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ORF ON Science :  Peter Filzmaier :  Wissen und Bildung 
 
Mono- statt Demokratie? Zur Machtkonzentration an Universitäten  
  Absicht der Reform durch das am 1. Jänner 2004 in Kraft tretende Universitätsgesetz ist es, die betriebliche Handlungsfähigkeit der Universitäten zu stärken. Unbestritten ist, dass bislang eine übertriebene Autonomie vieler Kleinsteinheiten und Einzelpersonen an der Universität bestand. Weniger vornehm ausgedrückt: Wer nur seinen akademischen Schrebergarten ohne Blick über den Gartenzaun pflegen wollte, konnte das ungestraft tun.  
Teilrechtsfähige Institute haben ihr Profil, ihre Lehraufgaben und - manchmal inhaltlich nicht nachvollziehbar, oft fern rechtlicher und wirtschaftlicher Realitäten - ihre Projekttätigkeit jeweils nur für sich definiert.

Das Gestaltungspotenzial der Gesamtuniversität näherte sich dem Nullpunkt, weil parallel dazu das Wissenschaftsministerium als vorgesetzte Dienststelle mit als ebenso realitätsfremd empfundenen Vorgaben herrschte.
Uni-Reform: Rechfertigung aus realen Missständen
Wie in vielen Bereichen bezieht demzufolge die Universitätsreform ihre Rechtfertigung aus realen Missständen.
Folge der Reform: Umstrittene Machtkonzentration
Nun aber kommt es in der Universitätsleitung zur Konzentration von Macht und Verantwortung in einem Ausmaß, das sowohl der notwendigen Balance zwischen universitären, (regierungs-)staatlichen und gesellschaftlichen Interessen als auch jener zwischen Gesamtuniversität und ihren Teilen widerspricht.

Hinsichtlich des Einflusses des Staates auf die Universitäten liegt im Vergleich zur bisherigen Situation der Verdacht nahe, dass die politische Einflussnahme auf die Auswahl der Personen, die an und über Universitäten zu entscheiden haben, größer war und ist als die früher mögliche Fernsteuerung des Ministeriums.

Während aber die Ministerin für ihr Eingreifen in das Geschehen der Universität politisch verantwortlich war, verfügen die Mitglieder des Universitätsrates über ein formal freies Mandat, um etwa Rektoren nach bloßer Anhörung des Senats abzuberufen oder Vorschläge des Rektors für die Budgetzuteilung abzulehnen.
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Gesamtuniversität kontra Teileinheiten
Inneruniversitär wird die exzessive Autonomie der Teileinheiten durch die Vollrechtsfähigkeit als Autonomie der Gesamtuniversität in einer Weise ersetzt, die über das Ziel schießt. Es ginge um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen gesamthafter Handlungsfähigkeit der Universität und autonomer Handlungsfähigkeit von Teileinheiten.
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Die Organe der Macht könnten delegieren ...
Die im Universitätsgesetz vorgesehenen Organe der Macht - Universitätsrat, Rektorat und Senat - können erstens ihre Überforderung einsehen und viele Dinge delegieren, wodurch es zu einer Trennung von formaler Verantwortung und inhaltlicher Entscheidung kommt.

In Klagenfurt und Graz, zum Beispiel, gibt es weiterhin eine dreigliedrige Struktur von Rektorat, Fakultäten und Instituten bzw. Abteilungen, deren Leitern vor allem im Projektbereich weitgehende Kompetenzen zugestanden werden. Fakultätskonferenzen sollen Mitbestimmungsrechte des Mittelbaus und der Studierenden sichern.
... oder Entscheidungskompetenzen zentrieren
Zweitens können die Machthaber alle Entscheidungskompetenzen zentrieren und in aller Arroganz viele Fehlentscheidungen treffen, oder - noch schlimmer - zunächst als Pawlow'scher Reflex jedwede in Teileinheiten entwickelte Initiative ablehnen, um das Entscheidungsdilemma zu vermeiden.

