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Straßentunnel sind unzureichend beleuchtet  
  Die Helligkeit in Straßen-Tunnels müsste um ein Fünf- bis Zehnfaches höher sein, um darin durchgehend ungestört sehen zu können. Zu diesem Ergebnis kommen Experten des Lichtlabors Bartenbach in Aldrans bei Innsbruck. Seit 18 Monaten sind sie damit beschäftigt, Konzepte für Beleuchtungssysteme zu erarbeiten, um optimale Lichtverhältnisse in den meist recht düsteren Röhren zu schaffen.  
Die Tiroler Beleuchtungsexperten haben auch erstmals Erkenntnisse aus wahrnehmungspsychologischen Tests in ihre technischen Ideen einfließen lassen.
Experimente am Modell
Lichtfarbe und Lichtintensität verändern die Helligkeit in einem Tunnel ebenso, wie unterschiedliche Fahrbahnbeläge, Wand- und Deckenstrukturen, die das Licht unterschiedlich stark reflektieren. In eigens angefertigten Modellen werden diese Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Materialien und Leuchten studiert.
Mittelhelle Bodenbeläge, schmutzabweisende Anstriche
Bild: ORF
Die optimal beleuchtete Tunnelröhre
Bei den Versuchen haben sich z. B. mittelhelle Bodenbeläge als am günstigsten erwiesen, weil die Verteilung des Lichts damit auch bei zunehmender Verschmutzung am gleichmäßigsten bleibt. Dazu trägt eine hohe Abriebsfestigkeit der Fahrbahn bei.

Die Wände und Decke sollen mit hellen, schmutzabweisenden Anstrichen versehen werden und auf jeden Fall mitbeleuchtet werden. Auf diese Weise wird der Raum als Ganzes wahrgenommen und die Orientierung in der Röhre fällt wesentlich leichter. Bisher müssen sich die Autofahrer hauptsächlich an Mittelstreifen oder seitlichen Begrenzungslinien "entlanghanteln".

Im "Modell de luxe" ist die Tunnelröhre mit mattem Alu ausgekleidet. Es lässt Wände und Decke in den Hintergrund treten, der Raum verliert an bedrückender Enge. Selbst Klaustrophobiker könnten sich hier wohlfühlen.
Unzureichende Beleuchtung
Manche Tunnel in Österreich sind immer noch völlig unbeleuchtet. Aber auch viele beleuchtete schaffen kaum ausreichende Sehverhältnisse. Oft werden gelblich leuchtende Natriumdampflampen eingesetzt, die eine sehr schlechte Farbwidergabe aufweisen. Die Farbe rot etwa, wird mehr als Grau wahrgenommen.

Die Lichtexperten in Aldran setzen deshalb auf eine neutralweiße Lichtfarbe. Solche Lampen haben nicht nur eine viermal längere Lebensdauer, sondern sie lassen Farben auch unverfälscht erkennen. Ein wesentlicher Vorteil, wenn es darum geht die Infrastruktur im Tunnel, wie Feuerlöscher, farblich gekennzeichnete Pannenbuchten oder Hinweisschilder gut und schnell zu erkennen.
Blendungsfreie Lampen
Durchgehende Lichtbänder schaffen darüber hinaus ein flackerfreies Licht, das auch die ständigen Licht-Schatten-Wechsel im Cockpit der Autofahrer verschwinden lässt. Zudem haben die Techniker ihre Leuchten blendungsfrei gemacht.

Neuartige Vertikallamellen machen dies möglich. Sie reduzieren die Eigenhelligkeit der Lampen und verteilen das Licht gleichmäßig im ganzen Raum. Auf diese Weise wird auch die sogenannte vertikale Beleuchtungsstärke erhöht. Weil dadurch die Autos auch von hinten gut sichtbar werden, erleichtert dies den Fahrzeuglenkern Abstände und Geschwindigkeiten richtig einzuschätzen - was in düsteren Röhren besonders schwierig ist.
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Die Leuchtdichte
Leuchtdichte oder Helligkeit wird in Candela gemessen. Anders als die Leuchtstärke, die in Lux ausgedrückt wird, sagt die Leuchtdichte etwas darüber aus, wie stark ein Objekte das Licht reflektieren kann.
Anders gesagt: Die Leuchtdichte ist die vom Auge wahrgenommene Helligkeit eines Objekts. In Tunneln herrschen derzeit meist zwischen 0,5 bis zwei Candela pro Quadratmeter. Die von den Technikern des Lichtlabors angestrebten Helligkeiten in Tunnels sollen zwischen 15 und 30 Candela liegen.
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Test am lebenden Objekt
Weil an den statischen Modellen nicht getestet werden kann, wie die Beleuchtungssysteme auf einen Menschen wirken, der im Auto durch einen Tunnel braust, müssen sie auch unter dynamischen Verhältnissen überprüft werden.

