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Zu viele Todesopfer unter den österreichischen Diabetikern  
  Alleine in Österreich gibt es mehr als 500.000 Zuckerkranke - Tendenz steigend. Denn die Zahl der Diabetes-Erkrankungen nimmt weltweit dramatisch zu. Doch eine schlechte "Blutzucker-Einstellung" und zu viele Todesopfer unter den österreichischen Diabetikern prägen die heimische Situation. Eine neue gegründete Initiative - das Diabetes Forum Austria - will das jetzt ändern. Helfen soll auch ein neues, besonders lange wirksames Insulin, das nur noch ein Mal pro Tag gespritzt werden muss.  
Dies erklärten am Donnerstag Experten bei einer Pressekonferenz in Wien. "Diabetes ist eine Erkrankung, die dramatisch zunimmt. Das Wachstum beträgt fünf Prozent pro Jahr. Es gibt keine chronische Erkrankung, bei der die Zahl der Patienten stärker steigt", sagte der Gründer der neuen Initiative, der Wiener Diabetologe Guntram Schernthaner vom Krankenhaus Rudolfstiftung.

"Wenn es so weiter geht, werden wird am Ende das Jahrhunderts weltweit eine Milliarde Zuckerkranke haben. Ein Drittel der Herzpatienten sind Diabetiker. Etwa die Hälfte der Fußamputationen werden bei Zuckerkranken durchgeführt", so Schernthaner weiter.
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Diabetes mellitus: Unterscheidung in Typ I und II
Diabetes mellitus, wie die Krankheit korrekt heißt, ist eine Stoffwechselerkrankung, die durch einen erhöhten Blutzuckerspiegel definiert ist. Man unterscheidet dabei zwei verschiedene Formen: Typ-I-Diabetes entsteht durch immunologische Zerstörung bestimmter Zellen der Bauchspeicheldrüse, die das Insulin produzieren. Dadurch entsteht ein echter Insulinmangel, der durch Verabreichung des Hormons behandelt werden muss. Die Erkrankung beginnt meist in der Jugend.

Typ-II-Diabetes entwickelt sich im höheren Lebensalter, daher auch Altersdiabetes genannt, und ist durch das Unvermögen des Organismus gekennzeichnet, zugeführte Kohlenhydrate zu verwerten. Die Therapie erfolgt stufenweise zuerst durch Diät, in der Folge mit blutzuckersenkenden Medikamenten und erst im fortgeschrittenen Stadium mit Insulin.
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Spätkomplikationen - vor allem bei Typ 2
Grundproblem sind die Spätkomplikationen, die besonders Typ 2 Diabetiker ("Altersdiabetes") betreffen: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenversagen, Netzhaut- und Nervenschäden (Erblindung).

Nach Angaben des Wiener Kardiologen Jörg Slany haben Studien beispielsweise ergeben, dass zwei Drittel der Infarktpatienten Diabetes oder eine Glukoseintoleranz - eine Vorstufe der Erkrankung - hatten.

Daraus ergibt sich laut dem Fachmann: Praktisch alle Zuckerkranken sind auch gefäßkrank. Das Infarktrisiko sei insgesamt immer zwei bis drei Mal so hoch wie bei Nicht-Zuckerkranken.
Ebenfalls gefürchtet: Nierenkomplikationen
Gefürchtet sind auch die Nierenkomplikationen bei den Zuckerkranken. 30 bis 50 Prozent der Patienten mit dem terminalen Nierenversagen sind Diabetiker. Das macht in den meisten Fällen eine Blutwäsche drei Mal pro Woche (Dialyse) notwendig. 50 Prozent der Zuckerkranken unter Dialyse sterben binnen fünf Jahren.

"70 Prozent der Typ 2 Diabetiker haben schon bei der Diagnose ihrer Zuckerkrankheit einen Bluthochdruck", erklärte dazu Rudolf Prager, Vorstand der 3. Medizinischen Abteilung am Krankenhaus Lainz. Dieser allein schon sei buchstäblich Gift für die Nieren.