Nicht nur die Studierenden in Wien befürchten, dass das Rektorat nach dem neuen Organisationsplan viel stärker in alle Bereiche eingreift, nachdem die bisher 135 teilautonomen Institute ihre Eigenständigkeit verlieren.
Unklarheiten etwa bei Habilitationsverfahren
Überall ist noch unklar, wie das Rektorat seine Entscheidungsbefugnis in Habilitationsverfahren ausübt - theoretisch könnte ein Politikwissenschaftler als Rektor allein über die Qualität aller Habilitationsschriften von A wie Architektur bis Z wie Zoologie urteilen -, oder wie der Senat über Studienpläne entscheiden soll, wenn ihm in der Mehrheit der Fälle kein Vertreter des jeweiligen Studienfaches angehört.

Natürlich wird es in beiden Fällen Gremien, Anhörungen und Gutachten geben, über deren Struktur und Relevanz aber wiederum das Rektorat bestimmt.
Weitere Folge: Ausschaltung des Mittelbaus
Eine weitere Folge der Machtkonzentration ist die weitgehende Ausschaltung des Mittelbaus in der Mitbestimmung und der Dozenten als selbstverantwortliche Mitgestalter der universitären Arbeit. Insbesondere Assistenten mit Magister- oder Doktortitel, aber ohne Habilitation dürfen künftig fast gar nichts mehr.

Durch eine typisch österreichische Lösung im Gesetzestext können Dozenten Organisationseinheiten weiterhin leiten, jedoch nur wenn eine Mehrheit der Professoren sie vorschlägt und der Rektor diesen Vorschlag akzeptiert.

Das war als späte Änderung im Gesetzgebungsverfahren unumgänglich, weil angesichts der zu geringen Professorenzahl im Verhältnis zur Vielfalt der inhaltlichen Aufgaben die Universitäten auf die selbstverantwortliche Mitgestaltung der Dozenten dringend angewiesen sind. Warum wollte das Ministerium nicht wenigstens habilitierte Mittelbauangehörige im Dozentenschema den Professoren zurechnen?
Frustration und Resignation drohen
Schon bisher ermöglichte nur die aus eigenständiger Gestaltungsmöglichkeit resultierende Motivation vieler Mittelbauangehöriger den Betrieb. Frustration, Resignation und innere Emigration werden dazu führen, dass die Mehrheit ihre Tätigkeit bestenfalls als Dienstleistung betrachten wird, wenn sie nicht sogar durch passiven oder aktiven Widerstand opponiert.
Eigentliches Problem: Fehlen von Kreativität
In Verbindung mit der Enttäuschung vieler Studierender, die anstatt von Mitbestimmung nur noch die Möglichkeit einer sehr beschränkten Mitsprache haben, führt das zum eigentlichen Problem der Macht- und Verantwortungskonzentration:

Eine Universität ohne Querdenkertum, Kreativität und Innovation wird ihrer gesellschaftlichen und bildungspolitischen Aufgabe nicht gerecht. Im besten Fall resultiert aus dem Verständnis der Universität als Dienstleistungsunternehmen eine halbwegs funktionierende Fachhochschule.
Uni-Reform im Zustand des Misstrauens
Wie aber sollen zusätzlich allgemeine Bildungsziele erfüllt und eine entsprechende Grundlagenforschung geleistet werden, wenn die Universitätsreform emotional missglückt ist?

Sie findet in einem Zustand des Misstrauens statt, sowohl innerhalb der Universität zwischen Professoren, Mittelbauangehörigen und Studierenden als auch zwischen Universität und Regierung.

Der Rektor der Universität Innsbruck hat öffentlich eingestanden, dass die knappste Ressource nicht Geld, sondern Motivation ist. Wenn das stimmt, ist eine inhaltliche Qualitätsverbesserung unmöglich.
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