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Wirbellose: Immunsystem erinnert sich an Parasitenbefall  
  Eine herausragende Eigenschaft des Immunsystems von Menschen ist die Fähigkeit, nach Infektion durch einen Krankheitserreger ein Gedächtnis für dessen spezifische Eigenschaften aufzubauen. Bei einer erneuten Infektion kann die körpereigene Abwehr schnell und vor allem gezielt reagieren. Wirbellosen Tieren hat man dieses spezifische "Immungedächtnis" bislang abgesprochen - nun zeigt eine aktuelle Studie, dass auch deren Immunsystem sich an einen Parasitenbefall erinnern kann. Damit könnten sich neue Wege in der Bekämpfung von Krankheiten wie etwa Malaria ergeben.  
Die Untersuchungen der Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Limnologie in Plön, veröffentlicht in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Nature", deuten erstmals darauf hin, dass auch Wirbellose unter Umständen über ein spezifisches immunologisches Gedächtnis verfügen.
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Der Artikel "Innate defence: Evidence for memory in invertebrate immunity" von Joachim Kurtz und Karoline Franz ist erschienen in "Nature", Bd. 425, Seiten 37-38, vom 4. September 2003 (doi:10.1038/425037a).
->   Der Originalartikel in "Nature" (kostenpflichtig)
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Antigen-Erkennung für Impfungen
Das Immunsystem von Wirbeltieren und Menschen weist eine besonders herausragende Eigenschaft auf: Nach Infektionen baut es eine Art Gedächtnis für dessen spezifische Eigenschaften auf - die so genannte Antigen-Erkennung.

Trifft der Betroffene dann erneut auf diesen Erreger, so reagiert seine körpereigene Abwehr schneller und zielgenauer. Diesen Effekt macht man sich vor allem auch bei Impfungen zunutze.
Wirbellose: Unspezifische Abwehr ...
Im Gegensatz dazu galt die Parasiten-Abwehr von Wirbellosen wie Insekten und Krebsen laut Lehrbuch bislang als vergleichsweise unspezifisch.

Zwar können auch sie nach Kontakt mit Krankheitserregern bzw. Parasiten die Aktivität ihrer Abwehrmechanismen steigern - die Spezifität dieser Mechanismen schien jedoch nicht über die grobe Unterscheidung zwischen verschiedenen Klassen von Erregern hinaus zu gehen.
... oder doch immunologisches Gedächtnis?
Neue Daten aus dem Labor von Joachim Kurtz und Karoline Franz vom Max-Planck-Institut für Limnologie in Plön liefern nun jedoch erste Hinweise dafür, dass auch winzige, im Wasser lebende Krebse (Copepoden) über ein spezifisches immunologisches Gedächtnis verfügen.
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Details zum menschlichen Immunsystem
Das menschliche Immunsystem besteht aus mehreren ineinander greifenden Mechanismen. Dazu gehören Abwehrzellen (z.B. die so genannten Makrophagen und T-Zellen) ebenso wie bestimmte Organe. Schon das Eindringen in den Körper wird allerdings durch verschiedene Barrieren erschwert, beispielsweise durch den Säureschutzmantel der Haut als Abwehrmechanismus gegen Keime. Auch die Scheide ist durch ein solches "saures Milieu" geschützt.

Dringen dennoch Keime ein, so werden spezifische Bereiche des Immunsystems aktiviert: Im Blut werden Antikörper (Immunglobuline, also Eiweißstoffe) produziert. Diese binden an bestimmte Oberflächenmerkmale der körperfremden Substanzen (Antigene) - ein Antigen-Antikörper-Komplex entsteht. Für andere Zellen des Immunsystems sind diese Komplexe eine Zielscheibe: Alle damit verbundenen Zellen müssen zerstört werden.
->   Weitere Informationen in www.medizininfo.de
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Parasitische Bandwürmer als Infektions-Test
Bild: Max-Planck-Institut f¿r Limnologie
Infizierter Copepode (Macrocyclops albidus). Im Rücken des nur knapp ein Millimeter großen Krebses kann man einen parasitischen Bandwurm (Schistocephalus solidus) erkennen.
In ihren Experimenten setzten die beiden Forscher diese Kleinkrebse zweimal hintereinander dem Befall durch parasitische Bandwürmer aus.

Dabei nahmen sie beim Zweitkontakt entweder Geschwisterparasiten, deren Antigene natürlich große Ähnlichkeit hatten mit jenen vom Erstbefall, oder sie setzten die Krebstierchen Parasiten einer anderen Geschwistergruppe aus - mit deutlich anderen Antigen-Eigenschaften.

Die Arbeitshypothese der Wissenschaftler lautete: Falls die Krebse ein spezifisches immunologisches Gedächtnis besitzen, dann sollte die Gefahr einer Infektion bei erneutem Kontakt mit sehr ähnlichen Parasiten geringer sein.
Gedächtnis-Effekt beobachtet
Im Experiment konnten die Biologen tatsächlich einen solchen Gedächtnis-Effekt beobachten - und er war, wie erwartet, umso stärker, je mehr sich die nacheinander attackierenden Parasiten ähnelten.
Genauer Mechanismus noch unklar
Unklar ist für die Forscher derzeit, welcher immunologische Mechanismus zu dieser erstaunlichen Spezifität führt. Doch weitere Forschungen könnten auch Konsequenzen etwa für die Malariabekämpfung haben.

"Sollten auch andere Wirbellose über ein spezifisches immunologisches Gedächtnis verfügen, dann könnte dies weit reichende Konsequenzen haben nicht nur für das Verständnis der Evolution von Immunsystemen, sondern darüber hinaus auch für die Bekämpfung von Krankheiten, die wie zum Beispiel Malaria durch wirbellose Tiere übertragen werden", kommentierte Studienleiter Joachim Kurtz die Ergebnisse in einer Aussendung.
->   Max-Planck-Institut für Limnologie
->   Alles zum Stichwort Immunsystem im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010