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Mistelzweige: Ein Parasit als "Liebesgarant"  
  Küsst sich ein Paar zu Weihnachten unter dem Mistelzweig, so bringt dies Glück für die Liebe. Diese Legende hat zur großen Popularität der Mistel geführt - doch die Pflanze ist eigentlich ein Parasit.  
Als Weihnachtsdekoration werden meist die weißbeerigen Misteln verwendet, die in einigen Landstrichen häufig zu finden sind - vor allem auf Pappeln oder Obstbäumen.

Doch Misteln sind Parasiten, die an Tannen und Kiefern zu deutlichen Schäden führen können, wie die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft in Deutschland nun betonte.
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Viscum album in drei Unterarten verbreitet
Die weißbeerige Mistel mit wissenschaftlichen Namen Viscum album tritt in drei verschiedenen Unterarten auf. In den kahlen Kronen der Laubbäume sind jetzt im Winter die bis zu einen Meter großen kugeligen Pflanzen zu sehen. Zwischen den hellen, immergrünen Blättern erscheinen pünktlich zu Weihnachten die Beeren. Weniger auffällig sind die Misteln an immergrünen Nadelbäumen.
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Vögel verbreiten Misteln
Bild: Schroeder/BBA
Verbreitet werden die Misteln via "Vogel-Fähre". Drosseln etwa lieben Mistelbeeren - sonst gibt es ja auch wenig zu fressen in dieser Zeit. Sie scheiden den unverletzten Mistelsamen überall wieder aus. Im März und April keimen die Samen dann bei genügend Licht und Wärme.

Sind sie auf einem Baum gelandet, bilden sie eine Haftscheibe auf der Rinde und versuchen dann mit einem Senker in die Wirtsrinde einzudringen. Damit stellt der Keimling sein Wachstum für das laufende Jahr ein.

Bild rechts: weißbeerige Mistel. Die hellgrünen Blätter und weißen Beeren mitten im Winter haben zur Popularität der Misteln beigetragen.
Parasit zapft Versorgungsbahnen des Baumes an
Bild: BBA
Apfelbaum mit verdicktem Ast.
Erst im April des nächsten Jahres treibt die kleine Mistel die ersten beiden Blätter. Sie hat dann auch die Versorgungsbahnen des Baumes angezapft. Der Baum versucht, den Parasiten zu überwallen, wodurch sich die Äste verdicken.

Die typische erste Verzweigung der Mistel mit vier Blättern erscheint erst im vierten Jahr. Im fünften Frühjahr blüht sie das erste Mal.

Dabei sind die männlichen und weiblichen Blüten auf getrennten Pflanzen zu finden, nur die weiblichen haben später Früchte. Deswegen trägt nicht jede Mistelkugel Beeren.
Deko-Zweige sind mindestens zehn Jahre alt
Bestäubt werden die Blüten durch Fliegen, aber auch Bienen und Ameisen. Erst im November und Dezember reifen die Beeren heran. Ein Zweig, der zu Weihnachten unser Haus schmücken soll, stammt von einer mindestens zehnjährigen Pflanze.
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Rund 1.300 Arten weltweit, die meisten in den Tropen
Misteln gehören zu den Sandelholzgewächsen, rund 1.300 Arten existieren weltweit, die meisten davon in den Tropen. In Österreich findet sich - neben der weißbeerigen Mistel Viscum album mit ihren drei Unterarten auch die Art Loranthus europaeus mit gelblichen Früchten an Eichen, die Pflanze verliert allerdings ihre Blätter im Winter.
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Förster und Gärtner lieben Misteln nicht
Bild: BBA
An Straßen und Parkbäumen erfreuen sich die Anwohner meistens an den hellgrünen Misteln.

Förster jedoch denken an den Holzzuwachs, der durch die Parasiten geringer ausfällt. Die Bäume können sogar absterben, wenn noch andere Faktoren, wie Trockenjahre oder Borkenkäferbefall hinzukommen. Die Wipfel werden teilweise dürr.

Zwergmisteln, noch in Europa nicht heimisch, sind beispielsweise in den USA mit über 30 Arten verbreitet. Sie führen dort zu erheblichen Schäden mit jährlich fast 12 Millionen Kubikmetern Holzverlust: ein Schaden von etwa 150 Millionen Euro.

Bild rechts: Nur im Winter ist wirklich zu sehen, wie stark die blätterlosen Bäume von Misteln befallen sind.
Seit 135 Millionen Jahren auf der Erde
Mistelgewächse besiedeln im Übrigen seit 135 Millionen Jahren die Wälder der Erde. In der Medizin ist die Mistel schon seit langem bekannt - aber auch als Parasit kennt man sie seit geraumer Zeit.

Albertus Magnus beschrieb sie schon zu Anfang des 13. Jahrhunderts als Parasit und empfiehlt zu ihrer Bekämpfung, dass sie aus den erkrankten Bäumen geschnitten wird. Dies ist nach Aussagen der Biologischen Bundesanstalt auch heute noch die wirksamste Maßnahme gegen die Mistel überhaupt.
Die Mistel in der Mythologie
In der nordischen Mythologie spielte die Mistel eine besondere Rolle, da sie als Pfeil den Lichtgott Baldur tötete. Im keltischen Glauben wird die Mistel wesentlich positiver gesehen. Sie durfte nur mit einer goldenen Sichel geschnitten werden.

Und was das beliebte Küssen unter dem Mistelzweig angeht: Man muss den betreffenden Zweig bis zur 12. Nacht, also bis zum Tag der Heiligen Drei Könige, verbrennen - sonst wird es nichts mit der immerwährenden Liebe.
->   Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft
 
 
 
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01.01.2010