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AIDS-Therapie weniger riskant als angenommen  
  HIV-Infizierte leiden häufig auch an Hepatitis C, bestimmte Wirkstoff-Cocktails gegen AIDS gelten daher wegen möglicher Leberschäden als gefährlich. Doch die Therapie ist weniger riskant als bisher angenommen.  
Die Immunschwäche AIDS lässt sich inzwischen mit effektiven Wirkstoff-Cocktails erfolgreich behandeln - leider mit der Gefahr gefährlicher Nebenwirkungen. Die eingesetzten Medikamente können dabei vor allem die Leber schädigen.

Gerade für HIV-Infizierte, die zusätzlich an der Leberentzündung Hepatitis C leiden, galt die "hoch aktive antiretrovirale Therapie" (HAART) daher bislang als riskant - zu unrecht, wie Forscher der Universität Bonn nun in der aktuellen Ausgabe des Mediziner-Fachblatts "The Lancet" feststellen.
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Der Artikel "Effect of antiretroviral therapy on liver-related mortality in patients with HIV and hepatitis C virus coinfection" ist erschienen in "The Lancet", Bd. 362, Nr. 9397, Seiten 1708-1713.
->   "The Lancet" (Artikel über Suche frei zugänglich)
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Studie zeigt niedrigere Sterblichkeit
Ganz im Gegenteil: AIDS-Patienten, die zusätzlich unter Hepatitis C litten und mit HAART therapiert wurden, verstarben im Verlauf der zwölfjährigen Studie sogar seltener an Leberkomplikationen als Probanden, die weniger effektiv oder gar nicht therapiert worden waren.

Die Ergebnisse haben nach Angaben der Universität Bonn große praktische Bedeutung: In Europa und den USA ist demnach Schätzungen zufolge jeder dritte HIV-Patient gleichzeitig mit dem Hepatitis C-Erreger infiziert.
Insgesamt 285 Patienten beobachtet
Die Wissenschaftler hatten insgesamt 285 Patienten mit AIDS und Hepatitis C über einen Zeitraum von zwölf Jahren beobachtet. Gut 80 Prozent der Probanden litten unter einer Blutgerinnungsstörung.

93 Patienten wurden mit HAART therapiert, 55 mit weniger wirksamen Präparaten; 137 unterzogen sich keiner medikamentösen Behandlung.
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HAART: Kombination verschiedener Wirkstoffe
Als HAART bezeichnet man die Behandlung mit einer Kombination verschiedener Wirkstoffe, die wichtige Virus-Enzyme hemmen und so eine Vermehrung der HI-Viren im Körper deutlich behindern. Dank der Medikamente nimmt die Virenzahl im Blut ab; die Immunabwehr erholt sich. Gleichzeitig kann der Wirkstoff-Cocktail aber die Leber schädigen - insbesondere dann, wenn die Leberzellen ohnehin schon mit einer Hepatitis C-Infektion zu kämpfen haben.
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HAART belastet tatsächlich Leberzellen
"HAART belastet die Leberzellen in der Tat stark", erklärt dazu der Bonner Internist Ulrich Spengler.

So kam es bei 13 der 93 HAART-Patienten zu ernsten Leberreaktionen; sechs von ihnen mussten die Behandlung unterbrechen, konnten sie jedoch nach einmonatiger Pause mit einem veränderten Wirkstoffmix wieder fortsetzen.
Dennoch: Geringeres Risiko, an Hepatitis C zu sterben
Gleichzeitig zeigte die Studie aber, dass die HAART-Behandlung die Gefahr eines tödlichen Verlaufs der chronischen Leberinfektion mit dem Hepatitis C Virus sogar deutlich reduzierte:

Bei den unbehandelten Patienten lag nicht nur die Gesamt-Mortalität viermal höher als bei den HAART-Probanden, Todesursache war bei ihnen ebenfalls knapp viermal so häufig eine schwere Störung der Leberfunktion.
Das Warum ist nicht geklärt
"Warum das so ist, wissen wir allerdings im Detail nicht", gibt Spengler in einer Aussendung der Universität zu. Möglicherweise nimmt die Leberentzündung bei einem geschwächten Immunsystem einen schwereren Verlauf.

Wenn sich dann während der HIV-Behandlung die Immunabwehr erholt, könnte sich das auch positiv auf die Hepatitis auswirken.

"Dagegen spricht aber, dass im Laufe der HAART-Behandlung die Zahl der Hepatitis-Viren im Blut der Betroffenen deutlich anstieg - weit stärker sogar als in den Vergleichsgruppen, die weniger aggressiv oder gar nicht therapiert worden waren", so der Internist.
"Gefahr besteht, positive Auswirkungen überwiegen"
"Die Gefahr einer toxischen Leberschädigung durch die eingenommenen Medikamente besteht bei HAART zweifelsohne", fasst Spengler die Ergebnisse zusammen.

"Dennoch überwiegen die positiven Auswirkungen der Behandlung bei weitem - sowohl auf den Verlauf der Immunschwäche als auch auf den der Leberentzündung."

"The Lancet" fordert denn auch in einem Kommentar, den Einsatz des aggressiven HAART-Cocktails auch bei Hepatitis C-Patienten auf keinen Fall in Frage zu stellen. Ziel müsse es allerdings sein, neue Wirkstoffe gegen HIV zu entwickeln, die die Leber weniger stark belasten.
->   Medizinische Klinik und Poliklinik I der Universität Bonn
->   Alles zum Stichwort AIDS im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010