Helmut O. Rucker
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Abteilung für Physik des erdnahen Weltraums
 
ORF ON Science :  Helmut Rucker :  Kosmos 
 
Europäische Raumfahrtbehörde ESA startet neuen Forschungsschwerpunkt Exo/Astrobiologie  
  Europa und Österreich auf der Suche nach außerirdischem Leben. Ein Bericht von der ersten europäischen Konferenz über Exo/Astrobiologie in Frascati, Italien.  
Erster europäischer Kongress über Exo/Astrobiologie

Der erste europäische Kongress über Exo/Astrobiologie wurde von der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA und dem Europäischen Exo/Astrobiologie Netzwerk im italienischen Frascati abgehalten und zugleich ein neuer Schwerpunkt für Europas Rolle in der Erforschung des Weltraumes festgelegt. Unter der Exo- oder Astrobiology versteht man ein interdisziplinäres Forschungsgebiet, an dem Astronomen, Astrophysiker, Planetologen, Atmosphärenphysiker, Geologen, Biophysiker, Biologen, Genetiker, Biochemiker und Wissenschaftler anderer Gebiete gemeinsam arbeiten. Sie streben verbessertes Wissen über die Entstehung des Lebens auf der Erde und im Universum an.
Leben unter extremen Bedingungen

Da man in den letzten Jahren auf der Erde Mikroorganismen entdeckt hat, die sich bei Temperaturen um +100 oder -10 Grad am wohlsten fühlen oder resistent gegen Säuren und Strahlungen sind, hat sich die Wahrscheinlichkeit sehr erhöht, dass sich Lebensformen auch auf dem Planeten Mars, dem Jupitermond Europa, dem Saturnmond Titan oder auf erdähnlichen extra-solaren Planeten entwickelt haben. Aus diesem Grund teilten Dr. P. Clancy vom ESA Directorate of Manned Space Flight and Microgravity und Dr. D. Schmitt vom ESA/Aurora-Programm den mehr als 200 Wissenschaftlern mit, dass die ESA in Zukunft die folgenden fünf Punkte für ihr Weltraumprogramm festlegt:

1. Suche nach außerirdischen Lebensformen und organischen Molekülen im Weltraum.
2. Identifikation möglicher Lebensräume auf Planeten im Sonnensystem und auf extra-solaren Planeten.
3. Die Studie von Umwelteinflüssen auf Lebensformen und Lebensbausteinen.
4. Studie von Eis, Permafrost, Asteroiden, Kometen und Kuiper Belt - Objekten.
5. Mars Missionen, die Marsgestein zur Erde bringen werden.
Zukünftige europäische Planeten-Missionen

Damit diese Ziele erfolgreich durchgeführt werden können, wird sich die Planetenforschung der ESA in der nahen Zukunft auf die Erforschung des Planeten Mars, des Jupitermondes Europa und des Saturnmondes Titan konzentrieren. Planetensimulationskammern auf der Erde und die Internationale Raumstation ISS werden in diesen Studien miteinbezogen. Die europäische Beteiligung bei der Erforschung des Planeten Mars und die Suche nach Leben auf dem roten Planeten wird mit dem im Jahr 2003 geplanten Start der Raumsonde Mars Express/Beagle 2 eingeleitet. Die Sonde wird nach Wasser, Eis und Permafrost unter der Marsoberfläche, sowie nach fossilen oder lebenden Mikroorganismen und organischen Molekülen suchen.
Mini-U-Boot auf dem Jupiter-Mond Europa

Aufbauend auf diese Mission befinden sich weitere europäische Marsmissionen mit dem Forschungsschwerpunkt Exo/Astrobiologie in Vorbereitung. Für den Jupiter Mond Europa sieht der ESA-Plan einen Europa-Orbiter vor, der die Eisdecke dieses Mondes mit Radarwellen sondiert. Eine Landesonde und schließlich eine Tiefbohreinrichtung soll an einer vom Europa-Orbiter ausgesuchten Stelle diese Eisschichte durchbohren. Durch dieses Bohrloch soll danach ein Miniatur-Unterseeboot im unter dem Eis befindlichen Salzwasserozean nach fremden Lebensspuren suchen.
Helikopter auf dem Saturnmond Titan

Außer diesen beiden Körpern im Sonnensystem wird auch der Saturnmond Titan nach Ankunft der Cassini/Huygens Raumsonde im Januar 2004 weiter im Blickpunkt des ESA-Programmes stehen. Eine Titan-Exobiologie-Mission mit Landeeinheit oder Erkundungsvehikel (wie z.B. Ballone, Luftschiffe oder Helikopter) wird diskutiert. Außerdem werden der irdische Mond durch die Smart 1 Mission und der Planet Merkur mittels der BepiColombo Mission erforscht. Am Mond wird unter anderem nach biologisch kontaminiertem Material aus der Frühzeit der Erde gesucht und Eis-, Krater-, Vulkan- und tektonische Studien durchgeführt. Der Planet Merkur soll durch die Erforschung seiner Oberfläche, seiner Exosphäre und seines Magnetfeldes Aufschlüsse über die Entstehung von Planeten im allgemeinen geben.
Erdähnliche Planeten um fremde Sterne

Außerhalb des Sonnensystems wird die ESA die Suche nach erdähnlichen Planeten und die Detektion von organischen Prozessen und Leben forcieren. Für diese Ziele sind die drei Astronomie-Missionen Eddington, Gaia und Darwin vorgesehen. Diese Projekte sehen vor, dass man zuerst erdähnliche Planeten, danach erdähnliche Planeten in lebensfreundlicher Entfernung von ihrem Zentralstern und schließlich Spuren von Leben entdecken möchte. Dr. Clancy betonte in Frascati, dass Exo/Astrobiologie Missionen die Zukunft der Weltraumforschung dominieren werden und für Forschungsinstitutionen, welche dies nicht rechtzeitig erkennen, der Zug in der Zukunft abgefahren sein wird.
Österreich mischt vorne mit

Österreich war bei der ESA Konferenz in Frascati durch das Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Atmosphärenphysiker Dr. Helmut Lammer), der Universität Salzburg (Molekularbiologin Dr. Helga Stan-Lotter) und der am niederländischen Observatorium Leiden arbeitenden Astrophysikerin Dr. Pascale Ehrenfreund vertreten. Diese Wissenschaftler wurden von den Kongressteilnehmern auch in das Council des Europäischen Exo/Astrobiologie Netzwerkes gewählt. Sie präsentierten ihre neuesten Forschungen über die Titan- und Marsatmosphäre, extremophile Lebensformen und im Weltraum entdeckte organische Moleküle.
2002 Exo/Astrobiologie-Kongreß in Graz
Österreich scheint in diesem neuen ESA Forschungsschwerpunkt an vorderster Front auf. Das zeigt die Tatsache, dass der zweite europäische Kongress für Exo/Astrobiologie in der dritten Septemberwoche 2002 in Graz stattfinden wird, organisiert von der Abteilung für Extraterrestrische Physik des Institutes für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, dem Institut für Geophysik, Meteorologie und Astrophysik der Karl Franzens Universität in Graz sowie internationaler Unterstützung. Außerdem ist im Anschluss an diese Konferenz ein Workshop über Weltraummissionen geplant, sodass die steirische Landeshauptstadt im Herbst nächsten Jahres zu einem Zentrum der europäischen Weltraumaktivität wird.

Helmut Lammer, Willibald Stumptner
 
 
 
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