Host-Info
Herbert Hrachovec
Institut für Philosophie, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Herbert Hrachovec :  Wissen und Bildung 
 
Universitätsorganisation: Die Wiener Werkstatt  
  Der Uni-Rat hat, nach längerem Tauziehen, vergangenen Freitag den Organisationsplan beschlossen, in dem die Verwaltungs- und Fakultätsstruktur der Universität Wien geregelt ist. Maßnahmen zur Stärkung des wissenschaftlichen Profils und Richtlinien zur Durchführung des Lehrbetriebs ergänzen das Dokument. Ein kurzes Resumee der Entwicklungen des letzten Halbjahres ist angebracht.  
"Steinzeit" 2003: Kaum politische Anteilnahme
Im Sommer 2003 herrschte hochschulpolitische Steinzeit. Die Wahl zum Gründungssenat und die Bestellung des neuen (alten) Rektors gingen mit geringer Anteilnahme seitens der Universitätsangehörigen über die Bühne. Dem Rektorenteam, das die Konsultation mit den überkommenen Fakultäten strategisch vermied, bot sich kein Konsultationspartner an.

Frustriert und benommen vom legislativen Umbruch (und ausgelaugt vom Kleinkrieg der vorangegangenen Jahre) hatten sich viele in den politischen Vorruhestand verabschiedet. Die Zeit schien reif für einen neuen, straffen Führungsstil.
Erste Fassung des Organisationsplans: Kommandosystem
Die Kühnheit (oder Chuzpe) des Organisationsplans in seiner ersten Fassung verdient zumindest theoretischen Respekt. Georg Winckler verglich die Universität in einem Interview mit einem Ozeandampfer, den man nur mit einem entsprechenden Kommandosystem dirigieren könne.

So war das dann geplant: Eine Gruppe von Abteilungschefs hat freie Hand, in ihrem Bereich die Zielvorstellungen der Zentrale umzusetzen. Die Aufsässigkeit alteingesessener "Fürstentümer" und die Behäbigkeit der Honoratioren, die sich in langwierigen Beratungen wichtig machten, wird gebrochen.
Patient erwacht: Impulse kamen nicht "von innen"
Dann ist der Patient vorzeitig aus der Narkose aufgewacht. Mehrere Faktoren spielten eine Rolle. Zur Schande der Universitätsbediensteten muss gesagt werden, dass die Impulse nicht aus ihrem Kreis kamen. Die Österreichische HochschülerInnenschaft hatte sich schon früh gegen die Pläne des Rektorats gewendet und zweitens sprach sich der Universitätsrat überraschend gegen den ausgeprägten Dirigismus des Organisationplans 1 aus.

Ohne diese Intervention wären die zu diesem Zeitpunkt langsam einsetzende Wiederbelebung des inneruniversitären Demokratiebewusstseins chancenlos geblieben.
Folge: Erheblich aufgelockerter Entwurf
Vom Universitätsrat zu einem kooperativeren Planungsverfahren angehalten, musste das Rektorat sich Gesprächspartner suchen, die eine neue Version der Vorlage legitimieren konnten. Es wandte sich an die alten Dekane und bezog die mittlerweile formierte "Plattform für universitäre Mitbestimmung" in die Beratungen ein. Das führte zu einem erheblich aufgelockerten Entwurf, der Fakultäts- und Studienkonferenzen vorsieht und eine Berichtspflicht der Dekanin (m/w) festschreibt.
Mitbestimmung in Ansätzen
Im Rahmen des UG 2002 ist damit universitäre Mitbestimmung in Ansätzen gesichert. Es gibt Skurillitäten und schmerzhafte Defizite, etwa die Regelung, dass die Dekanin der Fakultätskonferenz als ständige Auskunftsperson angehört und sie in dieser Funktion leitet. Dennoch scheint ein gewisses Äquilibrium zwischen den obrigkeitlichen und den basisdemokratischen Interessen erreicht.
Arbeitsorganisation bleibt flexibel
Wie ist das Ergebnis einzuschätzen? Dem Rektorat ist es gelungen, eine Grundidee des ursprünglichen Plans durchzubringen. Die Arbeitsorganisation innerhalb der Fakultäten bleibt flexibel und bietet künftigen Dekaninnen (m/w) reichlich Gelegenheit zur Restrukturierung und Akzentuierung/Einsparung. Auf dieser Stufe wird sich keine starke Interessensvertretung mehr aufbauen lassen.

Man kann geteilter Meinung sein, ob die dort hingehört. Jedenfalls wird es durch die gewählten Fakultätskonferenzen eine unumgängliche Öffentlichkeit für solche Belange geben. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, man freut sich trotzdem.
Unstimmiger Kompromiss bei Fakultätengröße
Der Organisationsplan hat in beiden Fassungen eine Frage aufgeworfen, die ungelöst im Raum steht. Die alten Fakultäten waren ein Sammelbecken verwandter Wissenschaften und eigneten sich schlecht zur strategischen Planung. Die ursprüngliche Idee des Rektorates war daher deren Aufteilung in 18 kleinere, mobile Einheiten. Der Universitätsrat widersprach und das Ergebnis ist ein unstimmiger Kompromiss.

Großen Konglomeraten (Erdwissenschaften, Lebenswissenschaften, Kulturwissenschaften) stehen fachspezifisch definierte Fakultäten (Physik, Chemie, Mathematik, Psychologie) gegenüber. Die Interessen einzelner Fächer und Personen konnten sich unterschiedlich gut durchsetzen.
Inneruniversitärer Verteilungskampf hat erst begonnen
Aus eigener Anschauung gesprochen: eine wochenlange Kampagne der betroffenen Institute hat die Triple-P Fakultät (Pädagogik, Philosophie, Psychologie) verhindert. Ein Kommentator mit Sympathien zum Regierungslager beklagt auch gleich, dass dieser Widerstand nicht gebrochen wurde. Richtig ist daran, dass die Anerkennung der strategischen und sachlichen Gründe gegen die Zusammenlegung ein Ungleichgewicht erzeugt.

Der inneruniversitäre Verteilungskampf hat gerade erst begonnen. Wie sich das Verhältnis zwischen den Strategieinitiativen der Universitätsleitung und den föderativen Strukturen, welche sie einzig und alleine umsetzen können, entwickeln wird, ist noch nicht abzusehen.
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In seinem Weblog "quatsch" begleitet Herbert Hrachovec u.a. die Reformschritte an der Universität Wien.
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