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Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
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Risiken und Nebenwirkungen von Englisch  
  Englisch ist die Wissenschaftssprache; sie muss auch von jenen benutzt werden, die ihrer nicht besonders mächtig sind. Was die einen, die "Muttersprachler", unter dem Stichwort "Bad Simple English" als Verlust der sprachlichen Vielfalt erleben, kann für andere existenzbedrohend werden - etwa wenn ihre Artikel aufgrund schlechter Sprachkenntnisse von Journalen abgelehnt werden. Wie eine aktuelle Diskussion in den Fachzeitschriften zeigt, kann dies auch eine Ursache dafür sein, dass Plagiate beim Publizieren immer öfter vorkommen.  
"Broken English" - die wahre Wissenschaftssprache
Die Wissenschaftszeitschrift "The Scientist" widmete dem Thema in den letzten Wochen gleich mehrere Beiträge. Der Mediziner Raymond Coleman vom Technion-Israel Institute of Technology in Haifa etwa beklagt das "Broken English", das zur wahren Sprache der internationalen Wissenschaftsgemeinde geworden sei.

Er macht mehrere Ursachen dafür verantwortlich: eine schleichende Amerikanisierung des Englischen, Neuschöpfungen unpassender Fachtermini - speziell in der Mikrobiologie, anstrengende Wortkombinationen (z.B. "Pseudohypoparathyroidismus") sowie politisch korrekte Redewendungen und Begriffe.
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Der Artikel ist unter dem Titel "Pardon My Proper English" in "The Scientist" (Bd. 17., Nr. 23, S. 68, 1. 12. 2003) erschienen.
->   Der Artikel
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Sprach-Komitees und -Wächter erwünscht
Damit man sich als Muttersprachler in Zukunft für das eigene Sprachvermögen nicht entschuldigen muss ("Pardon my Proper English"), schlägt er die Einführung akademischer Komitees zur Zulassung von Fachbegriffen vor - und wünscht sich "Sprach-Wächter" in jedem Journal.
Automatisierte Suche nach Plagiatoren
Während sich diese menschlichen Wachhunde um die Eleganz der Sprache bemühen sollten, gibt es bereits automatisierte Artgenossen, die eine ganz andere Aufgabe erledigen: Sie durchforsten das WWW nach Dokumenten mit gleichem Wortlaut, um Plagiatoren an den Pranger zu stellen.

Programme wie "TurnItin" oder die "Easy Verification Engine" vergleichen online publizierte Dokumente und finden Übereinstimmungen.
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Ist-Zustand des "Trendsports" Plagiieren
Im August 2003 beschrieb die Politologin Birgit Sauer für science.ORF.at den Ist-Zustand des "Trendsports" Plagiieren: Während amerikanische Universitäten mittlerweile Kodizes erlassen haben, die das Plagiieren - bis hin zum Hochschulverweis - ahnden, stecken Maßnahmen und Verhaltensregeln hierzulande noch in den Kinderschuhen.
->   Birgit Sauer: Plagiate im Zeitalter von "Copy and Paste" (19.8.03)
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Naturwissenschaften besonders betroffen
Laut jüngsten Studien des Sprachwissenschaftlers Wilfried Decoo von der Universität Antwerpen kommen Plagiate in den Naturwissenschaften häufiger vor als in den Geisteswissenschaften. Decoo publizierte zuletzt am MIT zum Thema "akademisches Fehlverhalten".
->   Crisis on Campus: Confronting Academic Misconduct (MIT Press)
25 Prozent geben Kopier-Praxis zu
Elektronisch veröffentlichte Dokumente und Internet-Datenbanken haben das Plagiieren, das es zweifellos schon immer gegeben hat, dramatisch vereinfacht. Es reicht die Beherrschung der Tastenkombination "Steuerung C" und "Steuerung V", um Textstellen zu kopieren und an gegebener Stelle wieder einzufügen.

Nach einer aktuellen Studie unter amerikanischen Studenten gibt etwa ein Viertel zu, sich der Praxis von "Copy and Paste" bei ihrer Arbeit bereits bedient zu haben. Die Dunkelziffer kann dementsprechend höher angenommen werden.
Zusammenhang: Plagiate und Nicht-Englischsprachigkeit
Dass Plagiat nicht gleich Plagiat ist - oder zumindest verschiedene Motive für dieses unlautere Verhalten existieren -, darauf machen die beiden spanischen Forscher Carlos Garbisu und Itziar Alkorta aufmerksam.

Sie verknüpfen die Frage des Kopierens mit den Schwierigkeiten, die nicht-englischsprachige Wissenschaftler mit der gängigen Publikationspraxis haben -, in der Englisch die Wissenschaftssprache ist.
->   Plagiarism or Plain Survival? ("The Scientist", Bd. 17., Nr. 23, S. 10, 1. 12. 2003)
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Selbst ein Plagiat?
Inwiefern sich dieser Artikel selbst dem Vorwurf des Plagiats aussetzen muss, kann zumindest in einer ersten Annäherung durch eine Befragung von "Google" beantwortet werden. Hier die Google-Resultate bei der Verknüpfung der Suchbegriffe "plagiate", "copy" und "paste":
->   Zu Google
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Karrierebedrohender Fremdsprachen-Mangel
Offensichtlich aus eigener Erfahrung schreiben sie über eine der bittersten Erfahrungen, die Autoren beim Einreichen eines Artikels bei einem Journal machen können: dann nämlich, wenn er mit den harschen Worten "English is poor" abgelehnt wird.

In einer Science Community, in der sich Ruhm und Ehre - und noch wichtiger: Forschungsgelder - vor allem durch die Anzahl von Veröffentlichungen erringen lassen, würden mehrere solcher Absagen die Karriere bedrohen.
Unterschied zwischen Ideen und Worten
Insofern, so die beiden Spanier provokant, sei es eigentlich kein Wunder, dass manche Forscher zu den kreativen Editier-Methoden des "Copy and Paste" greifen - und sich somit zum Teil zu einem "Perfect English" verhelfen.

Es gebe einen großen moralischen Unterschied zwischen dem Plagiieren von Ideen bzw. von Worten. Bei letzterem, dem "Diebstahl von Worten", könne es sich bei manchen Wissenschaftlern schlicht um eine Frage des "Überlebens" handeln - in einer Welt, die für nicht von Geburt Englischsprachige ziemlich unfreundlich sein kann.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Wie kann man Wissenschaftstexte verständlicher machen? (6.6.03)
->   Sinn und Gefahr wissenschaftlicher Metaphern (9.7.03)
->   Seriously Deutsch: Die Anglifizierung der Wissenschaft (11.6.02)
->   Deutsch als Wissenschaftssprache (7.8.01)
->   Universalsprache für die Wissenschaft? (Hazel Rosenstrauch (31.7.01)
->   Das ''A bis Z'' der Plagiatoren (30.4.01)
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Buchtipp
Im Verlag Wiley-VCH erscheint im Jänner 2004 das Buch "The Art of Scientific Writing" von Hans Ebel, Claus Bliefert und William Russey.
->   Mehr über das Buch
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01.01.2010