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Sportsüchtige Mäuse: Belohnungszentrum in Aufruhr  
  Bei Drogensüchtigen löst der Entzug der jeweiligen Substanz - sei es Nikotin, Alkohol oder Kokain - gewisse körperliche Symptome aus, die sich nicht zuletzt auch im Gehirn beobachten lassen. Jenen Aufruhr im körpereigenen Belohnungszentrum fanden Forscher nun auch bei Mäusen, die allerdings nach etwas ganz anderem verlangten: Die Tiere, die sonst nach Lust und Laune im Laufrad turnen durften, waren zu sportlicher Enthaltsamkeit gezwungen.  
Die Biologen Stephen Gammie und Justin Rhodes von der University of Wisconsin-Madison fanden bei den Mäusen demnach ähnliche Entzugserscheinungen, wie sie etwa im Gehirn von drogensüchtigen Ratten beobachtet wurden.
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Der Artikel "Patterns of brain activity associated with variation in voluntary wheel-running behavior" der beiden Forscher erscheint in der kommenden Ausgabe des Fachmagazins "Behavioral Neuroscience".
->   "Behavioral Neuroscience"
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Suchtverhalten im Gehirn
Sucht und Suchtverhalten ausgelöst durch Drogenabhängigkeit sind in zahllosen Studien bereits untersucht worden. Mediziner haben daher ein recht gutes Bild davon, was im Gehirn von Betroffenen abläuft - etwa im Fall des Entzugs.

Das so genannte "Craving" - die extreme Gier nach dem begehrten, aber nicht verfügbaren Suchtmittel - zeigt sich auch im Belohnungszentrum des Gehirns, das beim Suchtmittelkonsum durch erhöhte Ausschüttung des Botenstoffs Dopamin für Wohlbefinden sorgt. Fehlt der Kick durch die Droge, werden bestimmte Gehirnbereiche besonders aktiv.
Nikotin, Alkohol, Kokain - und Sport?
Gegenstand von Studien waren bislang "naheliegende" Abhängigkeiten wie etwa Nikotin-, Alkohol- oder auch Kokainsucht. Doch was ist mit physischer Aktivität? Schließlich gibt es besonders sportliche Zeitgenossen, die gerne vom besonderen "Kick" beim Laufen sprechen.

Ob es eine Form der Sport-Sucht gibt, haben nun die beiden US-Biologen in einer Mäusestudie untersucht: Sie konnten - zumindest für die Nager - nachweisen, dass bei Sport-Entzug tatsächlich ähnliche Gehirnregionen besonders aktiv werden, wie beim "Craving".
Mäuse mit besonderem Hang zum Laufen
Nach Angaben der Forscher laufen tatsächlich alle Mäuse gerne. Die Wissenschaftler untersuchten aber - neben einer Gruppe von "normalen" Mäusen - auch Nager, die über 29 Generationen hinweg zu einer besonders lauffreudigen Art gezüchtet wurden.

Über sechs Tage hinweg ließen die Wissenschaftler nun alle Mäuse gleichermaßen im Laufrad "joggen", soviel diese wollten.
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Hyperaktive Mäuse: Bis zu zehn Kilometer im Laufrad
Die unterschiedliche Sportaffinität zeigte sich dabei deutlich an der im Durchschnitt zurückgelegten Entfernung. Die "normalen" Mäuse liefen beispielsweise am sechsten Tag durchschnittlich etwa drei Kilometer, während ihre genetisch auf viel Sport geeichten Verwandten insgesamt knappe zehn Kilometer zurücklegten.
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Laufrad-Entzug und die Folgen im Hirn
Am siebten Tag jedoch war für die Hälfte beider Gruppen der Spaß vorbei: Ihnen wurde der Zugang zum liebgewonnenen Laufrad verweigert, die Tiere waren also gezwungenermaßen vergleichsweise inaktiv.

Nach etwa fünf Stunden - zum Zeitpunkt, an dem die Tiere normalerweise ihren lauftechnischen Höhepunkt erreichten - maßen die Forscher die Gehirnaktivität der Versuchsmäuse. Dabei suchten sie nach einem spezifischen Gen (Fos), das durch die Aktivität von Nervenzellen angeregt wird.
->   Mehr dazu: Genaktivierung durch neuronale Aktivität (Uni Freiburg)
Deutliche Entzugserscheinungen
Die Biologen erwarteten eigentlich, dabei mehr Aktivität bei den ganz nach Lust und Laune laufenden Mäusen festzustellen, wie sie in einer Aussendung der Universität berichten. Dem war allerdings nicht so: Das höhere Maß an neuronaler Stimulation fand sich vielmehr bei all jenen Tieren, denen die Forscher den Zugang zum Laufrad verweigert hatten.

In 16 von 25 untersuchten Gehirnregionen zeigten die Mäuse demnach einen deutlich höheren Fos-Level, als ihre ungehindert joggenden Kollegen.
Hyperaktive Mäuse: Besonderes extreme Werte
Zudem gab es nach Angaben der Forscher auch Unterschiede zwischen den normalen Mäusen und ihren hyperaktiven Verwandten. Letztere zeigten demnach besonders extreme Aktivitätswerte. Und zwar genau in jenen Bereichen, die etwa beim "Craving" infolge von Drogensucht aktiv werden.

"Es waren dieselben Gehirnregionen, die aktiviert werden, wenn man Ratten ihr tägliches Quantum an Kokain, Morphium, Alkohol oder Nikotin verweigert", erläutert Justin Rhodes die Ergebnisse.
Wie sieht es beim Menschen aus?
Wer nun glaubt, besonders laufbegeisterte Mitmenschen als "Sport-Süchtige" titulieren zu dürfen, muss sich allerdings noch gedulden: Denn ob sich die Ergebnisse jener Studie auch auf den Menschen übertragen lassen, muss erst untersucht werden.
->   Department of Zoology der University of Wisconsin-Madison
->   Wie Sucht funktioniert (www.rauchen.de)
Mehr zum Thema Sucht in science.ORF.at:
->   Forscher entschlüsseln Auslöser für Sucht (9.4.03)
->   Kokain macht Proteine dem Körper fremd (18.3.03)
 
 
 
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01.01.2010