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Globale Grippe-Epidemie: Ist die Welt gewappnet?  
  Vor nicht allzu langer Zeit haben vier Buchstaben weltweit für Aufregung gesorgt: Die Infektionskrankheit SARS breitete sich aus und forderte mehr als 800 Todesopfer. Doch viel gefährlicher als SARS gilt Fachleuten eine längst bekannte Erkrankung - die Grippe oder Influenza, an der jährlich Tausende Menschen sterben. Die Warnungen vor einer neuen Pandemie werden lauter - nun werfen US-Forscher die Frage auf, ob die Welt auf dieses Szenario vorbereitet ist.  
Nach Ansicht der beiden Virologen Richard Webby und Robert Webster vom Department of Infectious Deseases des St. Jude Children's Research Hospital in Memphis sind die medizinischen und technischen Möglichkeiten zwar groß, dennoch ist die Welt nicht in ausreichender Weise vorbereitet.

Weder seien genügend Impfstoffe vorhanden, noch sei für antivirale Medikamente gegen einen schweren globalen Grippeausbruch gesorgt, meinen die Forscher - und schlagen im Fachmagazin "Science" neue Strategien vor.
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Der Artikel "Are We Ready for Pandemic Influenza?" von Richard J. Webby und Robert G. Webster ist erschienen in "Science", Bd. 302, Seiten 1519-1522, vom 28. November 2003.
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Influenza-Viren sind immer potenziell tödlich
Grippeviren sind grundsätzlich bereits potenziell tödlich - von 25.000 Erkrankten stirbt im Schnitt einer. Wobei eine Influenza nicht mit dem Namensvetter "Grippaler Infekt" verwechselt werden darf.

Meist sind die Viren zwar nur für Menschen mit angegriffenem Immunsystem bzw. für sehr kleine Kinder oder ältere Personen gefährlich, doch es handelt sich immer um eine schwere Erkrankung. Häufig kommen Komplikationen in Form von Mittelohr- oder Lungenentzündung hinzu.
Tödliche Erregerstämme: Beispiel "Spanische Grippe"
Bestimmte Erregerstämme können zudem weitaus tödlicher sein, wie beispielsweise die größte Influenza-Pandemie in der Geschichte der Menschheit gezeigt hat: Zwischen 1918 und 1920 starben an der so genannten "Spanischen Grippe" zwischen bis zu 27 Millionen Menschen weltweit.

Schon kleine genetische Mutationen genügen laut Studien, um aus relativ harmlosen Grippeviren besonders letale Erreger zu machen.
->   Mehr dazu: Mutation macht Grippeviren zu Killern (7.9.01)
Bekannt seit 1997: Tieren als Krankheitsquelle
Seit geraumer Zeit warnen Mediziner weltweit vor einer drohenden neuen Grippe-Pandemie - vor allem seit 1997 entdeckt wurde, dass etwa auch Vögel die Erreger auf den Menschen übertragen können.
Bereits zwei Fälle in diesem Jahr
Richard Webby und Robert Webster verweisen in diesem Zusammenhang auf zwei aktuelle Fälle: 2003 seien Ausbrüche der Vogelgrippe mit den als H5N1 und H7N7 bekannten Erregern in Hongkong und den Niederlanden registriert worden. Das Virus H5N1 habe einen Mann in Asien getötet, H7N7 habe 80 Menschen auf einer Hühnerfarm infiziert und einen Tiermediziner getötet.

Zum Glück hätten weder das H5N1- noch das H7N7-Virus die Fähigkeit erworben, von Mensch zu Mensch zu springen, schreiben die Autoren. Dennoch sollten Mediziner weltweit die Warnung ernst nehmen und an beschleunigten Methoden zur Impfstoffherstellung arbeiten.
Kritikpunkte: Kein Vorrat an antiviralen Arzneien
Denn nach Meinung der beiden Virologen ist die Welt alles andere als gut auf das Szenario einer echten Pandemie vorbereitet.

So wird etwa kritisiert, dass in keinem Land ein ausreichender Vorrat an antiviralen Medikamenten vorhanden sei, der - bis zur Entwicklung eines spezifischen Impfstoffes - die Schwere der Erkrankungen reduzieren könnte.
Zu wenige Impfstoffe, zu langwierige Produktion
Auch für genügend Impfstoffe sei nicht gesorgt, schreiben die Forscher. Die gegenwärtige Produktionskapazität reicht ihrer Meinung nach nicht aus, um bei einer echten Pandemie ausreichende Mengen eines Vakzins zu liefern.

"Im Falle einer Epidemie wären die Vorräte an Medikamenten gegen die Viren innerhalb von Tage aufgezehrt", kommentiert Robert Webster. "Den benötigten Nachschub zu produzieren, könnte bis zu 18 Monate dauern."
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Impfstoffe durch "reverse genetics"
Die Produktion von Grippe-Impfstoffen ist tatsächlich relativ aufwändig: Streng selektierte Virusstämme werden in Tausenden bebrüteten Hühnereiern gezüchtet. Nach einigen Tagen werden die Viren "geerntet", abgetötet und gereinigt. Ergebnis ist ein konzentriertes Serum. 100.000 Eier ergeben etwa vier Liter.

Zur schnelleren Produktion von Impfstoffen schlagen Webby und Webster nun vor, jene Vakzine zukünftig auf Basis von so genannten "reverse genetic"-Systemen zu gewinnen. Um wirklich vorbereitet zu sein, müssten solche Impfstoffe allerdings schon jetzt produziert und getestet werden, empfehlen die Autoren.
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Erster Influenza-Fall in Österreich
Die Warnung der beiden Forscher ist eindringlich: "Die Welt wäre in großen Schwierigkeiten, sollte die drohende Influenza-Pandemie diese Woche, diesen Monat oder selbst dieses Jahr zuschlagen", schreiben die Virologen abschließend in "Science".

Derweil wurde am Mittwoch in Österreich der erste Grippe-Fall dieses Winters gemeldet: Mediziner wiesen das Influenza-A-Virus bei einem fünf Monate alten Kind aus Amstetten nach.
->   Department of Infectious Deseases des St. Jude Children's Hospital
->   Fact Sheets der WHO zu Influenza
->   Informationen des Robert-Koch-Insituts zu Grippe
->   Alles zum Stichwort Grippe/Influenza in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010