Dazu werden Testpersonen zwei Filme vorgespielt, die jeweils eine Fahrt mit siebzig Stundenkilometern durch zwei etwa vier Kilometer lange, unterschiedlich beleuchtete Tunnel simulieren.
Wahrnehmungspsychologische Erkenntnisse
Auf den Tunnelwänden und der Fahrbahn werden den Probanden abwechselnd vier in unterschiedliche Richtung geöffnete Ringe präsentiert. Diese so genannten Landot¿schen Ringe sind ein standardisiertes Instrumentarium aus der Wahrnehmungspsychologie.

Immer wenn die Testperson einen in Fahrtrichtung oder nach unten geöffneten Ring im Tunnel erkennt, muss sie auf einen Knopf drücken. Auf diese Weise werden Scharfsehen, Farbsehen, Kontrastsehen, Tiefensehen und Bewegungssehen gemessen.

Alle diese Parameter spielen bei einer Tunneldurchfahrt eine große Rolle und variieren je nach Beleuchtung und Helligkeit im Tunnel. Um den Einfluss der verschiedenen Helligkeiten auf die Sehleistung der Testpersonen zu erheben, wird bei ihnen während der Testaufgaben einerseits der Hautwiderstand gemessen wird, also ihre Schweißdrüsen-Tätigkeit, andererseits die Anspannung ihrer Stirn. Alles das zeigt, wie groß für die Testperson der sogenannte "visulle Stress" während der simulierten Tunneldurchfahrt ist.
Erhellende Ergebnisse
Die Ergebnisse sind eindeutig: In einem düsteren Tunnel wird bestenfalls jeder zweite Ring richtig erkannt. Der Stress steigt im Vergleich zu den hellen Tunnels um das Zwei-bis Dreifache an. Je weniger das Licht zudem flackert und je geringer die Monotonie, desto höher und konstanter sind Sehleistung und Reaktionsfähigkeit der Probanden. Die objektiven Ergebnisse stimmen auch mit dem subjektiven Wohlbefinden der Testpersonen im Tunnel überein. Darüber gibt ein abschließender Fragebogen Aufschluss.

Besonders gut wurde ein Tunnel angenommen, bei dem die Wände abwechselnd in rot, grün und blau gestrichen sind und bei dem die Beleuchtung aus durchgehenden flackerfreien Lichtbändern besteht. Die wechselnden Farben an den Wänden nehmen dem Tunnel die Monotonie, die Probanden konnten sich länger und besser konzentrieren und ihre Sehaufgaben besser erfüllen.
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Relativer Preis
Derzeit werden nur etwa drei Prozent der Gesamtkosten einer Tunneleinrichtung für die Beleuchtung veranschlagt. Die verbesserten Beleuchtungssysteme würden die Kosten auf rund fünf Prozent erhöhen. Auch die Betriebskosten würden aufgrund der stärkeren Leuchten steigen. Doch die Verteuerung ist relativ. Denn die Lebensdauer der Lampen ist nicht nur viermal länger, ihre Wartung wäre auch einfacher und damit billiger. Größere Helligkeit erhöht zudem die Sicherheit. Daher könnte die Anzahl der Unfälle mitsamt deren Folgenkosten sinken.
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Lichte Aussichten
Obwohl Unfälle in Tunneln im Vergleich zur Gesamtanzahl von Unfällen mit Personenschaden relativ selten sind - im Jahr 2002 waren es nach Angaben des ÖAMTC 43.175 insgesamt und 223 in Tunneln - so gehen die Unfälle in Tunneln doch meist mit besonders schrecklichen Szenarien einher und verursachen oft immense Folgekosten.

Dennoch wird bisher auf die Helligkeit bei der Beurteilung von Tunneln weniger Wert gelegt. Im Vordergrund stehen vielmehr Verbesserungen von Brandschutzeinrichtungen, Verkehrs- und Überwachungsmaßnahmen, Flucht- und Rettungswege.

Die Tunnelstudie des Lichtlabors Bartenbach in Aldrans wird nun im Rahmen des "Kompetenznetzwerks Licht" durchgeführt und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit sowie der Tiroler Zukunftsstiftung gefördert. Eines ihrer neuen Beleuchtungs-Konzepte wird demnächst für eine Testphase umgesetzt werden.

Rike Fochler, Modern Times
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Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in der Sendung Modern Times am 3. Oktober 2003 in ORF 2 um 22.35 Uhr.
->   Modern Times
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->   Lichtlabor Bartenbach
->   Kompetenznetzwerk Licht - Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
Mehr über Straßentunnels in science.ORF.at
->   Nebelschleuder soll Straßentunnels sicherer machen (09.04.02)
 
 
 
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01.01.2010