Peter Höller
Bundesamt und Forschungszentrum für Wald, Institut für Lawinen- und Wildbachforschung, Innsbruck
 
ORF ON Science :  Peter Höller :  Umwelt und Klima 
 
Über die Auslöser von Schneebrettlawinen  
  Eine wesentliche Voraussetzung zur Bildung von Schneebrettlawinen stellen Schwachschichten innerhalb der Schneedecke dar. Diese können aus eingeschneitem Oberflächenreif, Schwimmschnee aber auch Schmelzharsch bestehen. Üblicherweise bilden sich diese Schichten nur in einer Schneedecke die nicht durch Hindernisse oder Objekte, abgeschirmt wird (freies Gelände).  
Lawinenunfälle in lichten Lärchenwäldern ließen jedoch die Vermutung aufkommen, daß Schwachschichten auch hier vorhanden sein müssen. Beobachtungen haben nun gezeigt, daß die Gleitfläche (Anbruch) oftmals aus einer Schicht Oberflächenreif besteht.
Enstehung von Oberflächenreif
 
Oberflächenreif , aufgenommen in einer Waldlichtung im Kühtai (2000 m) am 18.1.2001]
Foto: P. Höller


Oberflächenreif entsteht primär in klaren und kalten Nächten. Durch die nächtliche Ausstrahlung kühlt die Schneeoberfläche stark ab und unterschreitet dabei die Lufttemperatur. Dadurch entsteht ein zur Schneedecke gerichteter Wasserdampffluss (von der wärmeren Luft zur kälteren Schneeoberfläche).

An der Schneeoberfläche sublimiert der Wasserdampf zu Eis. Oberflächenreif stellt zunächst keine Gefahrenquelle dar, wird jedoch zu einer gefährlichen Gleitfläche, wenn er durch Neuschnee überdeckt ist. Da die Verbindung zwischen Neuschnee und Reif nur sehr gering ist, kann jede zusätzliche Belastung zu einem Schneebrettanbruch führen.
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Lichter Wald: kein Schutz vor Schnee-Schwachschichten
Die Temperaturgegensätze zwischen Luft und Schneeoberfläche sind im Wald wesentlich geringer als im Freiland. Das Kronendach verhindert die nächtliche Ausstrahlung und somit eine starke Abkühlung der Schneeoberfläche. Schwachschichten in der Schneedecke sind daher unter Baumkronen weitgehend ausgeschlossen. Ist jedoch die Überdeckung durch die Baumkronen unzureichend oder sind Lichtungen vorhanden, so können ähnliche Verhältnisse vorherrschen wie im freien Gelände. Mit der Entwicklung von Schwachschichten in der Schneedecke ist dann auch im aufgelichteten Gebirgswald zu rechnen.
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Große Unterschiede bei Schneeoberflächentemperaturen
Wesentlichster Bestandteil unserer Untersuchungen waren aufwendige Temperaturmessungen an charakteristischen Versuchsflächen (Wald, Lichtung, Freifläche ...). Während die Lufttemperaturen innerhalb und außerhalb des Waldes annähernd ähnlich verliefen, zeigten sich deutliche Unterschiede bei den Schneeoberflächentemperaturen.

Diese waren in klaren Nächten im freien Gelände um 3 - 7 Grad niederer als in der angrenzenden Waldfläche. Und auch in der nahe gelegenen Lichtung lag die Oberflächentemperatur immer noch um etwa 2 - 4 Grad unter jener, die unmittelbar unter Baumkronen gemessen wurde.

Diese Ergebnisse deuten daraufhin, dass die Oberflächentemperatur in Lichtungen vom umgebenden Bestand kaum beeinflusst wird, und die Schneedecke hier annähernd so abkühlt wie im freien Gelände.
Oberflächenreifbildung auch in Lichtungen möglich
Die Ergebnisse der Messungen erlaubten uns, die Dampfdruckdifferenzen zwischen Schneeoberfläche und umgebender Luft zu berechnen. Nicht überraschend waren die Erkenntnisse für die freie Fläche; Reifbildung ist bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (klare Nacht, tiefe Temperaturen, entsprechende Luftfeuchtigkeitsverhältnisse) hier uneingeschränkt möglich. Demgegenüber kann im dichten Wald ein abwärts gerichteter Wasserdampffluss (Reif) ausgeschlossen werden.

Die interessanteste Versuchsfläche war jedoch jene im Bereich der Lichtung; trotz der im Vergleich zur freien Fläche höheren Schneeoberflächentemperaturen ergab sich für die Mehrzahl der Nächte (wenn höhere Luft-feuchtigkeitswerte vorherrschten) ein zur Schneeoberfläche gerichteteter Wasserdampffluss.

Dies zeigt, daß eine wesentliche Voraussetzung zur Oberflächenreifbildung auch in Lichtungen gegeben ist. Kontinuierliche Schneeprofilaufnahmen in den beiden letzten Jahren bestätigten die Modellrechnungen.
->   Homepage der Forstlichen Bundesversuchsanstalt
 
 
 
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