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Visualisierung der Wissenschaft - ein Wettbewerb  
  Die Darstellung wissenschaftlicher Daten ist strengen Standards unterworfen. Doch diese goldenen Standards vermögen nicht immer zu glänzen. Denn Tabellen, Statistiken und Formeln können zwar Aussagen präzisieren - den intellektuellen Kontext oder gar die Faszination des Gegenstandes können sie einer breiten Leserschaft nur selten vermitteln. Das Wissenschaftsmagazin "Science" und die US-amerikanische "National Science Foundation" haben daher einen jährlichen Wettbewerb ins Leben gerufen, der der Visualisierung wissenschaftlicher Inhalte gewidmet ist. science.ORF.at stellt die Gewinner des Jahres 2003 vor.  
Der Wettbewerb wurde in den Kategorien "Fotografie", "Illustration" und "Multimedia" abgehalten. Bei der Preisvergabe orientierte man sich nicht ausschließlich an ästhetischen Kriterien: Die Sieger-Bilder sind daher nicht nur schön, sondern haben allesamt spannende Geschichten aus der Welt der Wissenschaft zu erzählen.
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Der Artikel "Visualization and the Communication of Science" von Curt Suplee und Monica Bradford erschien im Wissenschaftsmagazin "Science" (Band 301, S.1473, Ausgabe vom 16.9.03). Die Gewinner des Wettbewerbs wurden auf den Seiten 1473-77 dargestellt.
->   Zum Original-Artikel (kostenpflichtig)
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Wissenschaft auf Erfolgskurs
Dass die moderne Wissenschaft im letzten Jahrhundert eine echte Erfolgsgeschichte hinter sich gebracht hat, wird kaum jemand in Abrede stellen. Zumindest wenn es um Erkenntnisse geht, die uns das Leben erleichtern - also etwa zur Existenz von CD-Playern, Flugreisen oder Bypass-Operationen geführt haben.
Vorwurf: Zu trocken, zu abstrakt
Andererseits gibt es den Standard-Vorwurf gegenüber der Wissenschaft, dass sie vor lauter Messen und Wägen auf die greifbaren und sinnlichen Dinge vergesse: Zu abstrakt, trocken und unanschaulich kämen die Botschaften der Forscher in den einschlägigen Magazinen daher.

Für die breite Masse sei das alles unverständlich - und was in den Labors der Forschungszentren wirklich vor sich gehe, bleibe daher einem elitären Zirkel von Fachleuten vorbehalten.
Visualisierungs-Wettbewerb soll Abhilfe schaffen
Ganz zu unrecht bestehen solche Ressentiments womöglich nicht. Denn Curt Suplee und Monica Bradford konstatieren in ihrem Artikel einen dringenden Aufholbedarf bei bildlichen Darstellungen:

Nackte Tabellen seien nicht genug, Wissenschaft müsse einem breiteren Leserkreis zugänglich gemacht werden, so die Forderung des Direktors der National Science Foundation (NSF) und der geschäftsführenden Herausgeberin von "Science".

Daher wurde von "Science" und NSF in diesem Jahr ein Wettbewerb zum Thema Wissenschafts-Visualisierung ins Leben gerufen, die besten der 297 Einsendungen wurden nun in der aktuellen Ausgabe von "Science" prämiert.
->   Slide-Show der Wettbewerbsgewinner (Science)
Fotografie: Tannenholz erzählt von Klimakatastrophe
 
Bild: Science

In der Kategorie "Fotografie" gewann eine elektronenmikroskopische Aufnahme von Dee Breger von der Columbia University. Das Bild stellt die Jahresringe der Jahre 535 bis 539 n. Chr. aus dem Kernholz einer mongolischen Tanne dar. Die deformierten Strukturen in der Bildmitte entstanden in den Jahren 536 und 537.

Sie verweisen auf einen katastrophenartigen Temperatursturz, der durch einen kurzfristigen Klimawandel ausgelöst wurde. Dieser geht möglicherweise auf einen Vulkanausbruch (evtl. ein Vorläufer des legendären Krakatoa) oder sogar einen Meteoriteneinschlag zurück.

