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Umweltpolitik in Österreich seit 1970  
  Die ökologische Krise ist seit mehr als 30 Jahren ein - auch politisches - Thema. Bereits in den 1960er Jahren mehrten sich die Anzeichen, dass ein grenzenloses Wirtschaftswachstum auf Kosten der Umwelt geht. 1970 wurde erstmals der "Tag der Erde" abgehalten, und in Europa wurde das "Europäische Naturschutzjahr" ausgerufen. 1972 veranstaltete die UNO einen ersten Umweltgipfel in Stockholm.  
Die Entwicklung der Umweltpolitik in Österreich von den ersten Ansätzen bis zu einer "Politik der Nachhaltigkeit" wurde nun in einem Forschungsprojekt am Institut für Politikwissenschaft der Universität Salzburg erstmals systematisch untersucht.
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Die Ergebnisse des Forschungsprojekts "Paradigmen in der Umweltpolitik - Policy-Analyse der österreichischen Umweltpolitik 1970-2000" von Dieter Pesendorfer werden in Buchform erscheinen.
->   Das Projekt (Universität Salzburg)
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Österreichische Umweltpolitik: Drei große Phasen
Seit ihrer Institutionalisierung in den 70er Jahren lassen sich für die österreichische Umweltpolitik im wesentlichen drei große Phasen feststellen.

Der immissionsorientierten folgte seit den achtziger Jahren eine Phase der so genannten End-of-pipe-Strategien. Ende der 80er Jahre vollzog sich - im Rahmen des "Nachhaltigkeits"-Leitbildes - in ersten Ansätzen ein Wandel zu einer vorsorgeorientierten Umweltpolitik (Nationaler Umweltplan, inputorientierte Strategien des Ressourcenmanagements).
Zögerlicher Start in den 70ern ...
Nach einem zögerlichen Start in den 70er Jahren entwickelte sich Österreich im folgenden Jahrzehnt zu einem "Umweltmusterland". Zwar hatte die SPÖ schon in den späten 60er Jahren Jahren ihr "Humanprogramm" als erstes umweltpolitisches Programm formuliert.

1972 war das Umweltministerium mit Ingrid Leodolter als erster Umweltministerin eingerichtet worden, führte aber ein Schattendasein. Und mit Ausnahme der Energiekonflikte hat der Druck der Umweltbewegung die umweltpolitischen Entscheidungen wenig beeinflusst.
... nach einem Lernprozess ...
Bis Anfang der achtziger Jahre folgt ein Lernprozess. Die Umweltbürokratie, die zunächst mit dem Bestreben, eine sehr umfassende Umweltgesetzgebung zu schaffen, eine falsche Strategie verfolgt hatte, änderte diese und setzte - mit Umweltverträglichkeitsprüfungen, Umweltanwaltschaft und schließlich Umweltbundesamt - auf Umweltbeobachtung und -kontrolle.

Sowie auf Bereiche, die zuvor nicht reguliert waren wie Emissionsbegrenzung, Immissionsbegrenzung oder die Wahrnehmung der Umweltinteressen im Verwaltungsverfahren.
... wurde Umwelt-Vorreiterrolle angestrebt
In der zweiten Hälfte der Achtziger und unter dem Eindruck des Hainburgkonfliktes strebt Österreich die Vorreiterrolle in Sachen Umweltpolitik an. Umweltkonflikte, Bürgerinitiativen und das Entstehen der Grünen markierten einen Wertewandel. Ein konsensualer Politikstil und eine Umweltpolitik "mit Augenmaß" zählen zu den Faktoren für eine breitere Unterstützung von Umweltvorschriften.
->   Die Besetzung der Hainburger Au (AEIOU)
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Beispiele erfolgreicher Umweltpolitik
Große Erfolge verbuchte Österreich in der Luftreinhaltepolitik, wo es zusammen mit Schweden - wenn auch unbeabsichtigt - als Vorreiter in Europa fungierte. Durch die Einführung des Katalysators, bleifreien Benzins und strenger Abgasvorschriften nach kalifornischem Vorbild in den späten achtziger Jahren war die Alpenrepublik unter den Ersten.

Die weltweit erste Pilotanlage für chlorfreie Zellstoffbleiche wurde ebenfalls in Österreich installiert. Lange vorbereitete Gesetze, wie z. B. ein Chemikaliengesetz oder eine Novelle des Wasserrechts kamen in relativ fortschrittlicher Weise zustande.
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Öko-Wettbewerb der Parteien
Zwischen den großen politischen Parteien herrschte eine Wettbewerbssituation, wer die eigentliche Umweltpartei sei, die Wahlprogramme waren im Hinblick auf umweltpolitische Fragen fast ident. (Modell der ökosozialen Marktwirtschaft auf Seiten der ÖVP/ Konzept des ökologischen Umbaus der Industriegesellschaft auf Seiten der SPÖ: Umweltpolitik vernichtet keine Arbeitsplätze, sondern schafft neue).
Seit Mitte der 90er: Sinkendes Interesse an Umweltpolitik
Während Österreich Anfang der Neunziger auch international als Pionier in Sachen Umweltschutz gilt, beginnt ab Mitte der neunziger Jahre das Interesse an Umweltpolitik zu sinken. Globalisierung, Europäisierung und der Zusammenbruch der ehemaligen zentral gesteuerten Planwirtschaften in Osteuropa wirken sich stark auf die Umweltpolitik aus.

Zwar verabschiedete der österreichische Ministerrat rechtzeitig vor dem Welt-Nachhaltigkeitsgipfel in Johannesburg 2002 eine Strategie zur Nachhaltigen Entwicklung, mit der sich Österreich auch in Zukunft im Spitzenfeld positionieren sollte. Dennoch ist ein bedeutender Wandel dabei festzustellen, was Akteure in einem kleinen Land für umweltpolitisch machbar und realisierbar halten; wobei auch die Kostenfrage als wichtiges Argument dient.
Liberalisierung und Deregulierung

So wird in Umweltfragen nun vieles liberalisiert und dereguliert. Der Forderung der Industrie, zu strenge Umweltstandards abzubauen, die Wettbewerbsnachteile mit sich brächten, wird mit einem neuen Umweltmanagementgesetz entsprochen.

Umweltpolitische Maßnahmen sind in der Regel nur noch die Implementierung von EU-Recht und in mehreren Bereichen reagiert Österreich erst auf Klagedrohungen der EU-Kommission oder in Folge eröffneter Verfahren seitens des Europäischen Gerichtshofs. Mit diesen Veränderungen einher gehen Veränderungen der Akteursstrukturen sowie der Paradigmen umweltpolitischer Akteure, die in diesem Projekt systematisch analysiert werden.

Silvia Anner
->   Mehr über Dieter Pesendorfer (Uni Salzburg)
->   Institut für Politikwissenschaft, Universität Salzburg
->   www.innovatives-oesterreich.at
 
 
 
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01.01.2010