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ORF ON Science :  Peter Filzmaier :  Gesellschaft 
 
Das Märchen von der politikverdrossenen Jugend  
  Knapp 20 Prozent der 14- bis 24-Jährigen zeigen Sympathie für einen "starken Mann" in der Politik. Zugleich wollen sie mehr Demokratie lernen. Fast drei Viertel sind für Politische Bildung als Schulfach. Dabei gibt es Themenwünsche von Chancengleichheit bis Integration. Was sind also junge Menschen - demokratiefeindlich oder politisch interessiert?  
Soeben enden in Österreich die heurigen Aktionstage für Politische Bildung. Doch wir wissen kaum, was sich Jugendliche von Politik und Politischer Bildung erwarten. Oft sagen da Erwachsene, was sie glauben, dass die Jugend will. Oder wie politisch sie selbst gerne gewesen wären, als sie einmal jung waren.

Am 8. Mai wurde eine im Auftrag des Unterrichts- und Wissenschaftsministeriums erstellte Pilotuntersuchung der Donau-Universität Krems vorgestellt. Zielsetzung war es, für die Entwicklung von Konzepten der politischen Bildungsarbeit Thesen zu den Meinungen und Erwartungshaltungen der 14- bis 24-Jährigen zu formulieren. Diese sehen so aus:
Mit Demokratie zufrieden wie die Erwachsenen
 
Grafik: Peter Filzmaier, Quelle: Donau-Universität Krems/OGM

Zufriedenheit mit der österreichischen Demokratie (Angaben in Prozent, n=700, maximale Schwankungsbreite +/-3,7 Prozent)

Zunächst gibt es unter den Jugendlichen eine durchschnittliche Demokratiezufriedenheit, die sich kaum von jener der Erwachsenen unterscheidet. Mehr als zwei Drittel bzw. 69 Prozent sind mit der Demokratie sehr oder etwas zufrieden. Radikale DemokratiegegnerInnen gibt es fast keine.

Gefährlich ist eine relativ hohe Zahl - fast ein Viertel (23 Prozent) - von latent mit der Demokratie unzufriedenen Jugendlichen. Noch schlimmer: Jeder fünfte Jugendliche präferiert, wie erwähnt, einen "starken Mann".

Mit dem politischen Interesse steigt eindeutig das Demokratiebewusstsein und sinkt die Autoritätsgläubigkeit. Es ist also gezielt durch Politische Bildung dieses Interesse zu fördern.
Wunsch nach mehr politischer Bildung
 
Grafik: Peter Filzmaier, Quelle: Donau-Universität Krems/OGM

Wieviel wird in Österreich für politische Bildung getan?

2. Die Jugendlichen selbst sind eindeutig für mehr Politische Bildung, sowie für ein eigenes Unterrichtsfach Politische Bildung in allen Schultypen. Eine Zweidrittel-Mehrheit der 14-bis 24-jährigen (64 Prozent) meint, dass im Bereich Politische Bildung zu wenig getan wird.

Nur eine verschwindende Minderheit von vier Prozent sieht zu viele Initiativen der politischen Bildungsarbeit.

71 Prozent befürworten ausdrücklich ein Unterrichtsfach Politische Bildung, das nicht wie in allen höheren Schulen in Kombination mit anderen Fächern stattfindet.
Gleichbehandlung und Integration am gefragtesten
3. Durchaus verblüffend sind die Themenwünsche der Jugendlichen dabei. Fragt man, in welchen Bereichen zu wenig getan wird, wollen sie in der Politischen Bildung vor allem mehr über Chancengleichheit und Integration erfahren.

Klare Spitzenreiter als für fast die Hälfte (44 bzw. 43 Prozent) häufiger zu behandelnde Wunschthemen sind die Gleichbehandlung von Männern und Frauen sowie die Integration von Ausländern.

Das Mittelfeld mit rund einem Drittel (36 und zweimal 31 Prozent) der 14- bis 24-jährigen, die unzureichende Aktivitäten sehen, bilden Globalisierung, Zeitgeschichte (als die Zeit des Nationalsozialismus in Österreich abgefragt) und Wahlen bzw. politische Beteiligung.

