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Die Farbe Lila: Vor 150 Jahren durch Zufall entwickelt  
  Vor 150 Jahren entstand durch Zufall der erste künstliche Farbstoff Lila. Das führte zur Entwicklung und Produktion von mehr als 2.000 Farbstoffen und gab den Startschuss für eine sprunghaft wachsende chemische und pharmazeutische Industrie.  
Der 18-jährige William Perkin (1838¿1907) stellte 1856 in England zufällig die erste künstliche Farbe aus Steinkohlenteer her, so zu lesen in der Online-Ausgabe der "Welt".

Synthetische Parfums und Aromen, Sprengstoffe, aber auch Arzneimittel und unzählige andere Stoffe, die für uns heute selbstverständlich sind, haben ihren Ursprung in dem eigentlich missglückten Experiment des Chemiestudenten. Dazu brachte die revolutionäre Entdeckung dem jungen Mann mehr ein als jede Goldmine.
Auf der Suche nach einem Malariamittel
Eigentlich hatte der Chemiestudent während seiner Osterferien vom Royal College of Chemistry etwas ganz anderes synthetisieren wollen. Sein Lehrer August W. Hofmann - ein ehemaliger Schüler Justus von Liebigs - hatte sich die Synthese eines Mittels gegen Malaria gewünscht: des Chinins, das zu der Zeit allein aus der Rinde des auf Java heimischen Chinarindenbaums gewonnen wurde.
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Chemische Struktur eines Bestandteils von Mauvein.
Anilin-Violett oder auch Mauvein
Perkin experimentierte mit einer Verbindung namens Anilin. Er erhielt eine schwarze, teerartige Masse. Als er diese mittels Alkohol extrahierte, bemerkte er, dass die Lösung eine violette Farbe aufwies. Als er ein Stück Seide hineinhielt, färbte sich diese rötlich-violett. Der Farbstoff wurde Anilin-Violett oder auch Mauvein genannt.
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Großtechnische Herstellung
Gegen die Empfehlungen Hoffmanns und mit der finanziellen Unterstützung seines Vaters, eines Bauunternehmers, kommerzialisierte Perkin seine Entedeckung und entwickelte ein Verfahren zur großtechnischen Herstellung des neuen Farbstoffs. 1857 eröffnete er seine Fabrik in Greenford Green in der Nähe von London.

Die bescheidenen Anfänge wuchsen sich zu einer besonders innovativen chemischen Industrie der synthetischen Farbstoffe sowie deren nächster Verwandter, der pharmazeutischen Industrie, aus, die wesentlich zur Verbesserung der Lebensqualität der Bevölkerung beitrug.
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Zurück zur Forschung
Die chemische Industrie spornte die Suche nach einem besseren Verständnis der Moleküle an. Mit 36 verkaufte Perkin sein Geschäft, um sich ganz und gar der Forschung zu widmen. Unter anderem untersuchte er die Fähigkeit einiger organischer Verbindungen, polarisiertes Licht zu drehen, eine Eigenschaft, die bei Fragen der molekularen Struktur eine Rolle spielt.
->   Sir William Henry Perkin
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Mauve: Die Modefarbe der 1860er Jahre
Perkin kam mit seiner Entdeckung genau zur richtigen Zeit. Denn alle wollten die wunderschönen Farben verarbeiten. Der Farbton war einzigartig und eroberte die Modesalons in London und Paris im Sturm.

Bei der Royal Exhibition von 1862 machte Queen Victoria ihren Auftritt in einem Seidengewand, welches mit Mauvein gefärbt war, und Kaiserin Eugenie bestimmte in Paris Purpur zur Modefarbe.
Brillantere Farben
Dieser Boom hielt jedoch nur bis 1861. Dann verlangten die Damen der Gesellschaft nach neuen Farbkreationen. Weitere Farbtöne aus Steinkohlenteer mussten her, je brillianter, desto besser.

1864 entwickelte Perkin eine neue Methode zur Alkylierung des Purpurs und 1869 ein großtechnisches Verfahren zur Herstellung von Alizarin, einem roten Farbstoff, der in den Wurzeln der Krapppflanze (Färberröte) vorkommt.
Politische, wirtschaftliche und soziale Auswirkungen
Die Entwicklung der künstlichen Farbstoffe hatte auch erhebliche politische, wirtschaftliche und soziale Auswirkungen. Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Farbstoffe aus Pflanzen, Insekten und Mineralien gewonnen. Doch mit der raschen Verbreitung der synthetischen Farben wurden die natürlichen Farbstoffe fast vollständig vom Markt gedrängt.

Im Chemie-Archiv des Imperial College gibt es eine Seidenprobe von ungefähr fünf mal 10 cm, das mit dem Originalfarbstoff der 1850er Jahre eingefärbt wurde. Interessanterweise ist die genaue chemische Struktur des Mauveins erst 1994 aufgedeckt worden!
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Lese-Tipp: Simon Garfield: "Lila - Wie eine Farbe die Welt veränderte", Siedler Verlag (Berlin) 2001, 254 S. ATS 291.
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->   Mehr zu Farbstoffen
->   Die Welt
 
 
 
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01.01.2010