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Augentraining gegen chronischen Schwindel  
  Schwindel gehört zu den häufigsten Gründen, warum Menschen einen Arzt aufsuchen. Von den über 65-Jährigen leidet ca. ein Drittel daran - ab 75 Jahren zählen Gleichgewichtsstörungen zu den häufigsten Beschwerden überhaupt. Mit Hilfe eines speziellen Augentrainings kann der chronische Schwindel jetzt gelindert oder sogar gestoppt werden.  
Die Methode des speziellen Augentrainings wurde von Wissenschaftlern der "Complex Systems Research Group" an der HNO-Abteilung des Wiener AKH entwickelt und wird nun dort von der Abteilung für Physikalische Therapie und Rehabilitation im Rahmen einer Studie getestet.
Außergewöhnliche Testvorrichtung
Die Vorbereitungen für eine Therapie-Einheit verblüffen: Die chronisch schwindeligen Patienten ziehen eine spezielle Weste mit Karabinerhaken über, als sollten sie einen Fallschirmsprung absolvieren. Dann werden sie mit Gurten sturzsicher fixiert. Nun wird ein schwankender Text auf die Wand projiziert. Diesen müssen die Patienten mit den Augen verfolgen und laut vorlesen.
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Das Gleichgewicht - Zusammenspiel vieler Sensorien
Neben Muskeln, Sehnen und Bändern und den Gleichgewichts-Sensoren in den Ohren liefern auch die Augen wichtige Informationen für den stabilen Halt eines Menschen. Durch ständige Augenbewegungen verschaffen wir uns sekundenschnell alle Informationen, die notwendig sind, um uns sicher durch einen Raum zu bewegen.

Doch die Augenbewegungen sind bei schwindeligen Menschen zeitweise gestört. Das trägt erheblich zu einer verschwommenen Wahrnehmung und einem schwankenden Gang bei. Dagegen soll das Augenbewegungstraining nun helfen.
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Bessere Koordination der Gleichgewichtssinne
Durch das unrhythmische Schwanken des Textes werden einerseits die Augenmuskeln trainiert und zusätzlich die Koordination zwischen den für unser Gleichgewicht verantwortlichen sensorischen Systemen verbessert.

Die Patienten empfinden dadurch weniger Schwindelsymptome als davor. Diese verbesserte Koordination scheint durch neue Verschaltungen im Gehirn hervorgerufen zu werden.
Instabilität - auch eine Alterserscheinung
Ein unsicherer Gang ist allerdings nicht immer nur eine Folge von Schwindelgefühlen. Mit zunehmendem Alter haben die meisten Menschen Gleichgewichtsprobleme. In einer Ruheposition stehen zwar alle Menschen scheinbar ruhig da. Ältere Personen schwanken aber deutlich mehr als jüngere.

Eine spezielle Kräftemessplatte, auf der Testpersonen mit beiden Füßen stehen müssen, veranschaulicht den Unterschied. Der Computer zeichnet die langsameren, weiteren Bögen eines instabilen Menschen im Vergleich zum schnellen Austarieren einer jüngeren, standfesteren Person als Bewegungsmuster auf.
Mehr Standfestigkeit für ältere Menschen
Auch bei dieser altersbedingten Instabilität kann mit dem neuen Augenbewegungstraining möglicherweise geholfen werden. Denn mit zunehmendem Alter verlangsamen sich die Augenbewegungen. Das trägt unter anderem dazu bei, dass man instabiler wird.

Die neue Therapie könnte eine Beschleunigung der Augenbewegungen bewirken und damit auch bei dieser Personengruppe die Koordinationsfähigkeit im Gehirn wieder erhöhen. Die Folge wäre wieder mehr Trittfestigkeit für ältere Menschen.
Mehr Lebensqualität, weniger Verletzungen
Schwindel und Instabilität können Menschen den Alltag zur Hölle machen. Manchmal fällt der Gleichgewichtssinn nach Infektionen oder nach einer Grippe aus. Auch Herzkrankheiten, Durchblutungsstörungen im Gehirn, neurologische Erkrankungen oder psychische Störungen können chronischen Schwindel nach sich ziehen.

Betroffene genieren sich für ihren taumelnden Gang, können sich kaum noch alleine aus dem Haus wagen oder ziehen sich völlig zurück. Aber auch zu Hause befinden sie sich ständig in Gefahr, zu stürzen und sich ernsthaft zu verletzen.

Drei von zehn Menschen über 65 Jahre stürzen mindestens einmal im Jahr. Bei den 80- bis 90-Jährigen ist es bereits jeder zweite. Oft sind schwere Verletzungen wie die gefürchteten Oberschenkelhalsbrüche die Folge. Sie bedeuten nicht nur einen erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden, sondern können die Mobilität und Lebensqualität der Betroffenen auch empfindlich und langfristig einschränken.
Schwierige Selbsthilfe
Grundsätzlich sollten schwindelige und instabile Menschen soviel Bewegung wie möglich machen, viel Gehen oder Kopfübungen betreiben. Doch genau das ist es, was ihnen zunächst am wenigsten möglich erscheint. Wer es alleine nicht schafft, kann in Zentren für Physikalische Therapie und Rehabilitation ein sogenanntes Vertigo-Turnen mitmachen.

Das Augenbewegungstraining könnte jedenfalls dazu beitragen, die Therapie von schwindeligen Menschen auf völlig neue Weise zu unterstützen und das Sturzrisiko zu minimieren. Vorher muss ein länger anhaltendes Schwindelgefühl aber in jedem Fall von einem Arzt abgeklärt werden.

Rike Fochler, Modern Times Gesundheit
->   HNO-Abteilung des AKH Wien
->   Formen des Schwindels - medicine worldwide
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Mehr über Schwindel erfahren Sie in der Sendung Modern Times Gesundheit am 05. 12. 03 in ORF 2 um 22.35 Uhr
->   Modern Times
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01.01.2010