News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Angst vor Neuem verkürzt das Leben  
  Die Angst vor Neuem, auch Neophobie genannt, beeinträchtigt offensichtlich nicht nur die Psyche, sondern auch den Körper: Amerikanische Forscher haben neophobe Ratten Verhaltenstests unterzogen und ihre Reaktion mit jenem von normalen Artgenossen verglichen. Das Ergebnis: Erstere reagierten in unbekannten Umwelten mit einer gesteigerten Produktion von Stresshormonen. Langfristig wirkt sich das auch auf die Lebenserwartung aus. Die furchtsamen Nager wiesen ein um 60 Prozent erhöhtes Sterberisiko auf.  
Wie Sonia Cavigelli und Martha McClintock von der University of Chicago berichten, sind ähnliche physiologische Reaktionen auch bei neophoben Menschen bekannt. Inwieweit das bei solchen Patienten lebensverkürzend wirken könnte, ist jedoch noch nicht hinreichend geklärt.
...
Die Studie "Fear of novelty in infant rats predicts adult corticosterone dynamics and an early death" von Sonia Cavigelli und Martha McClintock erschien als Online-Publikation der Fachzeitschrift "Proceedings of the National Acadamy of Sciences" (DOI: 10.1073_pnas.2535721100).
->   PNAS
...
Mehr als 200 Phobien bekannt
Phobien - oder umgangssprachlich Angststörungen - kennt man mittlerweile an die 200. Die bekannteste ist vermutlich die so genannte Agoraphobie, die Platzangst. Menschen, die unter dieser Störung leiden, zeigen eine schwer kontrollierbare Furcht vor offenen Plätzen oder Menschenansammlungen.
Beispiele: Angst vor Verantwortung, Ehe und dem Selbst
Auch viele andere Situationen, Tätigkeiten oder Objekte können Ursache von Phobien sein. Der Phantasie sind hierbei offenbar keine Grenzen gesetzt:

So scheuen etwa "hypergiaphobe" Menschen die Verantwortung, weigern sich "gamophobe" Patienten standhaft in den Hafen der Ehe einzulaufen und "autophobe" Patienten haben schließlich Furcht dem eigenen Selbst.
Neophobie: Die Furcht vor dem Neuen
Neophobe Menschen meiden wiederum zwanghaft alles Neue im Leben. Werden solche Personen trotzdem mit unerwarteten Dingen konfrontiert, dann haben sie Angst.

Dies lässt sich am Menschen auch durch typische körperliche Symptome feststellen: Etwa durch die Aktivierung des sympathischen Nervensystems oder durch erhöhten Adrenalinausstoß.
->   Mehr zum sympathischen Nervensystem (gesundheit.de)
...
Phänomen an Ratten untersucht
S.A. Cavigelli und M.K. McClintock haben diese physiologischen Reaktionen nun genauer unersucht. Allerdings nicht beim Menschen, sondern bei einem bekannten Versuchstier, der Wanderratte Rattus norvegicus. Dabei unterzogen sie die Nager standardisierten Verhaltenstests und konfrontierten sie in Plexiglasboxen mit unbekannten Objekten (einer Futterschüssel, einem Tunnel, einer Kugel sowie einem Ziegelstein).
...
Angst ist hormonell messbar
Während die erkundungswilligen (neophilen) Ratten die neuen Objekte sofort genauer unter die Lupe nahmen, reagierten die neophoben Individuen mit betont vorsichtigen Bewegungen.

Dies ging mit einer erhöhten Adrenalinausschüttung einher, außerdem wiesen die übervorsichtigen Tiere auch ein Plus an bestimmten Steroidhormonen, den so genannten Glucocorticoiden, in ihrem Blut auf.
->   Mehr zu Glucocorticoiden (gesundheit.de)
Hypothese: Effekt auf Sterblichkeit?
Von diesen Ergebnissen ausgehend bildeten Cavigelli und M.K. McClintock die Hypothese, dass die körperliche Reaktion von phobischen Ratten auch einen kumulativen Effekt im Lauf der gesamten Lebensspanne ausbilden könne.

Konkret vermuteten sie, dass dies zu unterschiedlichen Sterblichkeitsraten führt.
Neophobe Ratten sterben früher
Die amerikanischen Forscher behielten Recht: Die neophoben Ratten starben nach durchschnittlich 599 Tagen, während die Mitglieder der Vergleichsgruppe erst nach 701 Tagen das Zeitliche segneten.

Wie Cavigelli und McClintock vermuten, dürften körperliche Verschleißerscheinungen infolge des erhöhten Stresshormon-Pegels dafür verantwortlich sein.
Schluss auf den Menschen fraglich
Ob sich dieser Effekt auch bei Menschen feststellen lassen könnte, ist allerdings noch offen. Im Gespräch mit dem Onlinedienst des Fachblattes "Nature" gibt sich Cavigelli betont zurückhaltend:

Dieser Schluss sei reine Spekulation, Neophobie oder gar Schüchternheit müssten beim Menschen nicht per se negative Eigenschaften sein, so die amerikanische Psychologin.
->   Website von Sonia A. Cavigelli (University of Chicago)
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Rezeptor-Blockade im Gehirn macht Mäuse mutig (1.10.03)
->   Wut oder Angst? Gehirn interpretiert auch Blickrichtung (6.6.03)
->   Künstliche Hirnsignale verhindern Angstgefühle (7.11.03)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010