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ORF ON Science :  Peter Filzmaier :  Gesellschaft .  Wissen und Bildung 
 
Kommunikationsstrategien der Parteien in der Mediendemokratie (II): Die SPÖ  
  Jede Demokratie benötigt (Partei-)Politiker, die in einer für mediale Vermittlungsformen tauglichen Form etwas zu sagen haben, und Medien, die darüber publikumswirksam berichten. Mediennutzer in modernen Kommunikationsgesellschaften sind mehrheitlich an sound bites, d.h. kurzzeitigen Aufmerksamkeitsmustern - man denke an Werbespots und Videoclips - und vereinfachten sowie personalisierten Botschaften mit hohem Unterhaltungswert (infotainment) orientiert.  
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Der nachstehende Text stellt die überarbeitete Fassung von Teilen aus Vorträgen des Autors zum Thema "Mediale Inszenierung von Politik" dar. In der Vorwoche beschäftigte sich Peter Filzmaier mit der politischen Kommunikation der ÖVP, es folgt ein Text zu FPÖ und Grünen.
->   Teil I: Die ÖVP
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Orientierung an US-Vorbildern
Die SPÖ ist hauptverantwortlich, dass die in allen Parteien hochgradige Professionalisierung der Kampagnenarbeit Thema der öffentlichen Auseinandersetzung wurde. Erstens wurde aber die Orientierung an US-Vorbildern oft überzogen bzw. nicht ausreichend für österreichische Rahmenbedingungen adaptiert. Zweitens wurde zu häufig über die externe Kommunikation der SPÖ an sich diskutiert, anstatt sie wirksam werden zu lassen.

Die Trennung einer Wahlkampfzentrale (war room) von den weniger flexiblen Parteistrukturen ist zweifellos richtig, die mediale Thematisierung von "Victory" 1999 bis zu den Containern 2002 gelang bestenfalls suboptimal.
Die Misserfolge der Strategen
Warum ist das an sich innovative image building Viktor Klimas zum Standardbeispiel klischeehafter Politikinszenierung geworden?

Warum war Stanley Greenberg - als gut vorbereiteter Berater für die Wiener Landtags- und Gemeinderatswahlen 2001 sehr erfolgreich, und kaum für den relativen Misserfolg in den Nationalratswahlen 2002 verantwortlich - ungewollt häufig persönlich ein Thema der Berichterstattung?

Warum werden momentane Strategien der SPÖ kaum wahrgenommen, während im Blätterwald die Frage, ob Josef Broukal ein besserer Kommunikationschef wäre, das dominante Thema darstellt?
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Aktuelles Beispiel: Gusenbauer als Weinexperte
Ein aktuelles Beispiel ist das ironisierende Medienecho, als SPÖ-Parteivorsitzender Alfred Gusenbauer in einer profil-Reportage als Weinexperte präsentiert wurde. Konsequenz war, dass Gusenbauers Führungsqualitäten, Medienarbeit und sogar sein Bezug zu den Bedürfnissen der Bevölkerung in Frage gestellt wurde. Der Imageschaden mag sich in Grenzen halten, doch bezeichnenderweise ist eine missglückte Medienberatung der SPÖ zum Treppenwitz geworden, während seitens der Öffentlichkeit eine inhaltliche Positionierung zu aktuellen Streitthemen (Pensionsreform usw.) erwartet wurde.
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Strategie darf nicht selbst zur Botschaft werden
Unabhängig von Parallelfehlern in allen Parteien - seitens der ÖVP musste "Speed kills!" mühevoll in "Speed wins!" uminterpretiert werden, gegenwärtig werden Hintergründe des Wahlsieges 2002 mit Reinhold Lopatka im Mittelpunkt zu sehr thematisiert - ist eine Trennung von kommunikationsstrategischer Planung und ihrer allgemein sichtbaren Umsetzung erforderlich.

