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Erfolgreiche Invasion dank "chemischer Waffen"  
  Pflanzen, die aus fremden Ländern einwandern, können eine echte Bedrohung für Ökosysteme darstellen. Denn die Invasoren sind bisweilen so "erfolgreich", dass ihre Vermehrung epidemische Ausmaße annimmt. Ein Beispiel dafür ist die Flockenblume, Centaurea maculosa. Sie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von Osteuropa nach Nordamerika eingeschleppt und hat dort bereits Millionen Hektar Weideland in Besitz genommen. Diese aggressive Invasion ist laut einer neuen Studie nicht nur durch das Fehlen "alter Feinde" wie Parasiten möglich, sondern vor allem auf die "chemischen Waffen" der Pflanze zurückzuführen.  
Bild: Jorge M. Vivanco
Die Flockenblume (Centaurea maculosa<)
Bisher nahm man an, dass eingewanderte Arten in fremden Ökosystem auf Grund des fehlenden Konkurrenzdrucks ihrer Parasiten einen uneinholbaren Vorsprung im vielzitierten "Kampf ums Überleben" haben.

Die Fähigkeit von Pflanzen chemische Stoffe abzugeben, die eine hemmende Wirkung auf das Wachstum und die Entwicklung der benachbarten Pflanzen haben - die so genannte Allelopathie - wurde nur als kleines Mosaiksteinchen des Erfolges angesehen.

Harsh P. Bais und seine Kollegen vom Molkularbiologie-Programm des Instituts für Gartenbau und Landschaftsarchitektur der Colorado State University konnten jetzt nachweisen, dass der Erfolg der Flockenblume zum Großteil auf die nicht vorhandene chemische Gegenwehr ihrer neuen Pflanzennachbarn zurück zu führen ist.
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Die Ergebnisse ihrer Arbeit veröffentlichten die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals "Science". Der Artikel "Allelopathy and Exotic Plant Invasion: From Molecules and Genes to Species Interactions" ist in "Science", Bd. 301, Seiten 1377-1380, vom 5. September 2003 erschienen.
->   Der Originalartikel in "Science" (kostenpflichtig)
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Die chemische Keule der Flockeblume
Die Flockenblume gehört in Nordamerika zu den Pflanzeninvasoren, die die größten ökologischen Schäden anrichten. Dies wird laut Studie durch zwei so genannte Catchine ermöglicht, die von den Wurzeln der Pflanze produziert und in den Boden abgegeben werden.

Die eine Form (+)-Catechin, hat eine antibakterielle Wirkung und bewahrt die Flockenblume vor Infektionen, die andere Form (-)-Catechin unterdrückt das Wachstum und die Keimfähigkeit anderer Pflanzen.
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Allelopathie: Wirkung mittels chemischer Botenstoffe
Pflanzen beeinflussen das Wachstum anderer Pflanzen, indem sie bestimmte Moleküle an die Umwelt abgeben. Bereits 1937 prägte der Physiologe Hans Molisch dafür den Begriff "Allelopathie". Heute wird unter Allelopathie jede positive oder negative Wirkung verstanden, die Pflanzen und Mikroorganismen mittels chemischer Botenstoffe auf andere Pflanzen ausüben.
->   Mehr über Allelopathie in www.wissenschaft-online.de
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Angriff und Abwehr
Bild: Jorge M. Vivanco
Ein von C. maculosa in Besitz genommenes Feld
Eines der Hauptargumente vieler Ökologen gegen die aggressive Interaktion von Pflanzen mit Hilfe der Allelopathie ist die Immunität. Nach Ansicht dieser Wissenschaftler müsste die Pflanze eine solche Menge an Gift abgeben, dass die Konzentration des schädlichen Stoffes in ihrer eigenen Umgebung weitaus höher sein muss als bei der Zielpflanze.

Daher muss die Gift produzierende Pflanze zunächst einmal eine Immunität gegen ihr eigenes Gift entwickeln. Außerdem würde die Zielpflanze durch die ständige Beeinflussung angeregt werden, auch eine Immunität gegen den Schadstoff zu entwickeln, sodass am Ende die ganzen Bemühungen der Gift produzierenden Pflanze umsonst gewesen wären.

Dieses Argument kann allerdings nur für geschlossene Ökosystem gelten. Wenn auch alle Pflanzen gegen die Gifte ihrer umgebenden Pflanzen resistent wären, so sind sie doch nicht immun gegen Schadstoffe anderer, fremder Pflanzen.
Bekanntes oder unbekanntes Gift
Genau hier setzten die Wissenschaftler um Bais an. Sie pflanzten die Flockenblume neben eine in Amerika heimische Art der Ackerschmalwand. Das von der Flockeblume ausgeschüttete Toxin (-)-Catechin löste eine Veränderung in der Genexpression der Ackerschmalwand aus, die zum Absterben der Wurzeln führte.

Das Wachstum und die Keimfähigkeit von europäischen Gräsern, die in der selben Versuchsanordnung eingesetzt waren, wurden nicht gestört. Interessanterweise war die von der Flockenblume abgegebene (-)-Catechin-Konzentration in der amerikanischen Erde zweimal so hoch wie in Europa. Trotzdem konnten die europäischen Gräser überleben.
Auch verwandte Arten werden nicht verschont
In einem zweiten Versuch wurden ein naher Verwandter, die "Sparrige Flockenblume", Centaurea diffusa, und eine Ackerschmalwand neben die Flockenblume gepflanzt. Beide Pflanzen zeigten die gleiche Reaktion: Zelltod, der zum Absterben der Wurzeln führt.

Diese Beobachtungen verstärken die These der unterschiedlichen Anfälligkeiten von Pflanzen gegen Phytotoxine und sind laut Bais gleichzeitig der Beginn einer "neuen Waffen-Hypothese" für den Erfolg von Pflanzeninvasoren.
Versuche zeigen: Tragende Rolle der Allelopathie
Denn aus der Gleichartigkeit der Reaktionen der beiden betroffenen Pflanzen kann ein generell gültiges Verhaltensmuster abgeleitet werden. So wurden in beiden Fällen eine große Anzahl von Genen, insgesamt 956, durch die (-)-Catechin-Behandlung in Mitleidenschaft gezogen. Einige von ihnen in einer erstaunlich hohen Geschwindigkeit.

Mit diesem Versuch scheint die tragende Rolle der Allelopathie bei der Einwanderung fremder Pflanzen bewiesen zu sein.
->   Institut für Gartenbau und Landschaftsarchitektur der Colorado State University
->   Mehr Information über die Flockenblume bei der North Dakota State University
Mehr zu diesem Thema im science.ORF.at-Archiv:
->   Eingewanderte Arten "flüchten" vor Parasiten (6.2.03)
->   Invasoren im Tier- und Pflanzenreich (18.2.03)
->   Global-Strategie gegen fremde Tier- und Pflanzenarten (11.7.01)
 
 
 
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01.01.2010