Host-Info
Birgit Sauer
Institut für Politikwissenschaft, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Birgit Sauer :  Gesellschaft 
 
Frauen in der Internationalen Politik  
  Internationale Politik ist eine "Männerwelt" im doppelten Sinne: Sowohl das Politikfeld Internationale Politik/Außenpolitik wie auch das Wissenschaftsfeld Internationale Beziehungen sind männerzentriert. "International politics is a man's world", so die US-amerikanische Politikwissenschaftlerin J. Ann Tickner, eine der ersten Geschlechterforscherinnen in den Internationalen Beziehungen.  
Karrieren und Barrieren
Konnte die feministische Politikwissenschaft im deutschsprachigen Raum in den achtziger Jahren die Frauen- und Geschlechterfrage in "weiche" Politikbereiche wie Familienpolitik erfolgreich integrieren, so blieben die Internationalen Beziehungen als politikwissenschaftliche Teildisziplin dem Geschlechteransatz besonders lang verschlossen.

Das lag einerseits an den Abstoßungsreaktionen der Disziplin, aber ebenso an der Zurückhaltung der Wissenschaftlerinnen gegenüber dem "harten" Politikfeld Außenpolitik.
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Geschlechterfragen und "Internationale Beziehungen"
In der österreichischen Politikwissenschaft gibt es an den Universitäten auf der ProfessorInnenebene niemanden, die/der sich mit Geschlechterfragen in den Internationalen Beziehungen befasst. Allerdings sind einige Dissertationen im Entstehen. In Deutschland ist eine Professur für geschlechterkritische Internationale Beziehungen in Frankfurt/M. besetzt. Inzwischen gibt es auch geschlechtersensible Publikationen in den Internationalen Beziehungen in deutscher Sprache (Uta Ruppert, Birgit Locher).
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Ausschlussverfahren
Wie viele andere Berufsfelder in der Wirtschaft, in der Wissenschaft, in der Politik ist die Außenpolitik fast buchstäblich in "Männerhand". Verdeckte oder offene Ausschlussverfahren und Barrieren - die gläsernen oder betongefertigten Decken machen es für Frauen in vielen Berufen schwer, Karriere zu machen.
Internationale Politik ist "bemannt"
Es gibt in den Institutionen und Organisationen der internationalen Politik überproportional hohe Männerquoten. Männlichkeit lässt sich zum einen an der Quantität, an der Zahl der Männer im Berufsfeld festmachen. Hohe Männerquoten wirken in der Regel abschreckend und entmutigend auf Frauen. Sie sind aber überdies eine Garantie für die ständige Selbstreproduktion von hohen Männerquoten.
Die Strukturen entscheiden
Für die EU hat die belgische Politikwissenschaftlerin Alison Woodward gezeigt, dass der männliche Habitus, dass Männlichkeit als gemeinsamer Bezugspunkt und Symbol in Kontexten mit nationalstaatlichen Unterschiedlichkeiten und Differenzen die Grundlage gemeinsamen kooperativen Agierens bildet.

Doch das biologische Geschlecht und die Quantität der beteiligten Politiker, Diplomaten und Beamten allein macht die Maskulinität der Sphäre internationaler Politik nicht aus. Vielmehr wirken maskulinistische Strukturen, die es Frauen als Akteurinnen im internationalen Feld schwer machen.
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Diskussion und Veranstaltungsreihe im OIIP
Frauen in der internationalen Politik - Women in International "Affairs" ist eine neue Veranstaltungsreihe des Österreichischen Instituts für internationale Politik (OIIP), die Chancen und die Barrieren behandelt, mit denen Frauen im männlich dominierten Berufsfeld der "Politik" konfrontiert sind.
->   Mehr über die Veranstaltungsreihe des OIIP
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Die "strukturelle Männlichkeit" : Verfahren, Strukturen und Traditionen des Politikfeldes
Waffenfähigkeit als Bedingung für Politikfähigkeit stand an der Wiege des modernen Nationalstaates und mithin moderner Außenpolitik. Von der Waffenfähigkeit aber waren Frauen ausgeschlossen, wie auch lange von politischen Rechten.

In den historisch gewachsenen Vorstellungen von Außenpolitik wirken nach wie vor historisch-männliche Traditionen des Zusammenhangs von außenpolitischer Souveränität, Militarismus, Waffenfähigkeit und Maskulinität.
Maskuline Prämissen
Die Theorien internationaler Politik, von Sicherheits- und Militärpolitik, insbesondere aber die Alltagstheorien der internationalen Politik beruhen auf dem so genannten (neo-) realistischen Paradigma.

