Peter Höller
Bundesamt und Forschungszentrum für Wald, Institut für Lawinen- und Wildbachforschung, Innsbruck
 
ORF ON Science :  Peter Höller :  Umwelt und Klima 
 
Lawinenunfälle in Tirols Bergen  
  Die Schneefälle in der letzten Woche sowie anhaltend stürmische Winde haben wieder zu einer Reihe von Lawinenunfällen geführt. Während sich der Unfall bei Obergurgl auf einer geöffneten Straßenverbindung ereignete (Lawinen-Selbstauslösung), wurde die Lawine im Gemeindegebiet von Serfaus durch mehrere Snowboarder im freien Schiraum ausgelöst.  
Unterschiedliche Ursachen für die Lawinenabgänge
Hat man bei Beurteilung der Lawinengefahr für die Straße nach Obergurgl möglicherweise den durch Wind verfrachteten Schnee nicht richtig eingeschätzt, so dürfte der zweite Unfall auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen sein. Trotz Warnungen aller Experten vor der großen Lawinengefahr abseits der gesicherten Pisten, war diese Gruppe im freien Schiraum unterwegs.
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Hauptfaktoren für die Entstehung von Lawinen: Wind und Neuschnee
Wind und Neuschnee stellen in den Monaten Dezember, Jänner und Februar die Hauptursache für Lawinenabgänge dar. Dazu kommt, daß dieser Winter bisher sehr schneearm war und schneearme Winter sind - so paradox es klingt ¿ ein besonderer Nährboden für viele Lawinen.

Die niederen Temperaturen im Jänner haben dazu geführt, daß sich in der alpinen Schneedecke ein mächtiges Fundament aus Tiefenreif (Schwimmschnee) gebildet hat. Der Aufbau dieser Schwachschichten schreitet vor allem bei kaltem Wetter (klare und wolkenlose Nächte) und bei geringer Schneehöhe rasch voran.
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Ausgeprägte Temperaturgradienten im Jänner
Messungen des Institutes für Lawinenforschung der Forstlichen Bundesversuchsanstalt Mitte Jänner dieses Jahres haben gezeigt, daß die Schneeoberflächentemperaturen bei einigen Stationen unter ¿20°C gesunken sind.

Berücksichtigt man die sehr geringe Schneehöhe von teils nur einem halben Meter, so ergeben sich daraus Temperaturgradienten von gut 40°/m.

Derartige Gradienten beschleunigen das Reifwachstum und bewirken in kurzer Zeit die Ausbildung mächtiger Schwimmschneeschichten.
Der warme Februar hat nur bedingt zu einer Entspannung beigetragen
Die warme Wetterperiode im Februar hat zwar insgesamt zu einer Entspannung beigetragen, in schattseitig gelegenen Hängen blieb dieses schwache Fundament ¿ wie unsere Erhebungen zeigten ¿ jedoch weitgehend erhalten.

Außerdem hat sich infolge der zuletzt hohen Temperaturen eine Schmelzharschschicht an der Schneeoberfläche gebildet.
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Mehrere kritische Zonen in der Schneedecke
Diese meteorologischen Bedingungen haben die Entwicklung mehrerer kritischer Zonen in der Schneedecke begünstigt:

1. Schwimmschnee, der wie ein Kugellager wirkt und der eine zusätzliche Belastung durch den Neuschnee nicht übernehmen kann.

2. Altschneeckedecke (Harsch), die eine Gleitschicht bildet (Verbindung mit dem Neuschnee nur unzureichend).
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Zusatzbelastung bewirkt Lawinenauslösung
Jede zusätzliche Belastung, sei es nun Neuschnee (der aufgrund des Windeinflusses in den hochalpinen Anrißgebieten hier viel größere Mächtigkeiten erreicht als sich dies aus der an einem Meßfeld registrierten Schneehöhe ergibt) oder auch nur ein Schifahrer (Snowboarder) kann letztendlich den Bruch des Schnees bewirken und damit zur Ausbildung einer Schneebrettlawine beitragen.
->   Homepage der Forstlichen Bundesversuchsanstalt
 
 
 
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