Mit anderen Worten: Trotz zunehmender Medienberichte über politische Kampagnen im sportiven Stil (horse race-journalism) darf nicht eine Strategie selbst zur Botschaft werden.
Was zählt im Wahlkampf?
Zurück zur vordergründigen Amerikanisierung der SPÖ-Kommunikation: Nur sechs Prozent der österreichischen Wahlkampfmanager glauben an die Wichtigkeit von Sachthemen im Wahlkampf, während 62 Prozent Image und Persönlichkeit der Kandidaten als relevantere Faktoren ansehen.

Interessanterweise weisen hingegen US-amerikanische Politikberater Sachthemen und Kandidateneigenschaften eine gleichermaßen zentrale Rolle zu. Daraus folgt, dass paradoxerweise die SPÖ entgegen dem US-Vorbild für Viktor Klima 1999 Imagequalitäten und Medienpräsenz als mit Abstand wichtigste Erfolgsfaktoren definierte.

Die allein auf sein Image abgestellte Präsentation von Bundeskanzler Klima in Gummistiefeln (nach einer Hochwasserkatastrophe), Boxhandschuhen (auf dem Cover eines Wochenmagazins) und in familiärer Idylle mit Ehefrau und Hund scheiterte jedenfalls.
"Auf den Kanzler kommt es an"
Sogar die Berater des einmaligen Medientalents Bill Clinton hatten der zentralen Wahlkampfbotschaft und der massenmedialen Kommunikationsfähigkeit ihres Kandidaten den Vorrang vor persönlichen Imageeigenschaften geben. Der SPÖ-Slogan "Auf den Kanzler kommt es an" war strategisch mangelhaft, weil die personenbezogene Konzentration auf Bundeskanzler Viktor Klima nicht mit Botschaften verknüpft wurde.

"Wer, wenn nicht er" als identische Wahlwerbung der ÖVP war eine Erfolgsgeschichte, weil eine Verbindung zu vereinfachten Inhalten von der Zukunftssicherung bis zur Stabilität gelang.
Das Botschaftendreieck
2002 scheiterte die SPÖ gegen Schüssel mit der unzureichenden Kopie eines Botschaftendreiecks (message triangle). Clinton hatte 1992 im Wahlkampf gegen George Bush sr. Putting People First, Growing Economy, und Change als zentrale Botschaften vermittelt, wobei er u.a. die Entfernung Bushs von der Durchschnittsbevölkerung, die schlechte Wirtschaftslage und eine anti-konservative Veränderung ansprach.

Unter den Eckpunkten Weil der Mensch zählt, Soziale Sicherheit und Wende der Wende wurden im letzten Nationalratswahlkampf der SPÖ wechselweise die mangelnde Sensibilität von Bundeskanzler Schüssel für Anliegen der "kleinen Leute", ein gemäßigter Weg für ein ausgeglichenes Budget - "Sinnvoll Sparen durch den Verzicht auf Abfangjäger zugunsten von Sozialausgaben wie Pensionen oder Kinderbetreuung - oder die Rücknahme von Maßnahmen der ÖVP-/FPÖ-Regierung (siehe Studien- und Ambulanzgebühren) propagiert.
Vergangenheits- statt Zukunftsorientierung
Einerseits wäre angesichts der Fortsetzung der schwarz-blauen Koalition auch die sinngemäße Fortsetzung der Wahlkampfbotschaften möglich. Andererseits zeigt sich in ihnen das entscheidende Problem der SPÖ: In zwei von drei Bereichen wird Vergangenheits- statt Zukunftsorientierung signalisiert.

