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"Abfallprodukt" beim Bierbrauen als pharmazeutisches Präparat  
  Bier ist mehr als nur ein Durstlöscher an heißen Tagen. Es enthält - in geringen Konzentrationen - auch eine Reihe von pharmakologisch interessanten Wirkstoffen. Diese Substanzen werden bei der Filterung des Bieres stark angereichert. Nun arbeiten österreichische Pharmazeuten und Mikrobiologen der Universität für Bodenkultur in Wien an der Entwicklung eines Verfahrens, um aus diesen Filterrückständen ein pharmakologisch wirksames Produkt herzustellen.  
Das Projekt "Aufarbeitung von Filterrückständen bei der Bierherstellung zur Gewinnung einer innovativen pharmazeutischen Substanz" läuft im Rahmen der Programmlinie "Fabrik der Zukunft" des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie bis 2005.
->   Fabrik der Zukunft
Filterung mittels Ionenaustauscher
Bei einer neuen Art der Bierfiltration wird das fertige Bier vor der Abfüllung über einen Ionenaustauscher gepumpt, um einen optimalen Kläreffekt zu erreichen. Durch die hohe Trennleistung werden auch die Auslöser des so genannten Kühltrubs entfernt, die bei unsachgemäßer Lagerung des Bieres eine unerwünschte Trübung hervorrufen können.

Nach einer bestimmten Standzeit muss der Ionenaustauscher regeneriert werden. Dieses Regenerat muss im Normalfall entsorgt werden. Doch diese Filterrückstände enthalten Hopfen- und Malzbestandteile, so genannte polyzyklische Verbindungen, die auf den Steroidstoffwechsel wirken und in großen Mengen eine pharmakologische Wirkung aufweisen können.
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Hormonelle Substanzen im Bier
Die hormonähnliche Wirkung von Bier und speziell von Hopfen ist seit langem bekannt. Für diesen Effekt werden Isoflavone aus der Braugerste und 8-Naringenylprenin aus dem Hopfen verantwortlich gemacht. Zusätzlich sind noch eine Reihe anderer hormoneller Substanzen im Bier vorhanden, deren chemische Struktur jedoch noch nicht aufgeklärt ist.
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"Leitsubstanzen" in den Filterrückständen
Insgesamt enthalten die Filterrückstände mehrere hundert einzelne Substanzen. Mit chemischen (Kapillarelektrochromatographie, Massenspektroskopie) und biologischen Untersuchungen wollen die Forscher "Leitsubstanzen", die pharmakologisch interessant sind (Wirkung auf Steroidhormonrezeptoren, Transaktivierung von Enzymen), definieren.
Nachweis der Wirkung plus weitere Tests
Die verschiedenen Wirkungen müssen in entsprechenden In-vitro-Tests nachgewiesen werden, ergänzt durch toxikologische und mikrobiologische Untersuchungen sowie Bestimmungen des allergenen Potentials.

Mit Hilfe von Trennungsmethoden sollen die Leitsubstanzen im Regenerat angereichert und konzentriert und dann eine entsprechende Pilotanlage entwickelt werden.
Neue Wertsubstanz aus "Abfallprodukt"
Die konzentrierte Form hochwirksamer Substanzen des Ionenaustauscher-Regenerates - eigentlich ein "Abfallprodukt", das im Normalfall entsorgt werden muss - liefert schließlich die Basis für ein Nahrungsmittelergänzungsprodukt oder ein pharmakologisch wirksames Präparat mit einem sehr breiten Wirkungsspektrum z. B. gegen Akne, in den Wechseljahren oder bei Magen-Darm-Beschwerden.
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Flüssig, hoch konzentriert und lagerfähig
Dieses Regenerat fällt in flüssiger Form, sehr konzentriert und mit hohem Salzgehalt an, ist daher lagerfähig und muss nicht vor Ort verarbeitet werden. Der daraus gewonnene neue Wertstoff soll als festes rieselfähiges Pulver vorliegen.
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Neues Konzept auch für andere Bereiche

Die Herstellung des neuen Präparates ist in wirtschaftlich interessanten Größenordnungen möglich, da das "Abfallprodukt" in größeren Mengen anfällt. Derzeit kann es auf das 20-Fache aufkonzentriert werden, die Konzentrierung der wertvollen Substanzen im Regenerat soll aber noch gesteigert werden.

Als Projektergebnis soll aber nicht nur die gewinnbringende Verwertung eines wertvollen Abfallproduktes vorliegen.

Das im Rahmen des Projekts entwickelte Konzept und die Technologie für die Aufbereitung der in den Filterrückständen vorhandenen hochpotenten Substanzen können nach entsprechenden technischen Adaptierungen auch in anderen Bereichen der Lebensmittel- und Naturstoffindustrie nachhaltig angewendet werden.

Silvia Anner
->   www.innovatives-oesterreich.at
->   Institut für Angewandte Mikrobiologie, Universität für Bodenkultur
->   Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie
Mehr zu Bier in science.ORF.at:
->   Warum das Licht dem Bier nicht bekommt (19.10.01)
 
 
 
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01.01.2010