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USA: Anti-Terror-Gesetze verändern Wissenschaft  
  Seit dem 11. September hat sich das Klima in den USA auch in der Wissenschaft geändert. Zum einen wird "Terrorismus-Forschung" zu einem anerkannten und gut dotierten Zweig der Branche. Zum anderen wurden strenge Gesetze erlassen, was den Umgang mit gefährlichen Substanzen - Stichwort "Bioterror" - betrifft. In einem spektakulären Fall wurde nun ein Mediziner verurteilt, dem Proben des Pest-Erregers abhanden kamen. Kritiker sehen bereits die Freiheit der Forschung in Gefahr.  
Bis zu zehn Jahre Haft für verschwundene Pest-Erreger
Thomas Butler, ein Universitätsprofessor in Texas, hatte im Jänner 2003 mit falschen Angaben über den Verbleib von 30 Proben mit Beulenpest-Bakterien einen Bioterrorismus-Einsatz ausgelöst, der in den ganzen USA für Aufsehen sorgte.

Daraufhin wurde er wegen des Schmuggels verbotener Materialien und Lügen gegenüber den Behörden angeklagt. Nach einem einmonatigen Prozess wurde er nun zwar von diesen beiden Hauptvorwürfen freigesprochen, in fast zwei Dritteln aller Anklagepunkte aber für schuldig empfunden. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe.
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Der "Fall Thomas Butler" hat die Wissenschaftsgemeinde Amerikas über Monate in Atem gehalten. Das Fachmagazin "Science" widmete ihm ein eigenes Weblog - mit der Verurteilung Butlers als vorläufigem Höhe- und Endpunkt.
->   Weblog zum Fall Thomas Butler ("Science")
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Nobelpreisträger: Wissenschaftler werden unterdrückt
Einer der Chemie-Nobelpreisgewinner 2003, der US-Amerikaner Peter Arge, hatte schon zuvor die "Unterdrückung" von Wissenschaftlern durch die Behörden der USA beklagt. Schuld daran sei die Anti-Terrorismus-Politik der Regierung von Präsident George W. Bush.

Arge nannte explizit den Fall von Thomas Butler. "Die Botschaft an die jungen Wissenschaftler ist: Untersucht keine ansteckenden Krankheiten, die Millionen Menschen in armen Ländern töten, weil ihr hinter Gittern landen könntet", so Arge im Oktober am Rande eines Biophysik-Kongresses in Rio de Janeiro.
->   Chemie-Nobelpreise 2003
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Erstes neues Antiterror-Forschungszentrum
Während Butler verurteilt wurde, ist bekannt geworden, dass die University of Southern California (USC) in Los Angeles das erste akademische Antiterror-Forschungszentrum beherbergen wird, finanziert vom neugeschaffenen Department of Homeland Security (DHS). Mit einer Laufzeit von drei Jahren und einem Budget von zwölf Millionen US-Dollar soll es u.a. Computermodelle entwerfen, die die Gefahren des Terrorismus für Ökonomie und Infrastruktur vorhersagen.

Insgesamt sollen zehn solcher Forschungseinrichtungen entstehen, die nächste wird sich auf das Thema "Terrorismus und Landwirtschaft" konzentrieren.
->   Homeland Security Center (USC)
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Jänner 2003: Alarm wegen verschwundener Pest-Proben
Und so begann die mysteriöse Geschichte, die ein Schlaglicht auf die Nervosität wirft, die in den USA angesichts der Gefahr bioterroristischer Anschläge herrscht:

Der Chef der Abteilung für Infektionskrankheiten der Texas Tech University, Thomas Butler, wurde Mitte Jänner 2003 verhaftet, nachdem er den Behörden 30 Arzneigläser mit Beulenpest-Bakterien als vermisst gemeldet hatte. Und zwar obwohl, wie es anfangs von den Behörden hieß, "er sehr wohl wusste, dass er sie zuvor selbst zerstört hatte".

Mehr als 60 Beamte der US-Bundespolizei FBI und anderer Behörden waren daraufhin eine Nacht lang in Butlers Heimatstadt Lubbock im Einsatz, um nach den vermeintlich vermissten Proben zu suchen - vergeblich.
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Beulen- und Lungenpest
Der Pesterreger, das gramnegative Bakterium Yersinia pestis wird durch Bisse von Rattenflöhen, oder - bei der so genannten Lungenpest - durch Tröpfcheninfektion übertragen. Nach dem Insektenstich wandert das Bakterium zu den Lymphknoten und verursacht dort häufig eine schmerzhafte Schwellung. Von diesen "Beulen" erhielt die Krankheit ihren Namen. Der Erreger verbreitet sich über die Lymphknoten sehr schnell im Körper der infizierten Person und kann innerhalb von zwei bis vier Tagen nach Auftreten der ersten Symptome zum Tod führen. In manchen Fällen infiziert das Bakterium auch die Lunge und verursacht so die Lungenpest - eine besonders tödliche und ansteckende Form der Krankheit.
->   Streit um Ursache des Schwarzen Todes (19.9.03)
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Die Bakterien bleiben verschwunden - trotz Geständnis
Nach einer "intensiven Befragung" durch das FBI hatte Butler am nächsten Tag eine Erklärung unterschrieben, wonach er die Pestbakterien zufällig selbst zerstört hätte. Dies stritt er später allerdings wieder ab. Die Erklärung sei einzig auf den starken Druck der Beamten zurückzuführen gewesen, welche die Bevölkerung beruhigen wollten.

Seither gab Butler an, schlicht nicht zu wissen, was mit den Proben passiert sei. Es könne aber gut sein, so seine Aussagen bei der Verhandlung, dass er sie unabsichtlich bzw. ohne Erinnerung daran selbst zerstört hat.
Urteil: Keine wissentlichen Lügen ...
Am 1. Dezember wurde er nun in insgesamt 47 von 69 Anklagepunkten schuldig gesprochen.

Frei gesprochen wurde er von den Vorwürfen, die zu dem nächtlichen Einsatz in Lubbock geführt hatten. Er hat das FBI also nicht wissentlich belogen, als er es von den fehlenden Pest-Proben informierte, und er hat die Proben auch nicht ins Ausland geschmuggelt, wie ihm vorgeworfen wurde.
... aber viele andere Vergehen
Sehr wohl wurde er aber in anderen Punkten verurteilt: etwa dass er geheime Verträge mit Pharmaunternehmen unterzeichnet hat, die gegen die Regeln der Universität verstoßen und ihm persönliche finanzielle Vorteile verschafft haben.

Ebenso hat er nicht die Vorschriften im Umgang mit dem Versenden gefährlicher Materialen befolgt. Zum einen habe er sich nicht um die nötigen Zulassungen der Behörden gekümmert, zum anderen sei auch das Versenden von Mikroben mit einem Paket eines Botendienstes, das mit den Worten "Labormaterialien" beschriftet war, leichtsinnig und nicht den Vorschriften gemäß gewesen.
->   Public Health Security and Bioterrorism Preparedness Act
Bis zu zehn Jahren Haft, Millionen Dollar Strafe
Sowohl das genaue Strafausmaß als auch das Datum seiner Bekanntgabe sind noch nicht klar, Butler kann aber mit bis zu zehn Jahren Freihheitsstrafe und mehreren Millionen US-Dollar Bußgeld rechnen.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
->   Department of Homeland Security
->   Anti-Terror-Maßnahmen gefährden US-Wissenschaft (5.5.03)
->   Mehr zum Thema Terror in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010