Host-Info
Ulrich Körtner
Institut für Systematische Theologie der Evangelisch-Theologischen Fakultät und Institut für Ethik und Recht in der Medizin, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Ulrich Körtner :  Leben .  Gesellschaft 
 
Nun vollständig: Albert Schweitzers Werke aus dem Nachlass  
  Das bislang unveröffentlichte Werk Albert Schweitzers "Wir Epigonen" liegt jetzt als Neuerscheinung vor. 40 Jahre nach dem Tod des bedeutenden Theologen, Philosophen und Humanisten ist die große Edition seiner Werke aus dem Nachlass damit abgeschlossen.  
15 Jahre Arbeit führten zu acht Bänden

Albert Schweitzer
Acht Bände umfasst die Edition der Werke Albert Schweitzers aus dem Nachlass im Verlag C.H. Beck. Gut 15 Jahre hat eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern unter der Leitung von Ulrich Luz, Theologieprofessor an der Universität Bern und einer der renommiertesten Neutestamentler der Gegenwart, an diesem Projekt gearbeitet.

Als Schweitzer 1965 in Lambarene starb, hinterließ er tausende von Manuskriptseiten. Sie lagern heute im Albert-Schweitzer-Archiv in dem elsässischen Städtchen Günsbach. In jahrzehntelanger Arbeit hat Johann Zürcher Schweitzers Manuskripte gesichtet und transkribiert. Diese Dokumentationsabschrift ist die Grundlage für die nun abgeschlossene wissenschaftliche Edition.

Ein Exemplar dieser Dokumentationsabschrift befindet sich im Besitz der Bibliothek der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.
->   Fakultätsbibliothek für Evangelische Theologie, Uni Wien
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Neuerscheinung: Albert Schweitzers "Epigonen"
Albert Schweitzer: Wir Epigonen. Kultur und Kulturstaat, hg. von Ulrich Körtner und Johann Züricher, München 2005
->   Verlag C.H. Beck
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Albert Schweitzer als Kulturpessimist

Das Buch
Der Plan Albert Schweitzers, ein kulturphilosophisches Werk mit dem Titel "Wir Epigonen" zu schreiben, wurde durch eine Begebenheit im Jahre 1899 angeregt. Eines Abends fiel im Beisein Schweitzers im Hause Curtius in Berlin die Bemerkung: "Wir sind ja doch alle nur Epigonen".

Das Wort habe, wie sich Schweitzer später erinnerte, wie ein Blitz neben ihm eingeschlagen, "weil es dem Ausdruck gab, was ich selber empfand". Ihm sei es vorgekommen, "als ob wir im geistigen Leben vergangene Generationen nicht nur nicht überholt hätten, sondern vielfach nur von ihren Errungenschaften zehrten [...] Von jenem Abend im Hause Curtius an war ich neben allen anderen Arbeiten innerlich an einem Werk beschäftigt, das ich 'Wir Epigonen' betitelte."
Kritische Analyse der europäischen Gegenwart
Die zum Teil nur skizzenhaft vorliegenden Texte stammen aus den Jahren 1914 bis 1918. Sie wurden größtenteils in Lambarene geschrieben und bieten eine umfassende kritische Analyse der damaligen europäischen Gegenwart. Kultur, Religion, soziale Fragen, Philosophie und anderes mehr sind die Themen, mit denen sich Schweitzer befasste.

Der später von Schweitzer vorgesehene Titel des Werkes lautet "Kultur und Kulturstaat". Darin geht es um den "Niedergang der Kultur", den "Kulturstaat", dessen Entvölkerung Schweitzer fürchtet, "Nichtkulturstaaten" sowie um Fragen des Kolonialismus und der Rassentrennung.
Vieles anregend, manches überholt
Die "Epigonen" sind ein eindrückliches, Oswald Spenglers "Untergang des Abendlandes" vergleichbares Dokument des Denkens in der Krisensituation des Ersten Weltkrieges. Viele von Schweitzers scharfsinnigen Analysen sind heute noch anregend, manche seiner damaligen Ansichten aber aus heutiger Sicht überholt.

Das betrifft vor allem einige der Ansichten, die Schweitzer seinerzeit zu konkreten Fragen der Kolonialpolitik einschließlich der Beziehungen zwischen Europäern und Afrikanern vertreten hat, die freilich in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext zu interpretieren und zu bewerten sind.

Wegweisend war dagegen Schweitzers konsequenter Einsatz für die Menschenrechte in den Kolonien, den z.B. ein in diesem Band enthaltener Vortrag dokumentiert.
Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben
Das Werk enthält auch erste Erklärungen der Ehrfurcht vor dem Leben, dem Grundgedanken der Ethik Schweitzers. Manches davon wurde später in "Verfall und Wiederaufbau der Kultur" sowie "Kultur und Ethik" übernommen.

Zwischen den "Epigonen" und "Kultur und Ethik" bestehen, was die Ausformulierung der Lehre von der Ehrfurcht vor dem Leben betrifft, sachlich relevante Unterschiede.
Einblicke in die Entwicklung von Schweitzers Denken
Auf den ersten Blick geht Schweitzer in "Kultur und Ethik" über seine früheren Aufzeichnungen hinaus, indem er das Prinzip der Ehrfurcht vor dem Leben radikalisiert.

Andererseits scheint es in dieser radikalisierten Form weniger handhabbar zu sein als in seiner älteren Fassung, wie sie uns in den Aufzeichnungen zu "Kultur und Kulturstaat" begegnet.

Die "Epigonen" eröffnen somit wichtige Einblicke in die Entwicklung von Schweitzers Denken und bieten eine wichtige Interpretations- und Ergänzungshilfe zu Schweitzers Kulturphilosophie.
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Albert-Schweitzer-Archive
Centre International Albert Schweitzer Gunsbach
Albert Schweitzer Gunsbach
Archives, musée, lieu de rencontre
8 route de Munster,
F- 68140 GUNSBACH (FRANCE)
Tél et FAX + 33 (0)3 89 77 31 42
E-Mail A.I.S.L@wanadoo.fr
->   Deutsches Albert-Schweitzer-Zentrum (Frankfurt a.M.)
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->   Ulrich Körtner: Albert Schweitzer heute (20.8.01)
 
 
 
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