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Bioinformatik: Simulationen und Co für die Wissenschaft  
  Aus den modernen Biowissenschaften ist die Bioinformatik nicht mehr wegzudenken. Diese neue Disziplin ermöglicht unter anderem die Simulation chemischer Prozesse, die Strukturanalyse von Gen- und Proteinsequenzen und die Visualisierung chemischer Strukturen. Der Lebensmittel- und Biotechnologe Albert Karsai beschreibt in einem Gastbeitrag für science.ORF.at in Kooperation mit "dialog<>gentechnik" die Bedeutung der Bioinformatik für Wissenschaft und Forschung.  
Bioinformatik
Von Albert Karsai, dialog<>gentechnik

Mai 2003: Ein internationales Wissenschaftler-Konsortium veröffentlicht die (vorläufig) endgültige Version des entschlüsselten menschlichen Genoms.

Mehr als ein Jahrzehnt arbeiteten Forschergruppen an kleinen Stücken des Genoms, um die Ergebnisse laufend in große Datenbanken einzuspeisen und schlussendlich die einzelnen Mosaiksteinchen zu einem großen Gesamtbild zusammenzufügen. Das Ergebnis stellt einen Triumph dar für ein weltweites konzertiertes Vorgehen in der Biowissenschaft.
Keyboard und Maus statt Reagenzgläsern und Chemikalien
Ein Chemiker sitzt in seinem Zimmer und prüft einige interessante Substanzen. Statt Reagenzgläsern und Chemikalien verwendet er für seine Arbeit Tastatur und Maus.

Bunte Moleküle erscheinen am Bildschirm, rotieren um die eigene Achse und vereinigen sich zu komplexen Verbindungen. Auf Knopfdruck errechnet das Programm wichtige Eigenschaften der gebildeten Substanz. Das Laborexperiment kann beginnen.
Vernetzte Suche
Ein Humangenetiker hat in jahrelanger Kleinarbeit ein neues Gen isoliert. Die Funktion dieses Gens ist noch unbekannt, doch erfindet die Natur das Rad nicht jedes Mal aufs Neue. Der Forscher ruft eine internationale Gendatenbank auf und vergleicht die gefundene Gensequenz mit denen anderer Organismen, die bereits veröffentlicht wurden.

Das Suchprogramm findet eine Sequenz im Mausgenom, die der gesuchten zu 95 Prozent ähnelt. Es handelt sich um ein Enzym, das eine wichtige Rolle beim Fettstoffwechsel spielt.
Eine neue Wissenschaftsdisziplin
Aus den modernen Biowissenschaften ist die Informatik nicht mehr wegzudenken. Immer größere Datenmengen müssen verwaltet werden und das Auffinden von Informationen wäre ohne die Hilfe computergestützter Verfahren viel zu aufwendig. Daher ist es nur logisch, dass sich in den letzten 15 Jahren eine neue Wissenschaftsdisziplin entwickelt hat - die Bioinformatik.

Die Bioinformatik kann jedoch viel mehr, als bloß in riesigen Datenmengen die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen zu finden: Die Anwendungsgebiete umfassen zum Beispiel die Simulation chemischer Prozesse, die computergestützte Herstellung von Substanzen, die Strukturanalyse von Gen- und Proteinsequenzen, die Visualisierung chemischer Strukturen bis hin zur Auswertung von Sensor- oder optischen Daten mit Methoden der Mustererkennung (z.B. Biochips).

Zusammengefasst entwickelt die Bioinformatik Algorithmen und Software, mit denen man biochemische Prozesse simulieren und molekularbiologische Daten analysieren kann.
Die Entwicklung eines neuen Medikamentes
Stellen wir uns einmal vor, ein Biochemiker möchte ein Medikament gegen eine bestimmte Krankheit herstellen. Mit Hilfe so genannter "metabolischer Netzwerke" lassen sich Stoffwechselvorgänge im Computer simulieren.

Die Analyse ergibt einen vielversprechenden Angriffspunkt ("Target") für eine Therapie. Bei diesen Angriffspunkten handelt es sich meistens um ein Enzym, das einen bestimmten Stoffwechselschritt vollzieht. Nun kann ein Wirkstoff entwickelt werden, der das Enzym in einer Weise beeinflusst, dass die Krankheit - ohne nennenswerte Nebenwirkungen - abklingt.
Von "in vivio" zu "in silico"
Selbstverständlich kommt hiefür auch eine breite Palette verschiedener molekularbiologischer Verfahren zum Einsatz. Das Entwickeln und Austesten von Substanzen passiert zum überwiegenden Teil im Labor-Experiment.

Die Bioinformatik vereinfacht bzw. ermöglicht jedoch bestimmte Arbeitsschritte und spart dadurch wertvolle Ressourcen. Das "in vitro"- und "in vivo"-Experiment wird um das "in silico"-Experiment ergänzt.
Das European Molecular Biology Network
Vorhaben wie jenes des internationalen Genomforschungsprogramms werden erst durch weltweite Daten-Netzwerke möglich. Ein solches Netzwerk ist das European Molecular Biology Network (EMBnet), das seit 1988 besteht und fortlaufend ausgebaut wurde.

Aufgebaut ist dieses europäische Äquivalent zur amerikanischen "Genbank" aus nationalen "Knoten". Der österreichische Knoten wurde 1993 ins Leben gerufen und ist am Vienna Biocenter der Universität Wien lokalisiert. Wissenschaftler erhalten dadurch kostenlosen Zugang zu wichtigen Datenbanken und einschlägiger Software.
->   Albert Karsai über das EMBnet Austria
Ein virtuelles Labor als Pilotprojekt
Auch im Rahmen des österreichischen Genomforschungsprogramms GEN-AU nimmt die Bioinformatik eine wichtige Rolle ein. Wissenschaftler der TU Graz unter der Leitung von Zlatko Trajanoski arbeiten an der Errichtung eines Bioinformatik-Integrationsnetzwerkes (BIN) mit dem Ziel, den GEN-AU-Forschungsgruppen die Infrastruktur und Expertise für computergestützte Anwendungen zur Verfügung zu stellen.

Dieses virtuelle Labor ist ein Pilotprojekt - nur unter den finanziellen Rahmenbedingungen, wie sie GEN-AU bietet, ist solch ein ehrgeiziges Projekt vernünftig realisierbar. "Unter einer Million Euro ist ein Vorhaben dieser Größenordnung nicht machbar. Die üblichen Forschungsförderungen reichen hierfür einfach nicht¿, so Trajanoski.
->   Albert Karsai über die Bioinformatik-Gruppe Graz
->   GEN-AU
->   dialog<>gentechnik
->   Mehr Beiträge von dialog<>gentechnik in science.ORF.at
->   www.innovatives-oesterreich.at
 
 
 
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01.01.2010