Jurymitglied Thomas Lucas begründet, warum gerade diese Aufnahme den ersten Rang belegt hat: "Es ist ein winziges Fragment eines uralten Baumes - und trotzdem erzählt es eine Geschichte von globalen Dimensionen."
Fotografie: Meeressediment als Zeugnis biblischer Flut?
 
Bild: Science

Platz zwei in der Kategorie "Fotografie" fiel ebenfalls an Dee Breger: Die Aufnahme stellt Pyritkristalle innerhalb von Mikroplankton (einem so genannten Kalkflagellaten) dar. Die Probe stammt aus dem Sediment des Schwarzen Meeres und birgt ebenfalls Daten längst vergangener Ereignisse:

Denn die chemische Reaktion, die zur Bildung von Pyrit führt, tritt nur unter sauerstoffarmen Bedingungen im Meeressediment auf. Das bedeutet, dass der Boden des Meeres unbelebt war, als vor einigen tausend Jahren die Kalkflagellaten abgelagert und langsam von Pyrit-Kristallen ersetzt wurden.

Solche anoxischen Bedingungen könnten von einem plötzlichen Salzwassereinstrom aus dem Mittelmeer herrühren. Die Autoren in "Science" spekulieren sogar, dass es sich dabei um jene Flut gehandelt haben könnte, die zur alttestamentarischen Geschichte von Noah geführt habe.
Illustration: Visualisierung von Datenstrukturen
 
Bild: Science

In der Kategorie "Illustration" setzte sich eine Visualisierung von Adam Miezianko und drei weiteren Forschungskollegen von der University of Massachusetts durch. Das Bild zeigt ein dreidimensionales Interface, das auf Computern gespeicherte Informationen ordnet und organisiert.

Dabei werden die Inhalte der Ordner nicht nach deren räumlicher Position auf der Festplatte angeordnet, sondern vielmehr nach Maßgabe deren Inhalts. Jedes Radnetz markiert die Beziehungen zwischen einem geöffneten und seinen inhaltlich verwandten Ordnern.

Die Farben repräsentieren die hierarchische Ordnung im System: Rot und Blau stehen für Parent- bzw. Subdirectories, Gelb und Grau stellen andere Speicherorte dar. Wie Adam Miezianko betont, kann das Programm Beziehungen veranschaulichen, die in einem normalen zweidimensionalen Datenbaum nicht darstellbar wären.

Anwendungen sind bei allen hierarchischen Datenbanken - von Organisationstabellen in Unternehmen bis zu genetischen oder ökologischen Daten - möglich.
Multimedia: Eine Reise durch das Innenohr
 
Bild: Science

In der Kategorie Multimedia belegte schließlich das siebenminütige Video "Auditory Transduction" von Brandon Pletsch den ersten Platz. Pletsch programmierte seine Animation während seiner Studentenzeit am Medical College of Georgia, als er sich im Anatomiekurs mit dem menschlichen Hörapparat beschäftigte.

Das Video zeigt dem Betrachter ein dreidimensionales Modell des Innenohres, wobei die Funktionsweise der Signaltransduktion - also die Entstehung von Nervenimpulsen aus Schallwellen - anhand der Klänge von Beethovens neunter Symphonie veranschaulicht wird.

Auch hier war die narrative Qualität der Darstellung Hauptgrund für die Auszeichnung: "Es vermittelt die medizinischen Bilder in einer sehr verständlichen Art und Weise," so die Begründung von Jurymitglied Donna J. Cox.

Robert Czepel, science.ORF.at
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Literatur-Tipp
Weitergehende Betrachtungen zum Thema "Visualisierung der Wissenschaft" kann man im aktuellen Heft des österreichischen Wissenschaftsmagazin "heureka" nachlesen.
->   heureka 3/2003: "Sehen und Verstehen"
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Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
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01.01.2010