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Topforscher warnen: "Österreichs Wissenschaft in Gefahr"  
  Die heimische Wissenschaft ist derzeit Gegenstand einer Debatte über Budget und Finanzen. Nachdem erst am Mittwoch die Opposition vehement ein "100-Millionen-Notprogramm" für Universitäten und Forschung gefordert hatte, melden sich nun führende Wissenschaftler zu Wort: "Österreichs Wissenschaft ist in Gefahr", lautet ihre eindringliche Warnung. Auf den Plan gerufen hat die Forscher die 20-prozentige Budgetkürzung des Wissenschaftsfonds FWF.  
Vor der Gefährdung der österreichischen Wissenschaft warnten am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien Österreichs renommierteste Wissenschaftler wie der Physiker Anton Zeilinger und der Molekularbiologe Josef Penninger und bekundeten gleichzeitig ihre Solidarität mit dem Wissenschaftsfonds FWF.
FWF: 2003 fast 20 Prozent weniger
Dieser muss heuer mit einem um fast 20 Prozent geringeren Budget als im Vorjahr auskommen und sieht gleichzeitig seine Autonomie durch Pläne der Regierung zur Neuordnung der Forschungsförderungslandschaft bedroht.
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Wegfall von Sondermitteln
92,2 Mio. Euro standen dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung(FWF) im Vorjahr für die Förderung der Grundlagenforschung zur Verfügung, heuer sind es nur noch 75,9 Mio. Euro. Grund dafür ist der Wegfall von Sondermitteln im Jahr 2003, nachdem die erste Tranche an Forschungssondermitteln im Vorjahr ausgelaufen war und die nächste Tranche erst ab 2004 zur Ausschüttung kommt.
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Budgetmisere mit Folgen
Grafik: APA, Quelle: FWF
Gesamtbudget des FWF
Auf Grund dieser Budgetmisere konnte der Fonds in seiner Vergabesitzung im Juni kein einziges neues Projekt bewilligen und eine Aktion zur Verbesserung der Infrastruktur an Forschungsstätten musste beendet werden.

Die Wiener Biochemikerin Andrea Barta hatte in dieser Juni-Sitzung ein Projekt, das zurückgestellt wurde. "Von uns verlangt man internationale Spitzenforschung, doch drei oder vier Monate auf Geld zu warten ist für so eine Arbeit tödlich", sagte Barta.

Das bestätigte auch der Wiener Physiker Anton Zeilinger: In jenen naturwissenschaftlichen Bereichen, in denen Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zur Weltspitze aufgeschlossen habe, arbeite man in einem hoch kompetitiven Umfeld.

"Ein Kollege hat das einmal mit Haifischen verglichen: Man muss ununterbrochen in Bewegung sein, sonst geht man unter, aber um sich zu bewegen, braucht man Geld", sagte Zeilinger.
Auch Uni-Reform geht nicht ohne Geld
Die Uni-Reform sei eine gute Sache, meinte der Physiker, aber auch dabei werde es ohne Geld nicht gehen. "Sonst werden die Unis zwar gute Strukturen haben, aber nichts anfangen können damit", so Zeilinger.
Langfristige Finanzierung für FWF gefordert
Für den Fonds fordert Zeilinger eine langfristige Finanzierung auf konstant hohem Niveau. Andernfalls würden junge Leute entmutigt und ins Ausland abwandern.
FWF-Präsident: Auswirkungen auf Stellenmarkt
FWF-Präsident Georg Wick wies in diesem Zusammenhang auf die Auswirkungen der Budgetkürzungen auf den Stellenmarkt für junge Forscher hin: "Über unsere Förderung werden 2.000 Wissenschaftler-Stellen finanziert, man kann Forscher nicht Ende 2002 abdrehen und 2004 wieder aufdrehen", sagte Wick.
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Opposition fordert "100-Millionen-Notprogramm"
Sofortmaßnahmen für das laufende Jahr in Höhe von 100 Millionen Euro für die Universitäten und den FWF forderten am Mittwoch (10.9.03) die Oppositionsparteien von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) in einem Entschließungsantrag. Und auch die Arbeiterkammer (AK) Wien pochte auf ein "Sofortprogramm" für die heimischen Universitäten. Die Bildungsministerin wies die Forderungen zwar als zu hoch zurück, will aber mit Finanzminister Karl-Heinz Grasser über die steigenden Kosten verhandeln.
->   Mehr dazu in dem Artikel vom 10. September 2003
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Wissenschaftliche Stärken und Ausbildung in Gefahr
Bild: APA
Der Physiker Anton Zeilinger, der Chef des Wissenschaftsfonds (FWF), Georg Wick, und der Biotechnologe Josef Penninger (v.l.n.r.) im Rahmen der gemeinsamen Pressekonferenz.
Für den Wiener Biomediziner Rudolf Valenta sind durch die Budgetkürzungen einerseits jene wissenschaftlichen Stärken gefährdet, die man in den vergangenen Jahren aufgebaut hat - und andererseits die Ausbildung junger Forscher, das Entdecken guter Köpfe.

Der erst kürzlich aus Kanada nach Österreich zurückgeholte Biowissenschaftler Penninger weiß aus eigener Erfahrung, welche Auswirkungen solche Budgeteinbrüche haben. "In Kanada hat die Regierung plötzlich zwei Jahre kein Geld für junge Wissenschaftler zur Verfügung gestellt, das war absolut tödlich", erinnert er sich.
Für eine freie, nicht gelenkte Forschung
Penninger plädierte zudem für eine freie, nicht gelenkte Forschung. Große Firmen, die ihren Leuten vorschrieben, in welche Richtung sie forschen sollen, würden damit nichts erreichen. Die guten Ideen würden von jungen Wissenschaftlern kommen. "Man muss Forschung fördern, aber nicht lenken", sagte Penninger.
Unterschriftenaktion zur Wahrung der FWF-Unabhängigkeit
In einer vom Wiener Pharmakologen Michael Freissmuth initiierten Unterschriftenaktion haben bisher mehr als 1.500 Forscher für die Wahrung des Unabhängigkeit des FWF, eine adäquate finanzielle Ausstattung des Fonds und jährliche Steigerungen von dessen Budget plädiert.
Weitere Verhandlungen stehen an
Trotz aller Klagen ist Wick hoffnungsvoll, dass es noch zu einer Bereinigung der Budgetmisere kommt. Es gebe entsprechende Signale der zuständigen Ressorts (Infrastruktur- und Bildungsministerium).

Eine Verhandlungsrunde in dieser Sache mit Infrastrukturminister Hubert Gorbach (FPÖ) steht demnach am Donnerstag an. Prinzipiell hält Wick aber die Grundlagenforschung für kein politisches Thema. "Das ist eine Investition in die Zukunft und sollte aus allen politischen Diskussionen herausgehalten werden."
->   Der FWF
->   Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur
->   Ministerium für Verkehr, Innovation und Technologie
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Forschungsfonds gegen "überhastete" Förder-Reform (22.8.03)
->   Ernst Dorfi: Astronomische Forschung vor dem Abgrund? (21.7.03)
->   Gehrer: FWF muss frei und autonom bleiben (1.7.03)
->   Immer mehr Unis klagen über Budgetlage 2003 (27.6.03)
->   Forschungsförderung: Streit um Umstrukturierung (25.6.03)
->   Rektoren warnen vor "dramatischer Budgetsituation" (13.6.03)
->   Forschungsquote stagniert bei 1,96 Prozent des BIP (2.6.03)
 
 
 
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01.01.2010