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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Heftige Debatte: Steigt Temperatur der Troposphäre?  
  Die globale Erderwärmung gilt mittlerweile vielen Experten als Tatsache - doch es gibt auch Kritiker, die diesen Klimatrend bestreiten. Als Argument dienen ihnen unter anderem Berechnungen, denen zufolge sich die unterste Atmosphären-Schicht, die so genannte Troposphäre, in den vergangenen Jahrzehnten überhaupt nicht erwärmt hat. Eine neue Analyse kommt nun zum gegenteiligen Schluss: Demnach hat sich die Troposphäre sogar stärker erwärmt als die Erdoberfläche. Die Ergebnisse werden bereits heftig debattiert.  
Seit 1978 werden Satellitendaten über Temperaturveränderungen in der Erdatmosphäre gesammelt. Laut einer Analyse dieser Daten aus dem Jahr 1990 hat sich die Troposphäre, sie ist die unterste Schicht der Atmosphäre und erreicht eine Höhe von ca. acht bis elf Kilometern vom Erdboden aus, nicht signifikant erwärmt.

Im selben Zeitraum ist jedoch die Temperatur auf der Erdoberfläche Messungen zufolge um ca. 0,017 Grad Celsius pro Jahr gestiegen. Eine Diskrepanz, die manchen Wissenschaftlern und Politikern als Beweis dafür gilt, dass die vielbeschworene globale Erderwärmung gar nicht existiert.
Neue Analyse: Troposphäre erwärmt sich doch
Der Klimatologe Konstantin Vinnikov von der University of Maryland in College Park und der Physiker Norman Grody von der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) haben die Satellitendaten von 1978 bis 2002 nun neu analysiert - und kommen zu einem ganz anderen Ergebnis:

Demnach hat sich auch die Troposphäre erwärmt - und zwar pro Jahr um ganze 0,024 Grad. Die Temperatur in dieser Schicht der Atmosphäre sei also sogar schneller angestiegen als an der Erdoberfläche, lautet die Folgerung. Die Studie der beiden Wissenschaftler wurde in "Science Express" publiziert.

"Dieses Ergebnis bestätigt die Dringlichkeit für Maßnahmen gegen den Treibhauseffekt und sollte den Druck auf Politiker erhöhen. Vorrausgesetzt, diese Erkenntnis wird von der Forschungsgemeinde akzeptiert", kommentierte John M. Wallace von der University of Washington in Seattle die Studie in "Nature Science Update".
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Der Artikel "Global warming trend of mean tropospheric temperature observed by satellites" wurde in "Sciene Express" als Online-Vorabpublikation des Fachmagazins "Science" am 11. September veröffentlicht (doi:10.1126/science.1087910).
->   "Science Express"
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Zweifel an der Richtigkeit der Berechnungen
Die erhoffte Akzeptanz lässt allerdings auf sich warten. So kam eine Forschergruppe um Frank Wentz von Remote Sensing Systems in Santa Rosa (Kalifornien) zu dem Ergebnis, dass es lediglich einen sehr kleinen Temperaturzuwachs von etwa 0,01 Grad Celsius pro Jahr gibt.

John Christy und Roy Spencer von der University of Alabama dagegen - sie führten 1990 die ursprüngliche Analyse durch - kamen selbst nach neuerlichen Berechnungen zu dem Schluss, dass die Temperatur der Troposphäre in den letzten Jahren annähernd gleich geblieben ist.
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Die Schichten der Erdatmosphäre
Die Erdatmosphäre unterteilt man in einzelne Stockwerke, die Sphären. Die Einteilung erfolgt nach dem Temperaturverlauf. Im untersten Stockwerk, der Troposphäre, spielen sich alle Wettervorgänge ab. Sie reicht vom Erdboden bis in etwa 12 Kilometer Höhe und schließt mit der Tropopause ab. An die Troposphäre schließt sich die Stratosphäre an. Hier steigt die Temperatur wieder an, weil durch Ozon die ultraviolette Strahlung von der Sonne absorbiert, und damit Energie an die Luft abgegeben wird. Die Ozonschicht in der Stratosphäre ist daher ein wichtiger Schutzschild, der alle Lebewesen vor der zerstörenden Wirkung der Ultraviolettstrahlung abschirmt. An die Stratosphäre schließen die Schichten Mesosphäre und Thermosphäre an.
->   Der Aufbau der Erdatmosphäre (www.astronomie.de)
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Sinkende Umlaufbahn der Satelliten als Fehlerquelle?
Laut Roy Spencer wurde in der neuen Studie ein entscheidender Fehler begangen. Im Laufe der Zeit beginne die Umlaufbahn eines Satelliten zu sinken. Dadurch verringere sich die Entfernung zwischen der Erde und den an der Unterseite des Satelliten angebrachten Messinstrumenten.

Außerdem werde dadurch der Winkel mit dem die Sonnenstrahlen auf die Instrumente treffen verändert, eine stärkere Erwärmung durch die direktere Sonnenbestrahlung sei die Folge.

"Diese Ergebnisse spiegeln nur die stärkere Erwärmung des Satelliten durch die Sonnebestrahlung wieder. Andere Studien haben diese Tatsache berücksichtigt und kommen deshalb zu anderen Ergebnissen", erklärte Spencer. Die Universität von Alabama hat bereits eine Aussendung angekündigt in der sie die Studie von Vinnikov and Grody hart kritisieren will.
Troposhären-Erwärmung als zentrale Problematik
Doch sowohl Spencers Team als auch die Gruppe um Frank Wentz verwendeten den sich ändernden Satelliten-Orbit in ihren Berechnungen - und kamen dennoch zu deutlich unterschiedlichen Ergebnissen. "Die Kalibrierung der Messgeräte allein kann diesen Unterschied nicht erklären", widerspricht daher Norman Grody den Anschuldigungen. "Die Diskrepanz liegt in den Analysen selbst".

Zumindest in einem sind sich jedoch alle Beteiligten einig: In der Debatte um die globale Erderwärmung spielt das Problem der Troposhären-Erwärmung eine zentrale Rolle. Und die Auswertung von Satellitendaten ist der beste Weg, um diese Frage zu klären. Von einer Antwort ist man aber möglicherweise noch weit entfernt.
->   University of Maryland
->   National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA)
->   Remote Sensing Systems
->   University of Alabama
->   Mehr zum Thema "Klimaerwärmung" in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010