Peter Höller
Bundesamt und Forschungszentrum für Wald, Institut für Lawinen- und Wildbachforschung, Innsbruck
 
ORF ON Science :  Peter Höller :  Umwelt und Klima 
 
Ursachen des "Schneegleitens"  
  Unter "Schneegleiten" versteht man eine Hang abwärts gerichtete Bewegung der gesamten Schneedecke auf dem Untergrund. Wesentliche Voraussetzung dafür ist eine glatte Bodenoberfläche und eine nasse Grenzschicht zwischen Boden und Schneedecke. Der Gebirgswald kann Schneegleitbewegungen nicht gänzlich verhindern.  
War man in der Vergangenheit der Meinung, dass das Schneegleiten vor allem auf glatten Wiesenhängen außerhalb des Waldes in Erscheinung tritt, so weiß man - vor allem dank der Untersuchungen von Zenke (1985)-, dass das Schneegleiten auch im Bergwald möglich ist und zwar insbesondere in Waldblößen mit einer Neigung von zumindest 30°.
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Entstehung von Gleitschneelawinen
Das Schneegleiten kann auch zu sogenannten Gleitschneelawinen führen. Diese unterscheiden sich von Schneebrettlawinen dadurch, dass die Ablösung nicht durch einen Initialriss erfolgt, sondern durch plötzliche Beschleunigung der langsam gleitenden Schneedecke.

Dies ist häufig dann der Fall wenn es zu einer Erwärmung der Schneedecke kommt (isothermer Temperaturverlauf), wodurch im Kontaktbereich Schnee/Boden eine Grenzschicht mit erhöhtem Schmelzwassergehalt entsteht. Stärkeres Schneegleiten ist oft an Spalten in der Schneedecke (Gleitmäuler) erkennbar.
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Wald kann das Schneegleiten nicht gänzlich verhindern.
Während Zenke seine Untersuchungen auf den Bereich der Randalpen (mit überwiegendem Anteil an Laubbäumen) konzentrierte, hat das Institut für Lawinen- und Wildbachforschung der Forstlichen Bundesversuchsanstalt die Messungen auch auf Standorte in den Innenalpen (Lärchenwälder) ausgedehnt.

Wesentlichster Bestandteil der Untersuchungen waren detaillierte Schneegleitmessungen an charakteristischen Versuchsflächen (Wald, Lichtung, Freifläche...).

Dabei waren die größten Gesamtbewegungen auf den Vergleichsflächen außerhalb des Waldes zu verzeichnen, aber auch im Wald (und speziell innerhalb der Lücken) konnten noch bedeutende Gleitraten gemessen werden.
Deutliche Unterschiede bei den Gesamtgleitwegen
War der zeitliche Verlauf der Gleitbewegungen an den einzelnen Messpunkten recht ähnlich, so ergaben sich bei den Gesamtgleitwegen deutliche Unterschiede. Dabei standen den nicht einmal 100 mm im dichten Lärchenwald mehr als 3000 mm auf der Freifläche gegenüber.

Im aufgelockerten Bestand waren die Gesamtgleitwege mit maximal 250 mm etwas größer. Wesentlich ausgeprägter war das Schneegleiten in den nach Süden exponierten Lücken, wo Werte bis zu 1700 mm registriert werden konnten.

Dies zeigt, dass das Schneegleiten in Blößen und Lichtungen nicht übersehen werden darf. Aufgrund der derzeit vorliegenden Auswertungen scheint eine klare Abhängigkeit vom Beschirmungsgrad vorzuliegen - je dichter der Bestand desto geringer das Schneegleiten.
Bedeutung der Untersuchungen
Die gewonnenen Erkenntnisse sollen einerseits dazu beitragen mögliche Gefahrenflächen im Gebirgswald frühzeitig zu erkennen, anderseits aber auch dazu dienen allenfalls notwendige Schutzmaßnahmen zielgerichtet einzuleiten.

Da das Schneegleiten nicht nur zur Auslösung von Lawinen führen kann, sondern auch für Schäden an Aufforstungen verantwortlich ist, müssen gerade in der sensiblen Zone des Waldgrenzbereiches potentielle Gleitschneezonen im Auge behalten werden.

Eine rechtzeitige Sanierung derartiger Zonen ist aber Voraussetzung, dass der Gebirgswald auch zukünftig seine Schutzwirkung erfüllen kann.
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Zenke, B. 1985. Lawinenstriche im Bergwald. Jahrbuch 1985 des Vereins zum Schutz der Bergwelt, S. 49 ¿ 63.
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