Schlusslichter - d.h. von den Jugendlichen als nicht verstärkt aufzugreifende Themen eingestuft - sind EU-ropa sowie Medien und aktuelle politische Ereignisse. Für rund drei Viertel der Jugendlichen (75 und 73 Prozent) wird diesbezüglich genug oder sogar zu viel getan.
Schule anerkannt, Politiker viel weniger
4. Schule und Universität sind als neutrale Orte Politischer Bildung entgegen manchen Vorurteilen sehr anerkannt, das Elternhaus weniger. 93 Prozent (!) sehen die Schule als für Politische Bildung sehr (59 Prozent) oder eher wichtig. 83 Prozent meinen, dass Politische Bildung vor allem an Schulen und Universitäten vermittelt werden soll.

Ungleich kritischer ist die Einstellung gegenüber PolitikerInnen und Parteien. Rund zwei Drittel (62 Prozent) beklagen, dass PolitikerInnen sich nicht um die Meinungen junger Menschen kümmern würden.

Charakteristische Äußerungen waren "Politik ist das Geschwätz von alten Leuten" sowie "Politiker haben keine Ahnung, was die Leute eigentlich brauchen" und "Politiker sind Leute, die uns vorgeben, was wir zu tun haben". Diese Einstellungen sind vom Ausmaß des politischen Interesses nahezu vollkommen unabhängig.
Medien sind Informationsquelle Nummer Eins
5. Was Jugendliche über Politik wissen bzw. zu wissen glauben, haben sie jedenfalls vor allem aus Massenmedien. Exakt drei Viertel (75 Prozent) nennen diese unter den politischen Informationsquellen an erster Stelle.

Medien sind zugleich mit Abstand am glaubwürdigsten für Informationen über Politik. 48 Prozent, also knapp die Hälfte, der Jugendlichen bezeichnen Medien als jene Quelle, der sie inhaltlich am meisten vertrauen.
An Politik durchaus interessiert
 
Grafik: Peter Filzmaier, Quelle: Donau-Universität Krems/OGM

Wie würden Sie sich bezeichnen: politisch sehr, etwas, weniger oder gar nicht interessiert?

6. Jugendliche sind durchaus nicht an der Politik ganz und gar uninteressiert. Genau ein Fünftel der 14- bis 24-Jährigen (20 Prozent) bezeichnet sich als politisch sehr interessiert.

Zumindest etwas politisches Interesse geben weit mehr als drei Fünftel (in Summe 68 Prozent) an. Knapp 60 Prozent meinen, es wäre wichtig sich politisch zu beteiligen, und sind grundsätzlich auch bereit dazu.
"Wählen mit 16" keine Priorität
 
Grafik: Peter Filzmaier, Quelle: Donau-Universität Krems/OGM

"Dass Jugendliche in Zukunft mit 16 Jahren den Nationalrat wählen können, finde ich gut"

Im Gegensatz dazu wird "Wählen mit 16" zum derzeitigen Zeitpunkt von einer Mehrheit der Jugendlichen abgelehnt. Lediglich 41 Prozent der 14- bis 24-Jährigen sprechen sich sehr oder eher dafür aus, 59 Prozent lehnen dies ab.

Allerdings ist die Zustimmung unter den unmittelbar betroffenen 14- bis 17-Jährigen mit rund 50 Prozent höher. Bis zu ein Drittel (28 Prozent) meint, für den Fall einer Möglichkeit der Stimmabgabe via Internet (e-voting) mit höherer Wahrscheinlichkeit zur Wahl zu gehen.

Die zentrale Schlussfolgerung aus all dem: Das Klischee einer jungen Generation, die generell politisch verdrossen und/oder unwissend ist, stimmt so nicht.

[8.5.07]
->   Details zur Studie (pdf-Datei; Donau-Uni Krems)
->   Alle Beiträge von Peter Filzmaier in science.ORF.at
Mehr zu dem Thema Politische Bildung:
->   Gender Mainstreaming: Feigenblatt für Ungleichheiten? (2.5.07)
->   Aktionstage Politische Bildung haben begonnen (23.4.07)
 
 
 
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