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Position zur Biopatent-Richtlinie  
  Position des "Forum österreichischer Wissenschaftler für Umweltschutz" zur derzeit geplanten Umsetzung der Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, kurz "Biopatent-Richtlinie".  
Die Richtlinie 98/44/EC enthält Widersprüche, Rechtsunsicherheiten sowie Unklarheiten und widerspricht ethischen Grundsätzen. Anstatt der intendierten Harmonisierung der Rechtsvorschriften in den EU-Ländern schafft sie rechtliche Grauzonen. Eine umfassende Revision ist deshalb unumgänglich.

Die vorgesehenen Patentierungsmöglichkeiten widersprechen dem Abkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt (CBD) nach dem die genetischen Ressourcen allen Menschen frei zugänglich sein müssen.

Dieser Widerspruch zwischen TRIPS (Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums) und CBD ist Gegenstand internationaler Verhandlungen in deren Rahmen auch Organisationen wie die WHO eine Revision fordern.
Zu den Kritikpunkten im Einzelnen:
Gene und Gensequenzen sowie ihre natürliche Funktion können entdeckt, keineswegs aber erfunden werden.
Eine Erteilung sog. "Stoffpatente" auf Gene und Gensequenzen ist nicht angebracht. Erstens handelt es sich bei der Sequenzierung von Genen um Entdeckungen und zweitens ist die DNS als Trägerin der Erbinformation mehr als nur eine chemische Substanz!
Die Richtlinie (Art. 5, Abs. 1) sieht zwar vor, dass menschliche Gene, Gensequenzen sowie alle Bestandteile des menschlichen Körpers nicht patentierbar sind, aber nur solange sie im natürlichen Zusammenhang vorliegen.

Ein isolierter Bestandteil bzw. ein durch ein technisches Verfahren gewonnener Bestandteil soll aber sehr wohl eine patentierbare Erfindung darstellen (Art. 5, Abs. 2). Ein technisches Verfahren in Zusammenhang mit einem Gen rechtfertigt nicht, dieses in die patentierbare Erfindung einzubeziehen.
Es muss sichergestellt werden, dass
Bestandteile von Lebewesen, einschließlich ihrer Gene und Gensequenzen nicht patentierbar sind, auch wenn sie durch technische Verfahren gewonnen bzw. isoliert werden.

Die Patentierbarkeit von Genen und Gensequenzen hat auch negative Auswirkungen auf die Forschungssituation, insbesondere im medizinischen Bereich.
Widersprüche
Das vielfach zitierte "Forschungsprivileg" im geltenden Patentrecht und der "Biopatent-Richtlinie", dem gemäß die Forschung an einem patentgeschützten Gegenstand nicht unter den Patentschutz fällt, führt sich durch die Unmöglichkeit der kommerziellen Verwertung der Forschungsergebnisse ad absurdum.

Die derzeit übliche Praxis der Vergabe von Patenten auf Gene zeigt bereits jetzt deutliche negative Auswirkungen auf die aktuelle Forschungssituation, wie am Beispiel der Patentierung zweier Brustkrebsgene in den USA ersichtlich wird.
Behinderung durch Patente
Das Patent der US Firma Myriad Genetics Inc. enthält verschiedene Genmutationen, die typisch sind für erbliche Brustkrebs-Erkrankungen. Weiters schließt es Diagnoseverfahren sowie die Rechte zur Verwendung des Gens zur Therapie und Herstellung von Arzneimitteln ein.

In der EU existieren für die Untersuchung der Brustkrebsgene BRCA1 und BRCA2 zwar effektiverer und kostengünstigere Testverfahren als in den USA, diese werden aber durch die amerikanischen Patente stark beeinträchtigt.

Bezüglich der Zukunft der medizinischen Forschung ist zu befürchten, dass der umfassende Patentschutz auf menschliche Gene das Potenzial zur Entwicklung neuer Behandlungs- und Heilverfahrendurch mögliche Monopolbildungen behindert.
Es muss klargestellt werden, dass
Patente nur auf Verfahren und einzelne Verfahrensschritte mittels biotechnologischer Methoden zur Herstellung etwa von Medikamenten erteilt werden.

Unsicherheiten schafft auch Artikel 6 der Richtlinie, in dem die Verwendung von menschlichen Embryonen für kommerzielle und industrielle Zwecke zwar als nicht patentierbar erklärt wird, aber der Begriff "menschlicher Embryo" nicht näher definiert ist. Nachdem in den einzelnen Ländern der Gemeinschaft dazu bereits unterschiedliche Definitionen vorliegen, ist es notwendig diese zu vereinheitlichen, um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden.

Praktisch nicht umsetzbar ist die Bestimmung, wonach Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren nicht patentierbar sind, durch die den Tieren Leid ohne wesentlichen medizinischen Nutzen für den Menschen zugefügt wird (Art. 6, Abs. 2, Pkt. d). Ein "wesentlicher medizinischer Nutzen" für den Menschen ist nicht definiert (beginnt dieser bereits bei einem Schnupfenmittel?). Um Tierleid zu verhindern, ist dieser Artikel wesentlich strenger und klarer zu definieren.
Gefahr der Anmeldung strategischer Patente!
Ein Stoffpatent ermöglicht es, auf alle Informationen und Funktionen, die mit einem "Stoff" in irgendeiner Weise verknüpft sind, auch wenn diese zum Zeitpunkt der Patentanmeldung noch nicht bekannt sind, ein Patent anzumelden. Ein Gen hat aber mehr an Informationsgehalt als bei der Bestimmung der Nukleotid-Sequenz im Patentierungsprozess bekannt ist und beschrieben wird.
Es ist klar zu regeln, dass
kein Patent auf Gene oder Gensequenzen erteilt wird.

Es reicht nicht aus, wie in der Richtlinie ausgeführt (Art. 4), lediglich Pflanzensorten und Tierrassen von der Patentierbarkeit auszuschließen.
Es muss klargestellt werden, dass
Pflanzen und Tiere generell nicht patentierbar sind. Im Falle von Pflanzen sollte der Sortenschutz ausreichend sein.
Zusammenfassung der Forderungen des Forum Österreichischer Wissenschaftler für Umweltschutz
Kein Patent auf Lebewesen sowie deren Bestandteile einschließlich Gene und Gensequenzen

Patente nur auf Verfahren und Verfahrensschritte

Die Richtlinie 98/44/EC ist wesentlich exakter und konkreter abzufassen. Insbesondere sind die begrifflichen Bestimmungen im Artikel 6 genauer zu definieren, um die kommerzielle und industrielle Verwertung von menschlichen Embryonen sowie Tierleid durch gentechnische Veränderungen zu verhindern.

Anderen europäischen Staaten folgend sollte keinesfalls die Richtlinie wie vorliegend umgesetzt und Stoffpatente ermöglicht werden.

Vor einer Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht, raten wir zu einem umfassenden interdisziplinären und internationalen Diskussionsprozess zur Klarstellung oben angeführter Kritikpunkte sowie zur Revision der Richtlinie und Verankerung der notwendigen Änderungen auch im nationalen Patentgesetz, wie dies auch in anderen Staaten gefordert wird.
 
 
 
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01.01.2010