Aber auch die erhöhten Blutzuckerwerte schädigen demnach die Organe. Besonders wichtig ist daher eine möglichst optimale Blutzuckereinstellung.
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Mehrheit erreicht geforderten HbA1c-Wert nicht
Schernthaner: "Man weiß, dass 80 Prozent der Diabetiker den geforderten HbA1c-Wert von weniger als sieben Prozent nicht erreichen." Der HbA1c-Wert - die "Zuckerbeladung" der roten Blutkörperchen - gibt Auskunft über die Blutzuckereinstellung in den vorangegangenen zwei Monaten. "Wir müssen uns bemühen, bei mehr Patienten einen HbA1c-Wert von weniger als sieben Prozent zu erreichen. Senkt man ihn um ein Prozent, verringert sich das Herzrisiko der Diabetiker schon um 18 Prozent", so der Diabetologe. Dazu auch Prager: "Reduziert man den HbA1c-Wert um einen Prozentpunkt, verringert sich das Risiko einer Nierenschädigung um 40 Prozent."
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Insulintherapie für Typ 2 Diabetiker
In Österreich gibt es rund 500.000 Zuckerkranke, nur rund zehn Prozent davon sind Typ 1 Diabetiker, die auf jeden Fall auf Insulin-Injektionen angewiesen sind. Doch laut den Experten bekommen kaum mehr als zehn Prozent der Typ 2 Diabetiker ("Altersdiabetes") Insulin.

"Die Therapie der Bequemlichkeit ist es, Tabletten (orale Antidiabetika, Anm.) einzunehmen und keine Diät zu halten. Doch das reicht oft nicht aus", so Experte Schernthaner.

Entscheidend wäre es bei Typ 2 Diabetikern, den Nüchternblutzucker in den Normalbereich zu bringen. "Wir müssen mit der Insulintherapie früher beginnen. Es gibt jetzt ein neues Insulin, das man nur ein Mal täglich injizieren muss."
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Gentechnisch hergestelltes Insulin glargin
Dieses Insulin glargin ("Lantus"/Aventis) ist ein gentechnisch hergestelltes, in seiner Aminosäuren-Zusammensetzung an einigen Stellen verändertes Insulin. Es wirkt laut Schernthaner fast völlig gleichmäßig 24 Stunden hinweg und eignet sich deshalb besonders als "Basisinsulin". Gleichzeitig gibt es eine wesentlich geringere Gefährdung durch "Unterzuckerung" (Hypoglykämien).
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Noch nicht auf Kassenrezept verschreibbar
Derzeit allerdings ist dieses Insulin nicht auf Kassenrezept verschreibbar. Schernthaner: "Wir fordern, dass dieses Insulin auch in Österreich finanziert wird. Genau genommen beträgt die Kostendifferenz (zur Verwendung herkömmlicher Insuline, Anm.) 37 Cent pro Tag."

Seine Sorge sei, dass das der Chefarztpflicht unterliegen könnte. Da kann sich eine Zwei-Klassen-Medizin bei Diabetes entwickeln, was ich nicht will." Bei Typ 2 Diabetikern, bei denen man mit den herkömmlichen oralen Antidiabetika nicht auskomme, seien die geforderten HbA1c-Werte anders kaum zu erreichen.
Diabetes Forum Austria will gemeinsame Plattform
Das Diabetes Forum Austria will zunächst einmal Diabetologen, Herz-, Nieren-, Gefäß- und alle übrigen in der Versorgung von Zuckerkranken tätigen Spezialisten zu einer gemeinsamen Plattform zusammenfassen.

Zusätzlich wird eine Initiative mit 700 niedergelassenen Ärzten in ganz Österreich sowie mit 10.000 Zuckerkranken gestartet. Zunächst soll der Ist-Zustand erhoben werden, dann soll die Betreuung der Patienten im Bedarfsfall sukzessive auf folgende international geforderte Ziele gebracht werden:

- HbA1c-Wert von weniger als sieben Prozent.
- Gesamtcholesterin weniger als 175 Milligramm pro Deziliter Blut (LDL-Cholesterin weniger als 100 Milligramm).
- Blutdruck unter 130/80 mmHg ("oberer/unterer Wert).
Wirkung soll dokumentiert werden
Schließlich soll in diesem Netzwerk die Wirkung solcher Maßnahmen dokumentiert werden. Was eine schärfere Blutzuckereinstellung bei Zuckerkranken bringt, belegen folgende Daten aus der Wissenschaft über die Reduktion des HbA1c-Wertes auf weniger als sieben Prozent:

- Verringerung der Augen-Netzhautschäden um 63 Prozent.
- Risikoverminderung für diabetische Nierenschäden um 54 Prozent.
- Um 41 Prozent weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Zuckerkranken.
->   Diabetes Forum Austria in www.diabetes-austria.com
->   www.aktive-diabetiker.at
->   Österreichische Diabetes-Gesellschaft
->   Alles zum Stichwort Diabetes in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010