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Spermien brauchen den "Extra-Kick" für die Befruchtung  
  Um bis zur weiblichen Eizelle zu gelangen, müssen Spermien bereits einen - gemessen an ihrer Größe - ziemlich langen Spurt hinlegen. Sind sie glücklich am Ziel angelangt, kann die Befruchtung folgen. Dafür allerdings müssen die Keimzellen noch durch die Membran der Eizelle dringen - und das ist gar nicht so einfach: Laut einer Studie brauchen zumindest Mäusespermien für dieses letzte Stückchen Weg noch einmal einen "Extra-Kick". Fehlt die Voraussetzung dafür, dann war der ganze Weg umsonst.  
Ein Forscherteam um David Garbers vom Center for Reproductive Biology Sciences der University of Texas hat sich genauer angesehen, welche Funktion ein erst kürzlich entdeckter Ionenkanal (CatSper2) für Spermien hat.

Dabei entdeckten die Wissenschaftler dessen essenzielle Rolle für eine letzte Aktivierung des Sperma-eigenen Motors - ohne ein funktionierendes CatSper2-Gen scheinen die Samenzellen nach außen zwar völlig intakt, schaffen aber den finalen Schritt durch die Eizellenhülle nicht mehr.
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Der Artikel "Hyperactivated sperm motility driven by CatSper2 is required for fertilization" erscheint in den PNAS, Bd. 100, Seiten 14869-1474, vom 9. Dezember 2003 (doi:10.1073/pnas.2136654100).
->   PNAS
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Der beschwerliche Weg zur Befruchtung
Von außen betrachtet scheint es einfach genug: Mehrere Millionen männliche Keimzellen machen sich auf den nur wenige Zentimeter langen Weg durch den weiblichen Körper, um schließlich das Objekt ihrer Begierde - die weibliche Eizelle - zu befruchten.

Doch die Zahlen sprechen für sich: Nur wenige Hundert der anfänglichen Millionen kommen zum Schluss auch dort an, denn ihre Reise durch schleimgefüllten Gebärmutterhals, Gebärmutter und schließlich Eileiter ist relativ beschwerlich. Nur die "fittesten" Spermien gelangen ans Ziel, einem davon sollte dann die Befruchtung gelingen.
Männliche Unfruchtbarkeit: Meist Spermien als Grund
Es gibt allerdings Fälle, in denen es mit der Fortpflanzung nicht ganz so reibungslos klappt. Was männliche Unfruchtbarkeit angeht, kann diese ganz unterschiedliche Ursachen haben. Sie hängt jedoch zumeist mit den Spermien bzw. deren Produktion zusammen.

Einem neuen diesbezüglichen Problem sind die US-Forscher nun bei Mäusen auf die Spur gekommen: Dabei unterscheiden sich die betroffenen Spermien auf den ersten Blick in keiner Weise von ihren "funktionierenden" Kollegen. Lediglich ein einziger winziger Ionenkanal arbeitet nicht.
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Maiglöckchenduft: Die chemischen "Lockstoffe" der Eizelle
Der gesamte Mechanismus der Fortpflanzung ist natürlich weitaus komplizierter, als hier im Detail dargestellt werden könnte. Und immer noch sind viele Einzelheiten nicht geklärt bzw. entdecken Forscher neue Aspekte. Mittlerweile weiß man beispielsweise, dass Eizellen chemische "Lockstoffe" frei setzen, um Spermien anzulocken.

Letztere orientieren sich an diesem so genannten Lockstoffgradienten - und sind so in der Lage, die Eizelle aufzuspüren. Forscher haben etwa entdeckt, dass bestimmte Rezeptoren in menschlichem Sperma auf das Aldehyd Bourgeonal reagieren, das ähnlich wie Maiglöckchen riecht. Der Duftstoff setzt demnach eine ganze Kaskade von Reaktionen in Gang - unter anderem ändert sich der Schwanzschlag des Spermiums.
->   Mehr dazu: Maiglöckchenduft verbindet Eizellen und Sperma (28.3.03)
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Winziger Motor treibt Keimzellen an
Spermien arbeiten sich mithilfe eines eigenen kleinen Motors bis zur Eizelle vor: Das Flagellum - auch bekannt als Geißel - ist die wichtigste Bewegungsorganelle von Körperzellen und treibt auch die männlichen Keimzellen an. Während dieser Reise regulieren Kalzium-Ionen den Motor.

Wie David Garbers mit seinen Kollegen nun herausgefunden hat, braucht das Spermium gegen Ende seiner Reise noch einmal einen "Extra-Kick" des Flagellums als Antrieb, um die letzte Hürde in Form der Eizellen-Membran überwinden zu können.
Ohne CatSper2 funktioniert es nicht
Für jene kurzzeitige Hyperaktivität ist allerdings ein ganz spezifischer Ionenkanal, genannt CatSper2, notwendig. Fehlt das dafür kodierende Gen, so sind die davon betroffenen männlichen Mäuse schlicht unfruchtbar.

Dabei beschränkt sich laut den Forschern der Unterschied zwischen den untersuchten Spermien tatsächlich lediglich darauf, ob die kleinen Keimzellen jene letzte gesteigerte Anstrengung zu Wege bringen, oder nicht.

Wie die Wissenschaftler in den "PNAS" berichten, sorgte das fehlende Gen weder für eine Veränderung der Spermienproduktion, noch änderten sich Geschwindigkeit oder Mobilität der Keimzellen. Alles Eigenschaften, an denen häufig die männliche Fruchtbarkeit gemessen wird.
Von Mäusen - und Menschen?
Ob sich mit dieser Erkenntnis auch bislang nicht begründbare Fälle von Unfruchtbarkeit beim Menschen erklären lassen, müssten weitere Studien an menschlichen Spermien klären.

Die kleinen Nager sind allerdings - dank weitgehender Parallelen zu Stoffwechsel und Genetik des Menschen - ein gerne verwendetes Forschungsobjekt und gelten als Modellorganismus für viele Bereiche, darunter auch die Fortpflanzung.
->   Center for Reproductive Biology Sciences der University of Texas
Mehr Beiträge zum Stichwort Sperma in science.ORF.at:
->   Eitle Gockel: Viel Sperma für neue Hennen (6.11.03)
->   Spermien aus Mäuse-Stammzellen hergestellt (16.9.03)
->   Lockruf der Eizelle: Wie Spermien ihr Ziel finden (14.3.03)
->   Sperma: Qualität ist wichtiger als Quantität (7.11.02)
 
 
 
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01.01.2010