Eine "Wende der Wende" wünscht politisch etwa die Hälfte der Bevölkerung, doch will kaum jemand eine Rückkehr in die Zeit vor dem Jahr 2000. Mit sozialer Sicherheit identifiziert sich eine überwältigende Mehrheit, aber es erwarten sich alle längerfristigen Lösungen zur Finanzierung eines modernen Wohlfahrtstaates.
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SPÖ vermittelt Bild des bremsenden Regulativs
Nicht zufällig sind Zukunft, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit Slogans der ÖVP, während die SPÖ das Bild des bremsenden Regulativs vermittelt. Ein solches Korrektiv als "Verhinderer" ist demokratiepolitisch wichtig, darf jedoch nicht mit dem Image einer rückbezogenen und nicht gestaltungsfreudigen Partei korrelieren. Eine Partei ohne Zukunftsperspektiven wird trotz zwischenzeitlich positiver Umfragen nicht ausreichend gewählt. Von der ÖVP enttäuschte Wähler befinden sich "im Wartesaal", sehen aber offenbar wenig Grund zur SPÖ zu wechseln.
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Absichtserklärung für rot-grüne Regierung?
Eine Absichtserklärung für eine rot-grüne Regierung wäre als Zukunftsorientierung zu verstehen. Diese muss jedoch vor allem für ÖVP-Wähler 2002 mit neuen Programmen verbunden werden, um durch inhaltliche Perspektiven von der politischen Konkurrenz geschürte Ängste vor einer Zusammenarbeit mit den Grünen zurückzudrängen.
Rot-blaue Koalitionsoption als Tabubruch
Die rot-blaue Koalitionsoption ist ein mit Blickrichtung auf sich momentan im Wartesaal befindliche Wähler, welche im letzten Jahrzehnt von der SPÖ über die FPÖ zur ÖVP gewandert waren, taktisch gelungener Tabubruch.

Programmatisch ergibt sich allerdings ein Erklärungsnotstand. Falls es durch gemeinsame Beschlüsse in aktuellen Streitfragen (Pensionsreform usw.) zu einer Konsolidierung der ÖVP-FPÖ-Regierung kommt, könnte der Tabubruch außerdem im luftleeren Raum hängen bleiben.
Negative campaigning als Strategie
Vielleicht fehlt aber auch der SPÖ Mut für eine Strategie, die in Österreich unverändert weitgehend ein Tabu darstellt, und zugegeben der obigen Empfehlung widerspricht: Negative campaigning. Schon angesichts der Beliebtheit von Finanzminister Grasser hat die SPÖ Empfehlungen ignoriert, ihn entweder - wie später Schüssel - zum Verbündeten zu machen, oder aber systematisch zu diskreditieren.

Als Reaktion auf die Werbung des ÖVP-Bundeskanzlers "Wer, wenn nicht er" wurden u.a. "Was ist Wolfgang Schüssels Lieblingswort? Österreich und, in Verbindung mit drei sehr unvorteilhaft gestalteten Porträtphotos des zunächst selbstzufrieden lächelnden und schließlich mit geschlossenen Augen und hängenden Mundwinkeln die Stirn runzelnden Kanzlers, "Wer ist verantwortlich für das Chaos (¿)? Wer, wenn nicht er." propagiert.
Keine Erfolgsgarantie solcher Kampagnen
Nach kurzer Zeit verschwand, abgesehen von Einzelaktionen im Internet, die Negativwerbung. Natürlich gibt es keine Erfolgsgarantie für solche Kampagnen.

Das bedeutendste Argument abgesehen von moralischen Gesichtspunkten ist, dass Negativität lediglich Aufmerksamkeit und Bekanntheitsgrad erhöht, und für Länder mit hoher Medienvielfalt und geringem Politikinteresse empfehlenswert sind. In Österreich könnte aufgrund der hochgradigen Medienkonzentration und Kleinräumigkeit eine Negativkampagne eher als penetrante Beschimpfung gesehen werden und den Initiator disqualifizieren.
Beschlossene Strategie muss fortgeführt werden
Für Politikberater gibt es aber keine per se "guten" oder "schlechten" Strategien, sondern nur die Kategorien passend und unpassend.

Jedenfalls darf eine beschlossene Strategie nicht gewechselt werden, sondern ist konsequent fortzuführen. "Schüssel regiert gegen das Volk" wurde von der SPÖ als Stehsatz geprägt, doch müsste eine wirkliche Negativkampagne gegen den Kanzler ungleich konsequenter und schärfer sein.
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