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ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Vulkanausbruch hinterlässt Spuren im Schildkröten-Erbgut  
  Die Evolution ist nicht nur eine Geschichte der fortwährenden Anpassung von Lebewesen, sondern mindestens ebenso von Katastrophen und Massensterben. Eine aktuelle Untersuchung an Galapagos-Schildkröten liefert ein Lehrbuchbeispiel dieser Tatsache: Amerikanische Wissenschaftler fanden heraus, dass die gepanzerten Reptilien in ihrem Erbgut die Spuren eines Vulkanausbruchs tragen, der vor etwa 100.000 Jahren fast zur Auslöschung der gesamten Population geführt hat.  
Wie Luciano B. Beheregaray und seine Kollegen von der Yale University in New Haven berichten, weist jene Schildkröten-Gruppe, die am Fuße des Alcedo-Vulkans lebt, im Vergleich zu den anderen ansässigen Panzerechsen eine stark verminderte genetische Diversität auf. Dieser Umstand lässt sich am besten durch ein Massensterben in längst vergangener Zeit erklären.
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Der Artikel "Genes Record a Prehistoric Volcano Eruption in the Galapagos" von Luciano B. Beheregaray und Mitarbeitern erschien im aktuellen Heft des Wissenschaftsmagazins "Science" (Band 302, S.75, Ausgabe vom 3.10.2003).
->   Science
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Evolution - eine Abfolge von Katastrophen
Dass Katastrophen den Lauf der Naturgeschichte maßgeblich beeinflusst haben, kann man schon allein daran ersehen, wie Paläontologen die verschiedenen Erdzeitalter einteilen:

So ist etwa die zeitliche Grenze zwischen Perm und Trias oder auch zwischen Kreide und Tertiär nicht willkürlich gewählt, sondern geht auf so genannte Faunenschnitte - abrupte Wechsel der vorherrschenden Tiergruppen in den geologischen Zeugnissen der Evolution - zurück.
Krisen auch im kleinen Maßstab
Diese wurden von Katastrophen ausgelöst, die das Leben auf der Erde mit bisweilen brutaler Heftigkeit heimgesucht haben. Doch es waren nicht nur Ereignisse globaler Dimension - wie etwa der klassische Asteroideneinschlag vor 65 Millionen Jahren:

Auch im kleinen Maßstab ist die Naturgeschichte voller Krisen, die Tier- oder Pflanzenarten durchzustehen hatten.
->   Alles zum Stichwort Massensterben in science.ORF.at
Homo sapiens am Rande des Aussterbens?
Glaubt man den Aussagen eines Russisch-Amerikanischen Forscherteams, dann ist auch die menschliche Spezies in ihrer Geschichte nur ganz knapp an der Auslöschung vorbeigeschrammt.

Wie science.ORF.at berichtete, publizierte eine Gruppe um den Genetiker Lev A. Zhivotovsky im Juni eine Studie, die nahe legte, dass die gesamte Menschheit vor 70.000 Jahren auf rund 2.000 Personen geschrumpft war.
->   Als die Menschheit vor dem Aussterben stand (10.6.03)
Schildkröten mit einem Bein im Grab
 
Bild: Claudio Ciofi

Mindestens ebenso schlimm erging es einer bestimmten Art von Riesenschildkröten auf den Galapagos-Inseln, wie eine soeben erschienene Publikation zeigt:

Der Evolutionsgenetiker Luciano B. Beheregaray und seine Mitarbeiter berichten im Wissenschaftsjournal "Science", dass die Panzerechsen mit dem Namen Geochelone nigra vandenburghi vor rund 100.000 Jahren gewissermaßen mit einem Bein im Grab standen - aber dann doch überlebt haben.
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Lebensraum auf vulkansicher Galapagos-Insel
Diese Population lebt am Rande des Alcedo-Vulkans auf der Galapagos-Insel Isabela. Die Insel nennt noch eine Reihe anderer Vulkane ihr eigen und auch dort leben Schildkröten der selben Art, die aber genetisch und morphologisch voneinander zu unterscheiden sind.
->   Mehr zu Alcedo (Cornell University)
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Genetische Diversität stark reduziert
Bild: Michel C. Milinkovitch
Beheregaray und sein Team verglichen drei der Populationen anhand ihrer mitochnondriellen DNA und machten eine interessante Entdeckung:

Während die zwei Gruppen von den Gebieten um die Vulkane Sierra Negra und Cerro Azul eine ähnlich hohe genetische Diversität aufwiesen, war jene der Alcedo-Population um das drei-bis fünffache geringer.

Anhand eines speziellen statistischen Tests konnten die Forscher zeigen, dass die fehlende Diversität auf eine drastische Abnahme der Individuen in Geschichte der Alcedo-Gruppe zurückgeht.

Was liegt näher als anzunehmen, dass dieser - wie Populationsgenetiker sagen: "Flaschenhals-Effekt" durch einen Vulkanausbruch ausgelöst worden sein könnte?
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Flaschenhals-Effekt
Als Flaschenhalseffekt ("bottleneck effect") bezeichnet man die Gendrift, die auftritt, wenn die Anzahl der Individuen einer Fortpflanzungsgruppe stark reduziert wird. Dabei wird die natürliche genetische Variation auf einen Bruchteil ihrer ursprünglichen Größe herabgesetzt.

Mit anderen Worten, dem Genpool der Population gehen gewisse Gene (bzw. Allele) durch Zufassdrift verloren. Dies kann später - wie auch im vorliegenden Fall - durch einen hohen Grad an Homozygotie abgelesen werden.
->   Mehr dazu (Wikipedia)
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Alcedo-Vulkan: Explosive Vergangenheit
Und tatsächlich weiß man aufgrund geologischer Untersuchungen, dass der Alcedo-Vulkan äußerst explosive Ausbrüche erlebt hat. Die wichtigste und heftigste dieser Eruptionen ereignete sich vor ca. 100.000 Jahren.

Dabei wurden mehr als 3,4 Kubikkilometer vulkanischen Materials auf der Insel verteilt und der Lebensraum der Riesenschildkröten meterweise mit heißem Bimmstein bedeckt.
Inferno ist an den Genen abzulesen
Dieses Inferno haben offensichtlich nur wenige Individuen überlebt. Die paar Glücklichen unter den Schildkröten dürften dann die Gründerväter bzw. -mütter der heute lebenden Alcedo-Population gewesen sein.

Um diese Interpretation abzusichern, wandten die amerikanischen Forscher auch eine Methode an, mit der sich das Alter der letzten gemeinsamen Vorfahren der untersuchten Gruppen bestimmen lässt. Diese bestätigte die Hypothese: Der tödliche Vulkanausbruch ist bis heute dem Erbgut der Echsen eingeprägt.

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Yale University (Dep. Ecology & Evolution)
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
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01.01.2010