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Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Negative Emotionen schwächen das Immunsystem  
  Dass die Psyche einen Einfluss auf die Gesundheit hat, ist für Mediziner fast schon eine Binsenweisheit. Wie und warum dieser Zusammenhang im Detail besteht, ist allerdings noch unzureichend verstanden. Amerikanischen Wissenschaftlern gelang nun ein besonders lückenloser Nachweis dieser Verbindung. Sie konnten zeigen, dass negativ denkende Menschen ein schwächeres Immunsystem aufweisen. Das Besondere daran: Das Ganze spiegelt sich auch in der Form bestimmter Erregungsmuster im Gehirn wider.  
Richard J. Davidson und seine Kollegen vom Laboratory for Affective Neuroscience der University of Wisconsin leiten aus ihren Erkenntnissen auch einen gewissen Vorhersagewert ab.

Demnach gilt folgende Daumenregel: Je stärker die Aktivität eines "Emotionszentrums" auf die rechte Hälfte der Großhirnrinde verschoben ist, desto eher wird die körpereigene Krankheitsabwehr Lücken aufweisen.
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Die Arbeit "Affective style and in vivo immune response: Neurobehavioral mechanisms" von Melissa A. Rosenkranz , Richard J. Davidson und Mitarbeitern erschien als "Early Edition" in den Proceedings of the National Academy of Sciences (DOI 10.1073/pnas.1534743100).
->   PNAS
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Psychoimmunologie - junge, aber etablierte Wissenschaft
Richard J. Davidson und sein Team betonen in ihrer Veröffentlichung, dass sie beileibe nicht die ersten seien, die den Einfluss der Psyche auf die Gesundheit untersuchen.

Die Psychoimmunologie ist mittlerweile eine so fortgeschrittene Wissenschaft, dass man die Verzahnung der beiden Funktionskreise bis auf einzelne Moleküle zurückverfolgen kann.
->   Weiterführende Links zur Pschoneuroimmunologie
Stress beeinflusst Immunsytsem
So weiß man beispielsweise, dass Stress und andere negative psychische Einflüsse mit der Regulation von Cortisol oder entzündungsfördernden Substanzen zusammenhängen. Wie Davidson und seine Mitarbeiter hervorheben, wurden in diesen Studien bis dato kaum neurobiologische Befunde miteinbezogen.
Studie: Emotionale Erinnerungen als Ausgangspunkt
Diese methodische Lücke konnten die amerikanischen Neurowissenschaftler nun schließen: Sie unterzogen 52 Personen im Alter zwischen 57 und 60 Jahren zunächst einem psychologischen Test.

Darin wurden die Probanden aufgefordert, sich an je ein positives und negatives Erlebnisse aus ihrem Leben zu erinnern, das sie gefühlsmäßig sehr intensiv erlebt hatten.
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Lateralität im Hirn mit negativen Gefühlen gekoppelt
Dabei wurde die Aktivität auf der rechten und der linken Seite des präfrontalen Cortex (PFC) mittels EEG gemessen. Wie man aus vorhergehenden Untersuchungen weiß, neigen Menschen mit - gehirnhemisphärisch - rechtslastigen Erregungsmustern eher zu Depressionen oder negativen Gefühlen in stark emotionalisierten Situationen. Selbst Kinder neigen im Fall einer Trennung von ihrer Mutter eher dann zum Weinen, wenn ihre Erregungsmuster im PFC von der rechten Hirnhälfte dominiert sind. Linkshänder wurden in der Studie von Davidson und seinem Team bewusst nicht erfasst.
->   Mehr zum PFC (Uni Graz)
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Lidschlussreflex diente als weiterer Parameter
Nach diesem Test mussten die Probanden fünf Minuten lang Gedanken über die Ereignisse zu Papier bringen.

Während dieser Phase untersuchten die amerikanischen Forscher den Lidschlussreflex der Probanden in Abhängigkeit von gewissen Störgeräuschen - eine unbewusste Größe, die ebenfalls Aufschluss über die emotionale Verfassung der Untersuchungspersonen geben soll.
Immunsystem von negativen Typen schwächer
Schließlich erhielten die Probanden eine Grippeimpfung, ihre Immunantwort wurde innerhalb der nächsten sechs Monate drei mal überprüft.

Das Ergebnis der Studie lautet - kurz gefasst - folgendermaßen: Menschen, die eher zu negativ gefärbten Emotionen neigten, wiesen eine schwächere Immunantwort auf die Grippeimpfung auf.

Das heißt, die Menge an schützenden Antikörpern im Blut war messbar niedriger. Die Forscher werten das als generellen Hinweis auf ein - relativ - geschwächtes Immunsystem.
Neurologische Befunde stützen Zusammenhang
Bemerkenswert ist, dass die neurologischen Befunde diese Tendenz unterstützen - und so gewissermaßen als Brücke zwischen psychischem Empfinden und Gesundheitszustand fungieren:

Negative emotionale Typen waren nicht nur krankheitsanfälliger, sie wiesen auch rechtsdominierte Muster im PFC auf. Selbst aus den Ergebnissen des Reflex-Tests konnten die Forscher eine gewisse Vorhersage auf die Güte des Immunsystems ableiten.
Genaue Ursachen: Bis dato nur Vermutungen
Allerdings handelt es sich bei den Ergebnissen nur um Korrelationen, wenn auch um statistisch abgesicherte. Was die genauen Signalwege anbelangt, können die Autoren nur Vermutungen anstellen.

Zumindest weiß man aus vorangegangenen Studien, dass weiße Blutkörperchen unter Stressbedingungen Substanzen produzieren, die wiederum die Aktivität der Botenstoffe im präfrontalen Cortex beeinflussen. Weiterhin ist bekannt, dass der PFC auf dieser Ebene auch direkt durch Stress beeinflussbar ist - und zwar mit unterschiedlichen Wirkungen auf die beiden Gehirnhälften.

Im Fall von massiven asymmetrischen Störungen der Großhirnrinde konnten bereits immunologische Wirkungen im Detail nachgewiesen werden. Dies allerdings nur bei Mäusen und Ratten.

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Laboratory for Affective Neuroscience der University of Wisconsin
->   Alles zum Stichwort Immunsystem in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010