GMO) informiert gewesen.

Tatsächlich ist das Durcheinander verständlich - denn weltweit sind Überprüfung und Einsatz der GMOs höchst unterschiedlich geregelt, wie im "New Scientist" ausgeführt wird. Innerhalb der EU etwa ist die European Agency for the Evaluation of Medicinal Products verantwortlich - sie müsste beispielsweise das spanische Virus genehmigen.
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Empfehlungen zahlreicher Organisationen
Rund um den Globus hätten zahlreiche Organisationen Empfehlungen zum Umgang mit GMOs im Allgemeinen veröffentlicht. Doch nur eine, die World Organisation for Animal Health (OIE), sei annähernd soweit, sich um eine Kontrolle von übertragbaren Organismen zu bemühen.
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"Öffentlichkeit ist sich Entwicklungen nicht bewusst"
"Die Öffentlichkeit ist sich dieser Entwicklungen gar nicht bewusst", kommentiert Robert Henzell von der Animal and Plant Control Commission im südaustralischen Adelaide die Forschungen.
Welche Sicherheitsmaßnahmen sind denkbar?
Er organisiert derzeit ein Symposion zum Thema, das gegen Ende des Jahres in Neuseeland stattfinden soll. Einer der Diskussionspunkte: Sicherheitsmaßnahmen, die eine ungehinderte Verbreitung von Designer-Viren und ähnlichen "Biowaffen" gegen Schädlinge verhindern sollen.

Denkbar sind demnach etwa GMOs, die nach wenigen Generationen aussterben. Eine andere Option sei die Entwicklung von Organismen, die nur in Gegenwart einer bestimmten Chemikalie - enthalten etwa in der Nahrung eines Schädlings und lediglich im Zielland zu finden - aktiviert werden.
Parallele Entwicklung eines Gegenmittels
Auch die parallele Entwicklung eines gegen das schädlingsbekämpfende Virus wirkenden Stoffes könnte eine Alternative sein - um Länder zu schützen, in denen der Einsatz von Ersterem nicht geplant ist.

"Wir sollten diese Dinge zumindest bedenken und uns fragen, ob sie möglich sind", sagt Henzell. "Bislang aber wurde nichts getan."
Ultimatives Experiment: Die Freilassung des Virus
PAC-CRC jedenfalls will die Sicherheitstests des neuen Virus nun beschleunigen und seine infektiösen Fähigkeiten an einer ganzen Reihe von Arten untersuchen.

Das ultimative Experiment aber sei die Freilassung des Virus, schließt Rachel Nowak. Würde sich herausstellen, dass PAC-CRC einen Fehler gemacht habe, so könne man möglicherweise kaum etwas dagegen tun.
->   Pest Animal Control CRC
->   European Agency for the Evaluation of Medicinal Products
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Australische Forscher: Virus gegen Kaninchenplage (13.8.02)
->   Gentechnische Veränderung produziert Killerviren (23.4.01)
->   Killer-Virus für Mäuse als Biowaffe? (12.1.01)
 
 
 
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01.01.2010