Trotz konstruktivistischer und postmoderner Ansätze, die diese Hegemonie zu unterminieren suchen, basiert Außenpolitik in westlichen Industriestaaten - auch im neutralen Österreich -auf "vergeschlechtlichten", maskulinen Prämissen dieser "realistischen" Welt- und Politiksicht.
Sicherheitspolitik ist Machtpolitik
Politik als Sicherheitspolitik ist Machtpolitik. Außenpolitik soll zwar Frieden herstellen und Kriege vermeiden, doch mit der Idee des "nationalen Interesses" - heute abgelöst durch den Begriff der "Wertegemeinschaft" (der EU, der NATO) - wird kriegerische Auseinandersetzung noch immer in Kauf genommen.
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Krieg als "ultima ratio" der Sicherheitspolitik
Krieg ist die ultima ratio nationalstaatlicher Sicherheitspolitik. Krieg ist damit immer im Bereich des Möglichen (Christine Sylvester). Daraus folgt eine geschlechterdualistische Deutungsfolie: Aggressivität, Autonomie, Unabhängigkeit, rationale Interessendurchsetzung - traditionell männlich verkodete Eigenschaften - werden auch spekulativ auf das Verhalten von Staaten übertragen.
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Feindbilder
Dies mag innerhalb Europas bzw. innerhalb des so genannten "Westens" (Kooperation vor Konfrontation: EU, NATO) inzwischen anders aussehen. Allerdings sind die Grenzen der kriegerischen Abgrenzung und der Interessenssphären lediglich weiter gezogen, wie beispielsweise das Feindbild "Islamischer Fundamentalismus" zeigt.
Der außenpolitische Machtbegriff beruht auf Kampf- und Feindkonstruktionen
Kämpfe sind aber an die Idee der Stärke und der Verteidigungsfähigkeit gebunden - Stärke, Macht, Unabhängigkeit und Durchsetzungsfähigkeit sind Fähigkeiten, die vornehmlich mit männlichen Verhaltensmustern verknüpft werden.
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"Feminisierung"
Diese Bilder privilegieren männliches, heroisches und kämpferisch-aggressives Verhalten als "hegemoniale Männlichkeit" und werten kooperatives, sich der Abhängigkeit bewusstes Verhalten ab und "feminisieren" eine solche Strategie.
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Exerzierfeld für Männlichkeit
Internationale Politik ist somit ein Exerzierfeld für hegemoniale Männlichkeit und für ein abgewertetes Bild von Frausein (Cynth Enloe). Weiblichkeit wird mit "schützenswert", "nicht kampfbereit" und "nicht durchsetzungsfähig" verkodet.

Sie bildet das vermeintliche Gegenprinzip zur "kriegerischen" Männlichkeit. Damit werden Frauen diskursiv zu machtlosen Akteurinnen im Bereich der internationalen Politik gemacht.
Männliches Nationalstaatskonzept
Der Nationalstaat als (männlicher) Beschützer seiner BürgerInnen gegenüber anderen souveränen Staaten ist von der Privatheit getrennt. Im Fokus auf den Staat als Akteur ist ein großer Teil der geschlechtsspezifischen Verzerrungen der internationalen Politik begründet.

Dieser Staatsbegriff konstruiert getrennte Sphären von politischer Öffentlichkeit und häuslicher Privatheit. Frauen werden der "unpolitischen" Privatsphäre zugeordnet und als Akteurinnen der internationalen Politik unsichtbar.
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Sind Frauenhände für diplomatisches Fingerspitzengefühl zu grob?
Auch im Feld kooperativer internationaler Politik wirken geschlechtsspezifische Bilder: Geheimhaltungs- und Sicherheitsstrukturen beispielsweise unterstützen eine männlich-homogene Struktur, die sich gegen die schwatzhaften, unzuverlässigen Frauen abschoten muss (Stereotyp der Geheimdienste).
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"Außenpolitischer Maskulinismus"
Die enge Verflechtung von internationaler Politik und internationaler Ökonomie führt zu einer Verdoppelung des außenpolitischen Maskulinismus: Außenpolitik erhält im Kontext weltweiter ökonomischer Konkurrenz eine neue Zielbestimmung; sie wird eine Politik zur Wettbewerbssicherung von Unternehmen und agiert in einem doppelt-männlichen Aktionsfeld.
Was tun?
- Quotenregelungen in der internationalen Politik, Trainings, Mentoring
- Geschlechterdemokratisierung internationaler Organisationen: Internationale Institutionen werden zunehmend für Sicherheitsfragen zuständig; dort sind aber die Partizipationschancen auch für Frauen oft geringer als auf nationalstaatlicher Ebene
- Gründung feministischer außenpolitischer Institutionen ("Parallelinstitutionen"), wie die Idee des Weltfrauensicherheitsrates.
->   Sämtliche Artikel von Birgit Sauer in science.ORF.at
 
 
 
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