Host-Info
Herbert Hrachovec
Institut für Philosophie, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Herbert Hrachovec :  Wissen und Bildung 
 
Die Universitäten neu regieren  
  Es ist nicht einfach, Außenstehenden deutlich zu machen, wie einschneidend das Universitätsgesetz 2002 das österreichische Hochschulwesen verändert. Zur Illustration kann man sich vorstellen, dass der Gesetzgeber die politische Struktur der Bundesländer neu regelt.  
Der Landeshauptmann (m/w) wird von einem Rat aus Bürgermeistern (m/w) vorgeschlagen und von einer Kommission eingesetzt, die zur Hälfte aus Delegierten der Bundesregierung besteht. Verbindlich wird festgelegt, dass entweder die Bezirkshauptmannschaften oder die kommunale Selbstverwaltung abzuschaffen ist. Das Programm läuft unter den Titeln "flache Hierarchien" und "flexibles Managment". Die Folgen für den Föderalismus wären verheerend.
Mehrheit hat kein Recht auf Mitsprache
Ähnlich traditionsverhaftet war die universitäre Infrastruktur aus Fakultäten und Instituten. Eine Schicht ist abzubauen und zu den ersten Tests der neu installierten Hochschulautonomie gehört die Freiheit, selbst über diese oktroyierte Begradigung zu entscheiden.

Eine derart tiefgreifende Neuordnung muss auf den Widerstand der Betroffenen stoßen. Diese Schwierigkeit löst das Gesetz, indem es der Mehrheit der Beschäftigten praktisch das Recht zur Mitsprache entzieht. Die Zukunft der Universitäten entscheiden die Bürgermeister.
Umbau in kürzester Zeit
Und es muss schnell gehen. Ab Jänner 2004 sind alle alten Strukturen außer Kraft gesetzt. Es gibt dann einen Rektor, der einen "Organisationsplan" implementiert, für den allein die oberste Leitungsebene verantwortlich ist. Die Angestellten finden sich in Arbeitsumständen wieder, auf deren Neuverhandlung sie so gut wie keinen Einfluss hatten.

Fachbereiche werden fusioniert, aufgeteilt und reorganisiert, ohne dass darüber eine Auseinandersetzung stattfindet. Wer den Schaden hat, hat auch den Spott. Eine Tageszeitung findet es "skurril", wenn die Sozialethnologie sich nicht in einer philologisch ausgerichteten Fakultät wiederfinden will.
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->   "quatsch": Weblog Herbert Hrachovec
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"Blitzkrieg": Aus Unis werden Wirtschaftunternehmen
Strategisch ist das eine kühne Tat, die den Namen "Kulturrevolution" verdient, wenn man nicht "Blitzkrieg" sagen will. Die Universität erhält einen Führer, soll heißen Firmenchef. An dieser Stelle hinkt der Vergleich mit dem Föderalismus, weil eine derartige Ent-Demokratisierung der Bundesverfassung widersprechen würde.

Den Hochschulen kann man die demokratischen Strukturen leichter nehmen. Sie werden tendenziell zu Wirtschaftunternehmen. Sachliche Kompetenz ist nicht mehr das Ticket für den Eintritt in die "Gelehrtenrepublik", sondern ein Faktor der Ressourcen-Nutzung und Profilbildung.
Uni Wien: 18 statt sieben Fakultäten
Soweit die allgemeine Diagnose. Wie sieht es an der Universität Wien aus? Der Rektor hat sich fünf Personen ausgesucht, die in Kleingruppen Vorschläge zur Neuorganisation machen durften. Ein Hauptproblem war die Frage, welche Verwaltungseinheit die bisherige Doppelschichtigkeit ablösen soll.

Die Mehrheit der Beauftragten entwickelte Vorschläge, die schon zuvor als Wunsch des Rektors zu erkennen waren. Entsprechend fällt der vorliegende Vorschlag der Universitätsleitung für die künftige Struktur aus. 18, statt bisher sieben Fakultäten und zwei zentrale Einrichtungen. An dieser Stelle steckt die Sache allerdings im Moment.
Konflikt zwischen Rektor und Senat
Dem Aufsichtsrat ist die Anzahl der Fakultäten zu hoch. Der Rektor hat sein Prestige jedoch in den vorliegenden Entwurf investiert und hätte gerne, dass der akademische Senat ihm die Aufgabe der Reduktion abnimmt. Der wiederum steht dem Rektor zunehmend skeptisch gegenüber und entwickelt seine eigenen Bedenken. Ein zentraler Konflikt ist leicht zu erraten.
Ungelöste Frage der Verwaltung
Wenn zehn bis 20 Dekane (m/w) dazu verpflichtet werden, mit den etwa 2.000 wissenschaftlichen Mitarbeitern (m/w) persönlich ausgehandelte Dienstvereinbarungen anzuschließen, wird das System unregulierbar. Das kommt vom Wegfall der Verwaltungsebene. Sie erfüllte wichtige Funktionen - wo wandern die jetzt hin? Das neue Jahr beginnt mit völliger Unklarheit in dieser Frage.
Zwischen Karriere und Verbitterung
Es zeichnet sich ab, dass das neue Regime an der Universität Wien mit einer Mischung aus autoritärem Eingriff und Taktik operieren wird und kaum auf Akzeptanz hoffen kann. Eine Anzahl karrierebewusster Wissenschaftler (m/w) werden die Gelegenheit nutzen, sich als Bezugspersonen für den Rektor zu empfehlen. Der Rest verbleibt in (teilweise verbitterter) Enttäuschung oder Distanz und harrt der Dinge, die da kommen sollen.
"Das geht nicht gut"
Dem wenig attraktiven Bild ist hinzuzufügen, dass die Funktionäre der nun abgelösten Ordnung es fast durchwegs versäumt haben, sich Gedanken darüber zu machen, wie partizipative Ansätze sich zumindest teilweise in die kommende Ordnung einbauen ließen.

Das UG 2002 trifft insoferne auf einen zugleich saturierten und demoralisierten Personenkreis, der weder durch Parolen von Politikerinnen, noch durch die Managment-Impulse der Betriebsleitung zu mobilisieren ist. Das geht nicht gut.
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Mehr zu dem Thema:
->   Radikale Organisationsreform der Uni Wien geplant (4.11.03)
->   Uni Wien: Spannungen zwischen Senat und Rektorat (5.12.03)
 
 
 
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